28 Years Later
Sie bleiben einfach nicht tot. Eine Filmreihe nach der anderen kommt aus der Versenkung zurück – allein im Komödienbereich bereiten sich Cinephile aus aller Welt auf die nächste nackte Kanone und Spaceballs 2 vor. Und jetzt ist 28 Days/Weeks Later wieder da – nicht 28 Jahre später aber auch 23 Jahre sind eine lange Zeit.
Danny Boyles Fortsetzung der Zombies-aber-nicht-untote-Zombies-Reihe beginnt auf der Insel Lindisfarne – bekannt vor allem für ihre historische Bedeutung als erstes Ziel der Wiking-Raubzüge im 8. Jahrhundert. Und die Assoziation zum Mittelalter wird verstärkt durch die Lebensweise der Menschen. Die Inselbevölkerung versorgt sich selbst, übt Bogenschießen und wagt sich nur selten aufs Festland. Gerade am Anfang blendet Regisseur Danny Boyle immer wieder Filmclips von alten Mittelalter-Filmen mit bogenschießenden Briten ein, damit auch niemand die Verbindung übersieht.
In den 28 Jahren seit der Zombifizierung Großbritanniens1 leben die Insulaner*innen in ihrer eigenen Gemeinde. Eine Flucht ist nicht möglich, die gesamten Inseln stehen unter Quarantäne. Aber sie leben und haben ihre eigenen Riten und Gebräuche. Einer davon steht dem 12-jährigen Spike (Alfie Williams) bevor. Gemeinsam mit Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) soll er aufs Festland, wo immer noch die Infizierten hausen. Kommt er lebend zurück, ist er ein Mann. Boyle inszeniert die Vorbereitungen der Reise sehr sorgfältig und zeigt auch, dass Spikes Mutter Isla (Jodie Comer) unter gesundheitlichen Problemen leidet. Die Stimmung im Haus ist also angespannt.
Jungsausflug
Um so mehr scheint Jamie den Ausflug in die Wälder und Hügel zu genießen – auch wenn verschiedene Arten von Infizierten durchs Laub kriechen oder schreiend zwischen den Bäumen umherrennen. So stellt das Kinopublikum fest, dass einige Infizierte überlebt haben. Das schien ja in 28 Weeks Later ganz anders und war eigentlich ein Alleinstellungsmerkmal der Reihe: Die Infizierten sind keine unverwüstlichen Untoten sondern einfach Opfer einer Art superschnellen Tollwut-Erkrankung. In 28 Years Later haben sie sich teilweise zu unterschiedlichen Lebensformen entwickelt.

Und auch hier schimmert das Mittelalter durch. Die nackten zotteligen Menschen erinnern an die Wilden Männer und Frauen, die in alten Sagen in den Wäldern leben. Und da Boyle immer gerne die grüne, alles überwuchernde Natur inszeniert wird der Festlandsbesuch von Jamie und Spike ein bisschen zu einem Trip in den verwunschenen düsteren Märchenwald, inklusive Riesen. Mini-Spoiler vorab: Beide schaffen es zurück, aber damit hat Spikes Geschichte erst begonnen. Denn er hat ein Feuer in der Wildnis gesehen, vielleicht ist da jemand, der seiner Mutter helfen kann?
Männlichkeit in der Krise
Bei 28 Years Later stehen die Männer und Jungen im Fokus: Der Dorfheld Jamie, der heranwachsende Spike, monströse „Alphas“, später spielen auch noch ein großmäuliger Soldat und ein einfühlsamer Arzt ihre Rollen. Boyle und Co-Drehbuchautor Alex Garland reflektieren hier viele Aspekte von Männlichkeit, die weit über Klischees von starken und wütenden Männern hinausgehen. Wie schon in 28 Day Later ist das Virus namens rage – also Wut – ein Spiegel unserer Gesellschaft. Selbst die kalte spöttische Wut der gutbetuchten Anzugträger, die ihrerseits enthemmte Wutbürger*innen anstacheln um über die Ruinen einer Zivilgesellschaft zu herrschen findet sich wieder. Als Gegenentwurf gibt es Momente der Zärtlichkeit und Fürsorglichkeit, die zu Tränen rühren. All das macht den Film sehenswert.

Dazu kommt, das 28 Years Later eine packende Story bietet, erzählt in zum Teil brachialen, zum Teil poetischen Bildern. Boyle und Garland knüpfen an ihren stilbildenden 28 Days Later an, auch wenn der Nachfolger wahrscheinlich nicht dessen Kultstatus erreichen kann. Nur das Casting wirft Fragen auf. Spielten in den Vorgängerteilen Schwarze wie Naomie Harris oder Idris Elba wichtige Rollen, gibt es in 28 Years Later nur Weiße. Beim Blick auf das Dorf in Lindisfarne und spätere Begegnungen stellt sich die Frage, warum es in dieser Welt anscheinend keine People of Color gibt. Thematisiert wird das aber nicht. Als einzige Erklärung bleibt also nur eine zweifelhafte Entscheidung der Verantwortlichen.
Kein Ende in Sicht
Und noch ein kleiner Spoiler: Spikes Reise endet nicht nach den 115 Minuten Filmdauer. Obwohl seine Geschichte als abgeschlossen betrachtet werden kann, ist da noch eine Art Rahmenhandlung. Sie beginnt mit einem Jungen namens Jimmy und ist am Ende noch nicht beendet. 2026 soll die Fortsetzung 28 Years Later: The Bone Temple unter Regie von Nia DaCosta ins Kino kommen.
- Die Zombifizierung Kontinentaleuropas, die am Ende von 28 Weeks Later angedeutet wurde konnte laut Prolog abgewendet werden. ↩