Antilopen Gang – Aversion
Trümmermänner im Angriff – Ein Erfahrungsbericht
Meine Knie schlottern noch immer! Es war eine sehr intensive und verängstigende Erfahrung. Ich habe es mir vor meinem Plattenspieler gemütlich gemacht, um ein „neues“ (offizielle Veröffentlichungsdaten sind für Yuppies – ich schreib, wann es mir gefällt!) Album zu hören, welches der Postbote unlängst in die Wohnung brachte. Was folgte, zog mir auf eine ganz besondere Weise die Schuhe aus. Grundsätzlich wäre ich auch nie davon ausgegangen jemals ein Hip Hop-Album zu rezensieren, da ich von Hip Hop überhaupt keine Ahnung habe. Und doch: Zu diesem Album muss ich einfach meine Meinung, meinen persönlichen Erfahrungsbericht eines überaus ereignisreichen Nachmittags ganz leise in die Welt stellen.
Ein Gastbeitrag von Nils, Plattenfreund aus Düsseldorf.
Das schwarze, runde Vinyl von dem die Rede ist nennt sich Aversion und zu verdanken haben wir es der Antilopen Gang aka Koljah, Danger Dan und Panik Panzer.
Ich legte die Platte ein erstes Mal auf und – um das vorwegzustellen: es war der Hammer. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ein Feature von Haftbefehl und Knochenfabrik so einschlagen könnte. Doch die Antilopen haben dies geschafft. WORD!
Okay, die Beats und Cuts entsprechen an der einen oder anderen Stelle nicht ganz meinen gitarren-geschmeichelten Ohren. Am Mic beweisen die Antilopen dafür Skills, dass Omas Achselhaare Locken bekommen. FETT, yolo!
Dann hörte ich das Album an diesem Nachmittag ein zweites und ein drittes Mal und langsam begann die Botschaft der Gang Wurzeln tief in mein Hirn zu schlagen. Zunächst eine kleine Synapse, die begann alles, was bisher mein Leben bestimmte, alles was ich war, was ich bin und jemals sein wollte in Frage zu stellen. Ein leichtes Jucken, verstärktes Kratzen, eine leichte Allergie. Es wucherte und wucherte und es entwickelte sich eine Aversion. Ein Anti-Alles und die Antilopen gaben mir, in Jogginghose auf dem Sofa liegend, die Weitsicht. Der Grund allen Übels wurde mir in einer Vision bewusst, während im Hintergrund das Album seine fünfte und sechste Runde drehte:
Vor meinem inneren Auge sah ich, wie sich der Nebel langsam lichtete. Ich sah, im Zentrum der Gesellschaft stehend, wie eine Festungsmauer, ein IKEA-Regal und Drumherum schleichende und kriechende Chamäleons. Sie alle versuchen mich á la Darth Vader auf die gleichgeschaltete dunkle Seite der Spießigkeit zu holen. Lauter Baumfetischisten, die mich vom neu entdeckten und geliebten, großflächig betonierten Parkplatz schleifen wollen, während ich mit Händen und Füßen wehrend die Losung dagegenhalte: „Zurück zum Beton, aus Bäumen macht man Karton“. Niemand hilft mir. Ich brauche Unterstützung, Gleichgesinnte, ich will Teil sein der Armee der Kaputten und der Hässlichen.
Das Album drehte sich weiter und weiter. Die allergene, alles abstoßende Synapsenverwurzelung in meinem Gehirn, meine Allergie, die Aversion gegen alles entwickelte sich aufgrund überzeugender Lyrics der Antilopen dermaßen schnell, dass plötzlich selbst ihr Album, als ein weiteres Chamäleon, um das IKEA-Regal zu kreisen begann. Eine weitere Parole, welche durch die Lautsprecher des kleinen gelben Unterseebootes namens Gesellschaft dröhnt, in dem wir leben.
Das Album drehte Runde für Runde, ich lag auf dem Sofa und die Verwirrung nahm Überhand, bis plötzlich konzentrische Kreise mir einen Fokus boten. Die Erhellung meiner Sinne. Die Lösung aller Problematik und Antwort auf jede von Maybrit Illner gestellte Frage: Deutschrap muss sterben, damit wir leben können.
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