Chuck Norris: Seine 10 besten Filme
Carlos Ray Norris ist Karateweltmeister des Jahres 1968.1 Kein Wunder also, dass in seinen Filmen viel geboxt und noch viel mehr getreten wird. Ein viel größeres Wunder ist es allerdings, dass in vielen seiner Filme so wenig gekämpft wird. Warum dreht man einen Film wie The Delta Force (1986), in dem Norris sich an Maschinengewehren erfreut, Panzerfäuste abfeuert und Motorrad fährt? Für sowas gab’s doch schon damals Silvester Stallone.
Und so ist folgende, aufsteigend sortierte, Top10 der besten Chuck-Norris-Filme aller Zeiten möglicherweise ein klitzekleines bisschen unfair: Wenn Norris in Norris-Filmen nicht um sich tritt, so ist das allzu un-norrisig und dafür gibt’s dann eben Punktabzüge. So.
Häufig werden Chucks Filme unter das Subgenre der van Damme / Seagal / Dudikoff – Martial-Arts-Produktionen gefasst. Das ist falsch. Das Subgenre des Chuck-Norris-Films ist der Chuck-Norris-Film. Warum das so ist?
- Chuck kann wirklich kämpfen und trägt Bart. Wer noch?
- No comic relief. Chucks Filme sind ernst gemeint. Nix mit witzigen Sprüchen oder Eishockeyeinlagen a lá Sudden Death – die Lage ist ernst und nur einer kann uns retten.
- Chucks Filme haben ihren eigenen Cast – die meisten seiner Nebendarsteller sucht man vergeblich in anderen Filmen; Ausnahmen wie Billy Drago, David Carradine oder Lee Marvin bestätigen natürlich nur die Regel.
- Häufig führt sein Bruder, Aaron Norris, Regie. Der sieht ein bisschen aus wie Campino und dirigiert ausschließlich in den Filmen seines Bruders, was den Streifen häufig einen exklusiven Charme gibt. Die Aaron-Norris-Note gibt’s folglich nirgendwo anders.
- Norris-Filme haben ihre ganz eigene Moral. Sie sind brutal. Viele sind FSK18 und das zurecht. Die Bösewichte sind richtig böse. Chuck tötet auch Leute, die er am Leben lassen könnte. Aber: gevögelt wird nicht.
Am wichtigsten ist aber: Chuck-Norris-Filme sind echter Trash. Wer sich an konfusen Dialogen, sonderbaren Actioneffekten oder grundlosen Faustkämpfen nicht stört, wird an folgenden Perlen der Filmgeschichte viel Freude haben:
10. Forest Warrior (1996)
Forest Warrior steht nicht an Nummer 10 dieser Liste, weil es der zehntbeste Chuck-Norris-Film wäre. Im Gegenteil, Forest Warrior gehört zu den schlechtesten Filmen der Welt. Er muss hier jedoch erwähnt werden, denn niemand darf dieses Schmuckstück verpassen.
Der Förster John McKenna (Chuck Norris) wird im Wald von Gangstern erschossen und stürzt in einen See. Einem Bären, der seine Leiche findet, gefällt das gar nicht und er ruft einen Wolf und einen Adler herbei (Obacht: zu diesem Zwecke klatscht (!) der Bär). John wird nun durch die „Macht des Berges“ wiederbelebt, von nun an sind Bär, Adler und Wolf in der Figur des shapeshifters JohnMcKenna vereint. Soweit die Legende.
Nun wollen Kinder im Wald spielen und lernen dabei einen Babybären kennen. Dieser steht jedoch drei bösen Holzfällern im Wege, die ihn umbringen und noch dazu (einfach so!) den Wald abholzen wollen. JohnMcKenna kommt als Adler herbeigeflogen, verwandelt sich in…naja, JohnMcKenna und haut die Holzfäller um. (Aus irgendeinem Grund hielten die Autoren einen Menschen wohl für einen besseren Kämpfer als einen Bären.) John tritt den Gangstern auffällig häufig in die Eier, was ein bisschen an „Oww my balls!“ aus Idiocracy erinnert. Insgesamt ist der Film eher witzig angehaucht, wozu unfreiwillig auch Chucks Frisur beiträgt (Sarah-Palin-Stil, Pony bis zu den Augenbrauen, Rest schulterlang).
Highlights des Films: Eindeutig McKennas Verwandlung in einen Bären und eine kleine Musicalszene, in der die Ganoven mit ihren Kettensägen Luftgitarre spielen.
9. A Force of One („Der Bulldozer“, 1979)
A Force of One – von Kritikern auch als “Farce of One” gewürdigt — ist der Repräsentant des frühen Norris-Wirkens: Wie in den meisten seiner Frühwerke und anders als in späteren Filmen trägt Mr. Norris Schnurrbart, er verliebt sich, läuft lange „oben ohne“ durch‘s Bild und ist kein Polizist/Soldat mit Karatehintergrund, sondern – im Gegenteil — professioneller Karatekämpfer, der der Polizei aushilft. All dies wird sich in seinem späteren Schaffen radikal wandeln.
Dem Drogendezernat der Polizei sterben die Leute weg – ein böser Mensch bricht ihnen buchstäblich das Genick. Dahinter kann nur ein Superkämpfer stecken, also heuert die Polizei einen noch besseren Superkämpfer an, Matt Logan (Norris). Auf dem Weg sterben ein paar sympathische Leute und Matt Logan bringt der Polizei Karate bei. Am Ende steigt er mit dem Bösewicht in den Ring, ebenfalls buchstäblich.
A Force of One ist ein historisches Dokument, aber wenig mehr als das. Chucks body count fällt hier eher moderat aus, er bestreitet nur wenige Kämpfe und diese auch meist in slow motion. Die Rollenbesetzung, besonders Norris Gegenspieler Bill Wallace, weiß aber sehr wohl zu überzeugen.
8. „Silent Rage“ („Das stumme Ungeheuer“, 1982)
Genforscher testen ein Medikament an einem Todkranken…und erschaffen ein Monster! So stark, dass es einem Menschen mit einer Umarmung das Rückgrat bricht. So wahnsinnig, dass es nicht mehr spricht, aber so schlau, dass sich niemand vor ihm verstecken kann. So übermächtig, dass es sich selbst heilen kann.
Alle, die in Ihrer Kindheit Gameboy gespielt haben, wird freuen, dass besagtes Monster „Kirby“ heißt. Alle Versuche, Kirby zu stoppen, schlagen fehl: Kirby wird angeschossen, vom Institutsdach geworfen, mit dem Auto angefahren und in Brand gesteckt. Bringt alles nix – Kirby überlebt. Da kann es nicht verwundern, dass als ultima ratio nur noch ein paar geschmeidige Roundhousekicks von Dan Stevens (Chuck Norris) bleiben. Und wisst Ihr was? Das hilft.
Dennoch: Damit ist der Film nicht zu Ende. Wir von Fischpott sind ja aber nicht blöd und verraten Euch, wie’s ausgeht.
7. Invasion U.S.A. (1985)
Nach den Erfolgen von Missing in Action I & II entschloss sich Cannon Films, Chuck Norris zu einem Actionstar „für ein breiteres Publikum“ zu machen. Mehr Budget, mehr Action (!), mehr Marketing und ein ambitionierterer Plot sollten zum gewünschten Erfolg führen. Nehmen wir vorweg: hat nicht geklappt. Invasion U.S.A. blieb kommerziell hinter den Erwartungen zurück, hinterlässt uns aber ein Dokument voll magischer Opulenz: Panzerfäuste, Drogen, Sowjets, Terroristen, sowjetische Terroristen, Kirmesexplosionen, Ausgangssperren, Versorgungsengpässe, Chuck Norris und um ein Haar sogar Whoopi Goldberg.2
Mikhail Rostov – um der Terminologie des Titels gerecht zu werden – invadiert die USA über Florida mit einer Menge seiner Jungs. Einer riesigen Menge. Und die haben auch noch Waffen, weil Mikhail mit Drogen ein Vermögen angescheffelt hat. Doof nur, dass das alles gar nicht hätte passieren müssen, denn Matt Hunter (Norris) hat Rostov schon einmal geschnappt; seine Schluffi-Chefs haben ihm aber untersagt, Rostov zu töten. Das haben sie nun davon.
Jetzt legen Rostov und seine Ganovenbande Florida und die Südstaaten lahm. Hunter unterbindet einige ihrer Missetaten, erkennt aber, dass es zu viele Terroristen sind. Er beschließt, sich alleine Rostov vorzuknöpfen und stellt diesem eine gewiefte Falle. Ob Rostov darauf reinfällt und wie es ausgeht, müsst Ihr selber sehen.
Kein Film mit Chuck Norris ist derart over the top wie Invasion U.S.A.; und das meinen wir zunächst mal als Kompliment. Leider geht er an seinem Anspruch zugrunde, ein breites Actionpublikum zu erreichen. Die Karateszenen wurden auf ein Mindestmaß zurückgefahren (offenbar glaubte man, das käme nicht so gut an) und wenn, dann gibt es Roundhousekicks in slow motion (offenbar glaubte man, der gemeine Zuschauer könne Chucks schnellen Tritten nicht folgen). Stattdessen wurden Geballer, Explosionen und Oneliner („Send me a postcard!“) hochgeschraubt und dabei vergessen, dass auch ein breites Actionpublikum nicht völlig schwachsinnig ist.
6. Delta Force II: The Colombian Connection (1990)
Na geht doch! Nachdem The Delta Force (1986) vollends verkackt wurde, erwartet uns mit Delta Force II ein solider Actionthriller mit vielen Opfern, einer Fallschirmszene, einem coolen Bösewicht, Drogen, einem fiktiven Zwergstaat, tragischen Nebenfiguren, diplomatischen Versagern, luschiger Rechtsprechung, einer Giftschlange, einer Gaskammer, Chuck Norris und Karneval in Rio. In den Nebenrollen finden wir Hochkaräter wie Billy Drago (The Untouchables) und Mark Margolis („Hector Salamanca“ aus Breaking Bad).
Ramon Cota (Drago) ist Drogenbaron im Staate „San Carlos“, der netterweise erfunden wurde, um kein bestimmtes Land zu brüskieren. Dumm nur, dass San Carlos zufällig die Flagge Kolumbiens hisst und Kolumbien im Nebentitel genannt wird. Nun, Cota wird zu Beginn des Films gefangen, vor Gericht verurteilt und zu einer Zahlung von 10 Millionen US-Dollar freigelassen — die er natürlich aus der Portokasse zahlt. Cota fliegt zurück nach San Carlos, nimmt sich im Vorbeigehen aber ein paar US-Soldaten als Geiseln.
Eine Befreiungsaktion soll gestartet werden, aber da man befürchtet, Cota werde die Geiseln abmurksen, sobald er die Helikopter der US-Armee hört, muss jemand, nämlich Scott McCoy (Norris), heimlich vorab zu Cota, die Geiseln befreien, damit das Militär in Ruhe Cotas Besitz zerbomben kann. McCoy muss zu diesem Zweck eine „unbesteigbare“ Bergwand erklimmen, was ihm allerdings nicht so schwerfällt. Es wird nicht ganz klar, welcher Teil seiner Ausbildung genau McCoy zu einem solch überragenden Bergsteiger qualifiziert, aber da es sich um Chuck Norris handelt, wollen wir das mal nicht gleich als unglaubwürdig abkanzeln.
Es ließ sich schon oben erahnen, dass der Plot ziemlich durchgeknallt ist. Deshalb fällt es auch durchaus schwer, sich wirklich von Delta Force II fesseln zu lassen. Gelungene Actionszenen und ein starker Cast sorgen jedoch für ein en grundvergnüglichen Actionabend.
5. Missing in Action (1984)
Als sich Cannon entschloss, dem Erfolg von Missing in Action mit Invasion U.S.A. nachzueifern, hätte man sich wohl erst einmal fragen sollen, warum denn Missing in Action überhaupt erfolgreich war. Missing in Action ist nämlich in der Tat kein schlechter Film und seine wesentlichen Tugenden lauten:
- ein sympathischer Held: James Braddock (Norris), Ex-Gefangener in Vietnam, geplagt von Alpträumen,
- ein spannendes Szenario. Braddock will seine Ex-Mitgefangenen befreien, die lange nach dem Fall von Saigon immer noch in Gefangenschaft, eben „Missing in Action“, sind. Die Existenz dieser Gefangenen wird seitens der vietnamesischen Regierung abgestritten und aus diplomatischen Gründen muss Braddock auf eigene Faust in den Dschungel.
- eine schöne Kulisse (Thailand und Vietnam),
- nachvollziehbare Anlässe für die Actionszenen.
Missing in Action hat mehrere Ruhephasen, die man ihm durchaus anlasten kann. Immerhin erwartet man ja einen Karatefilm. Andererseits sind diese durch die jeweiligen Situationen durchaus berechtigt. Der größte Nachteil von Missing in Action bleibt jedoch, wenn man so möchte, dass er im kompletten Gegensatz zu Invasion U.S.A. ein bisschen zu wenig auf die Kacke haut.
4. Lone Wolf McQuade („McQuade, der Wolf“, 1983)
Wir kommen nun zu den wahren Chuck-Norris-Krachern. Um die Wahrheit zu sagen: Auf unserem gefühlten Like-O-Meter beträgt der Abstand zwischen Platz 4 und 5 ungefähr dreimal so viel wie der zwischen Platz 4 und 1. Von nun an befinden wir uns in der Champions League. Von nun an entscheiden Kleinigkeiten.
Platz 4 ist Lone Wolf McQuade aus dem erweiterten Frühwerk von Herrn Norris. Man merkt dies daran, dass McQuade (Norris) strikter Einzelgänger ist – er weigert sich, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, obwohl dieser sehr sympathisch ist — , eine Scheidung hinter sich hat (pfui), Bier trinkt und in einer Szene sogar erschrickt. McQuade ist Chucks erste Vollbartrolle.
McQuade spielt in Texas und wurde auch dort gedreht. J.J. McQuade ist ein Texas Ranger, der zum Auftakt eine Handvoll Polizisten aus den Schlingen schwerbewaffneter Pferdediebe befreit. McQuade lässt sich, mitten in der Wüste, freiwillig von den Ganoven umzingeln und sich seine Waffe abnehmen, nur um dann im Nahkampf drei von ihnen umzutreten und mit einer Uzi per 360-Grad-Schuss alle von Ihnen wegzuballern, ohne dabei auch nur ein einziges Pferd zu verletzen. Applaus. Doch die Szene dient nur zur Porträtierung unseres Helden.
Eigentlich geht’s um Waffen. Der Bösewicht Rawley Wilkes ist ein skrupelloser Waffenhändler und tut McQuades Verwandten und Freunden schlimme Dinge an, das dieser natürlich so nicht dulden kann. Dabei ist zu beachten, dass Wilkes von David Carradine (Kill Bill) gespielt wird. Man ahnt also schon, dass ein mächtiger Showdown zwischen den Martial-Arts-Experten Carradine und Norris in der Luft liegt, der dann auch tatsächlich den Erwartungen gerecht wird. Dass Carradine offenbar keine Ahnung von Karate hat und Norris (unbestätigten) Gerüchten zufolge gesagt haben soll, „his karate is about as good as my acting“, sei nur am Rande erwähnt. Das Gerücht, Norris und Carradine hätten sich während der Dreharbeiten ernsthaft geprügelt, wurde später von Carradine dementiert.
McQuade besticht durch seine Westernkulisse, eine erträgliche Filmmusik und starke Kampfszenen. Er leidet allerdings ein wenig unter den eingangs erwähnten Actionklischees – Liebe, Bier, Einzelgängermythos – und Carradines leichtem „Overacting“. Alles in Allem erwartet den Zuschauer jedoch ein sehr unterhaltsamer Actionfilm, der den perfekten Übergang zwischen alten und neuen Norris-Filmen bietet.
3. Logan’s War: Bound by Honor („Enter the Hitman“, 1998)
Logan’s War ist ein ungewöhnlicher Kandidat für die Nummer 3. Zum Einen ist die Bühnenpräsenz von Chuck Norris sehr eingeschränkt; die Hauptrolle gehört hier eindeutig Eddie Cibrian, der den rachedurstigen Logan Fallon spielt. Zum Anderen ist das Thema des Films kein Leichtes: Selbstjustiz.
Logan Fallon muss als Zehnjähriger mitansehen, wie seine Familie – Mama, Papa, Schwester — von der Mafia ermordet wird, gegen die sein Vater als Staatsanwalt ermittelte. Insofern sind die Sympathien des Zuschauers natürlich klar verteilt; es ist dennoch kein klassischer Norris-Alleingangs-Film, denn immerhin geht hier eine Privatperson auf Rachefeldzug und verweigert der Staatsgewalt jegliche Kooperation. Es ist gewiss nicht so, dass die Motive des Protagonisten allzu kritisch hinterfragt werden. Dennoch, ein gewisses Bewusstsein für die moralische Ambiguität des Handelnden kann man dem Drehbuch, an dem Norris mitgewirkt hat, nicht absprechen.
Nur zehn Jahre alt und ohne Familie, wächst Logan nun auf der Ranch seines Onkels Jake (Norris) auf. Jake war bei der US Army und dort eine Art Superkämpfer (logisch). Nicht nur das, Jake hat wie Logan einen sechsten Sinn für Gefahr: beiden wird es Rot vor Augen, wenn von irgendwoher Gefahr droht – selbst wenn sie diese nicht sehen, beispielsweise ein Minenfeld oder herabstürzende Gegenstände. Diese Superkraft kommt zwar etwas blödsinnig daher – alles in allem ist sie einfach ein für die Handlung relativ unnötiges metaphysisches Gepäckstück, mit dem Jake und Logan ausgestattet sind – aber sie liefert dem Drehbuch einige Abkürzungen, denn so lässt sich erklären, warum Logan sich vor den Gangstern verstecken konnte und warum er ein solch talentierter Kämpfer ist. Jake entschließt sich, Logan das Kämpfen beizubringen und ihn später für die US Army zu trainieren. Von der Armee kehrt Logan natürlich als Held zurück, ehe er sich entschließt, seine Rachepläne umzusetzen.
Cibrian macht sich gut als Actionheld, es gibt zahlreiche Kampfszenen mit ihm und die sind alle gelungen. Hin und wieder wird nicht ganz klar, warum er jetzt zwei Profiboxer aus dem Handgelenk umhauen kann, aber einen tausend Jahre alten Mafioso nicht, aber dass der Endgegner der Stärkste sein muss, ist ja andererseits auch irgendwie klar. Es gibt einen wahnsinnig coolen Showdown und einige unterhaltsame Nebenhandlungen (kurzum: Logan tut Gutes). Wenn Logan’s War nach nicht einmal 90 Minuten vorbei ist, hat man den Eindruck, es sei ’ne Menge passiert.
Als besonderes Bonbon gibt es übrigens unfreiwillig komische Dialoge („Warum bist Du zur Armee gegangen, Jake?“ „Ich habe es getan, weil ich es tun musste.“) und hervorragende Nebendarsteller, u.a. Jeff Kober (Extreme Rage) und R.D. Call (Into the Wild).
2. Missing in Action 2: The Beginning (1985)
Böse, böse, böse. Das ist Colonel Yin (Soon-Tek Oh), Braddocks Antagonist in Missing in Action 2: The Beginning.
Es dürfte angesichts des Titels niemanden überraschen, dass es sich inhaltlich um den Vorgänger zu Missing in Action, Teil I, handelt. Dort wurde ja bereits thematisiert, dass James Braddock selbst einmal „missing in action“ war und das gleich mehrere Jahre lang. Dies ist Gegenstand dieser grandiosen Fortsetzung, deren Haupthandlung über zwei Drittel hinweg die Missetaten des Lagerchefs Yin sind. Lasset es uns vorsichtig ausdrücken: Yin ist Sadist und Soon-Tek Oh füllt diese Rolle formidabel aus. Er quält Braddock und seine Mitstreiter, und zwar (vordergründig) zu dem Zweck, Braddock ein schriftliches Geständnis seiner Kriegsverbrechen zu entlocken. Braddock – ganz der Norris – weigert sich natürlich, weil es erstens uncool ist, zu gestehen, wenn’s nichts zu gestehen gibt, und zweitens, weil er Yin nicht traut. Kann man nachvollziehen.
Missing in Action II zeichnet sich durch eine durchweg beklemmende Atmosphäre aus – es gibt sowohl physisch als auch moralisch keinen Ausweg aus der Situation. Dadurch haben wir das ungewöhnliche Szenario, dass man einem Actionfilm, speziell einem Chuck-Norris-Film, den Mangel an klassischer Action (Maschinengewehre, Panzerfäuste, Roundhousekicks) verzeiht, die hier durch Momente echten Mitfieberns ersetzt wird. Es mag durchaus sein, dass Liebhaber von Invasion U.S.A. oder The Hitman dieses Werk nicht gutheißen mögen, wenngleich sie durch einen herrlichen Showdown mitsamt Flammenwerfern entschädigt werden.
In seiner Autobiographie Against All Odds erwähnt Norris, er habe einen Moment dieses Films seinem in Vietnam verstorbenen Bruder Wieland gewidmet. Auch wenn wir es hier sicher nicht mit einem im eigentlichen Sinne „guten“ Film zu tun haben, so kommt man doch nicht umhin zu glauben, dass für Missing in Action 2 alle Beteiligten – Schauspieler, Regisseur, Autoren – ein bisschen Extramühe investiert haben.
1. Code of Silence („Cusack, der Schweigsame“, 1985)
Zuvor erwähnten wir, dass die Qualitätskluft zwischen den Plätzen 1 und 4 gar nicht sooo groß sei. Das ist subjektiv auch völlig korrekt. Objektiv muss man jedoch feststellen: Code of Silence ist Lichtjahre von allem entfernt, was Chuck Norris jemals sonst gedreht hat – einschließlich seines Total-Gym-Infomercials. Alter Schwede, ist der gut.
Eddie Cusack (Norris) ist ein Chicagoer Cop. In Chicago ist ’ne Menge los. Südamerikanische Drogenbarone, vertreten von Luis Comacho (Henry Silva) und seinen Jungs, verticken Koks – schlimm genug – werden aber von der Stadtmafia um Tony Luna (Mike Genovese) ausgeraubt, die auch ihren Stück vom Kuchen abhaben möchte. Nun finden die Druglords das gar nicht gut und so bricht ein offener Krieg zwischen den Banden aus, in den auch die unschuldige Tochter von Tony Luna, Diana (Molly Hagan), gerät. Als wäre das nicht schon der Unannehmlichkeiten zu viel, gilt innerhalb der Polizeibehörde auch ein code of silence, ein Schweigegelübde, welches da besagt: Sag‘ niemals gegen Deine Kollegen aus. Dieses Gelübde hat akute Bedeutung, denn der ausgebrannte Polizist Cragie (Ralph Foody) erschießt einen unschuldigen kleinen Bengel auf einem Hotelflur und stellt es als Notwehr dar. Seine Kollegen schützen ihn mit einer Petition – an der sich Cusack nicht beteiligt, weil er Cragie für eine wandelnde Zeitbombe hält. Logische Konsequenz: Innerhalb seiner Einheit ist Cusack fortan isoliert und muss den Kampf gegen die beiden Achsen des Bösen alleine aufnehmen.
Man mag dies für eine Variante der üblichen „Allein-gegen-Alle“-Szenarien aller Norris-Filme halten. Das ist auch im Prinzip völlig richtig, doch niemals sonst wird Norris derart nachvollziehbar und – obacht! – gegen seinen Willen isoliert. In einer Szene bittet er um Unterstützung, welche ihm von allen Seiten verweigert wird, kriegt folglich derbe auf’s Maul und kommt nur durch die Gnade des Gegners mit dem Leben davon. Kennt man die üblichen Stories von Norris-Filmen, sitzt man mit offenem Mund vor dem Bildschirm und staunt, wie gut die Puzzleteile des Drehbuchs zusammengefügt sind.
Ohnehin, das Drehbuch. Es quillt über voll kleiner Randnotizen, die einerseits völlig überflüssig sind, andererseits aber den Charakteren Leben einhauchen. Cusack wirft seinem Partner ohne erkennbaren Grund einen Zauberwürfel zu und spielt gelegentlich am Rande damit; dieser Partner wiederum kommt, gefrustet von seinem Job, immer mal wieder mit diversen Geschäftsideen auf Cusack zu (Hotdogbude, Alligatorfarm), welche von diesem meist mit einem milden Lächeln quittiert werden. In einer Szene versuchen zwei Gangster eine Kneipe voller Cops zu überfallen, bedenken dabei aber nicht, dass jeder Gast natürlich selbst eine Waffe trägt. Nun, sie machen sich ein wenig zum Horst.
Die Dialoge sind prägnant, cool, dabei aber keineswegs lächerlich – zwischen einem coolen Spruch und einem „cheesy oneliner“ bestand selbst in den 80ern ein großer Unterschied. Ein simples Beispiel:
Luis Comacho: One day, I would like to give you a gift of a Columbian necktie. It’s very special. You slit the throat, pull out the tongue and on you, it would look beautiful.
Eddie Cusack: Why don’t you give it to me right now?3
Das Ganze funktioniert auch auf der sentimentalen Ebene. Als Diana Luna zuvor nahezu ihre komplette Familie verloren hat, bringt Cusack sie zur Obhut zu einem Freund. Weil sie durchgefroren ist, macht er ihr einen Tee und sie wendet sich an ihn:
Diana Luna: What do you do if you don’t have someone?
Eddie Cusack: You find someone.
Diana Luna: Can you hold me?
Man mag einwenden, dass dies kein Geniestreich der Filmgeschichte ist. Eine solch starke Trostszene mit simplen Worten ohne dämliches Pathos und noch dazu überzeugend gespielt, ist für uns Norrisianer aber ein absolutes Unikat.4
Und überhaupt: Das Schauspiel. Was ist hier los? Alle Beteiligten, insbesondere Norris, liefern eine grundsolide Leistung ab. Norris wirkt entschlossen, aber zugleich nachdenklich; er hat auf alles eine Antwort, aber ist zum Zuhören bereit. Man fragt sich, warum das nie wieder gelang – doch die Antwort liegt auf der Hand. Es ist die Regie.
Andrew Davis ist vermutlich kein Genie. Er ist aber sicher der beste Regisseur, mit dem Norris jemals zusammengearbeitet hat. Davis zeichnet verantwortlich für einige erfolgreiche B-Movies (Under Siege mit Steven Seagal, The Guardian mit Kevin Costner) und, vor Allem, für The Fugitive mit Harrison Ford und Tommy Lee Jones. Für einen Actionfilm dieser Zeit stimmt hier einfach alles. Von der Auswahl von Cusacks Auto (Pontiac Firebird) über die Intromusik (erinnert an „Passenger 57“ aus den frühen 90ern), die Luftaufnahmen und die Actionszenen einschließlich der Verfolgungsjagden ist alles perfekt. Das ist dann auch die Kehrseite der Medaille: Code of Silence ist kein Chuck-Norris-Film, es ist ein 80er-Actionfilm. Ein guter 80er-Actionfilm. Die Quintessenz des 80er-Actionfilms.
Die Action. Natürlich wäre Code of Silence nicht unsere Nummer 1, wenn nicht auch die Action erstklassig wäre. Es ist ja häufig so, dass Chuck Norris in seinen Filmen auch unterklassige Gegner mit einer Salve an Roundehousekicks vermöbelt, als würden die auch nur einen einzigen davon überleben. Hier setzt er gegen schwache Würstchen einfach einen gezielten Faustschlag ein. Zack, Knock-Out. Es gibt eine gelungene Verfolgungsjagd sowie einen Kampf auf einer Straßenbahn mit abschließendem Kopfsprung in den Chicago River. Ein halbautomatischer Polizeiroboter steht Chuck zur Seite. Der abschließende Shootout ist spannend, aber gegen Ende vielleicht einen Tick zu theatralisch. Highlight des Films ist jedoch eine Kneipenschlägerei, in der Cusack 17 (!) Ganoven waffenlos unschädlich macht. Man könnte soweit gehen zu sagen: Diese ist die beste Actionszene aller Chuck-Norris-Filme.
Falls das noch nicht klargeworden ist: Code of Silence gehört nicht nur für Norrisfans zum Pflichtprogramm. Niemand darf sich vor der Vidüre5 von Code of Silence als Actionkenner bezeichnen.
- Und 1969, 1970, 1971, 1972 und 1973. ↩
- Homann, Tobias (2013): Chuck Norris. Action-Stars Band 3, Medien-, Publikations- und Werbegesellschaft Knorr Martens, Hille. ISBN: 978-3942621205. ↩
- https://www.youtube.com/watch?v=xgu7MYj8LZg ↩
- Man sollte dazu erwähnen, dass das Skript von Michael Butler und Dennis Shryack ursprünglich für die Dirty Harry-Reihe gedacht war (Link) ↩
- http://mowrooshud.com/2012/01/23/ich-hab-worte-vidure-ludure/ ↩