Afro Samurai
Große Rachetaten
Ein Mann, ein Schwert, tausend Gegner: Fischpott hat es mit dem Afro Samurai aufgenommen und The Complete Murder Sessions, also die Serie von 2007 und der Film von 2009, im Director’s Cut angesehen.
Mit Grimm werde ich sie strafen
In der Welt von Afro Samurai, die auf den ersten Blick wie ein Japan der Feudalzeit wirkt, herrscht das Prinzip der zwei Stirnbänder: Nr. 1, das unermessliche Macht verheißt, und Nr. 2, das es erlaubt, die Nr. 1 herauszufordern. Während der Träger von Nr. 1 so gut wie unantastbar ist, sieht sich der Träger von Nr. 2 einem nie versiegenden Strom von Killern, Strauchdieben, Ronin, Assassinen und anderen Typen mit gewaltaffinen Lebensentwürfen ausgesetzt, die ihn zum Kampf auf Leben und Tod um das Stirnband herausfordern.
Zu Beginn der Serie ist Afro Samurai Träger des Stirnbands Nr. 2. Als Kind wurde er Zeuge, wie sein Vater, die amtierende Nr. 1, von einem Mann mit zwei Pistolen umgebracht wurde. Seitdem ist Afro auf einem blutigen Rachefeldzug. Auf seinem Weg zum Berg Shumi, auf dem die Nr. 1 residiert, wird er immer wieder von Attentätern angegriffen. Sein einziger Begleiter ist der schwatzhafte und mysteriöse Ninja Ninja, der möglicherweise nur als Wahnvorstellung in Afros Kopf existiert.
Die Freveleien der Selbstsüchtigen
In Rückblenden erfahren wir Afros Vorgeschichte, wie er den Schwertkampf erlernte und wie er an das Stirnband Nr. 2 kam. So weit, so einfach. Was Afro Samurai besonders macht, ist das Setting. Denn trotz des Samurai-Looks begegnet Afro Assassinen mit Handys, Attentätern mit Raketenwerfern, Cyborgs mit Teddybärmasken und Robo-Ninjas. Eine Erklärung für das Anachro-Tech gibt es nicht.
Damit erinnert Afro Samurai an einen anderen einsamen Kämpfer: Roland Deschain von Gilead, den Revolvermann aus Stephen Kings Dark Tower-Reihe1. Beide bewegen sich durch ein Setting, in dem Vergangenheit und Zukunft zu einer funkelnden Legierung verschmelzen. Die Welt von Manga-Autor Takashi Okazaki lebt vom Mix aus Samuraitum, Cyberpunk und schwarzer Hip Hop-Kultur. Der Soundtrack von RZA und die Synchronstimme von Samuel L. Jackson verleihen der Serie die nötige Coolness.
Die Tyrannei böser Männer
Der Fünfteiler Afro Samurai könnte eigentlich als abgeschlossene Geschichte stehen. Afro Samurai: Resurrection macht das ganze Rache-Fass wieder auf, zieht unbekannte Geschwister von Protagonisten aus dem Ärmel und lässt Totgeglaubte wiederauferstehen, gleichzeitig wird in Punkto Cyber-Bizarrerien noch der Regler auf 11 gedreht. Als Fortsetzung ist Resurrection tendenziell sinnlos, wer die Serie mag kann sich über 97 weitere Minuten mit dem wortkargen Schwertschwinger freuen.
Hip Hop-Attitüde und Samurai-Kram klingt nach einem schwer männlichen Film, und natürlich haben die Macher dafür nur eine Frauenrolle im Kopf: Die sexy Biatch. Selbst die Antagonistin von Afro Samurai: Resurrection trägt ein offenherziges Stripper-Outfit, sonstige Damen dürfen höchstens mal eine Limo servieren oder für den Helden draufgehen. Dazu passt, das eine Zeichentrick-Alter Ego von Takashi Okazaki einen Gastauftritt als Besucher eines Striplokals hat. Das ist weniger cool sondern kommt aus der schmuddeligen Grauzone, in der pubertäre Jungsträume in schmierige Altherrenfantasien übergehen. Wie leider zu oft im Anime.
Der Pfad der Gerechten
Davon abgesehen: Wer gerne harten Samurai beim heldenhaften Massakrieren von Cyborg-Ninjas zuschaut, mit Blut, fliegenden Gliedmaßen und coolen Sprüchen, bekommt mit Afro Samurai The Complete Murder Sessions ein bizarres Meisterwerk, einen vercyberten japanischen FSK-18-Fiebertraum.
Fischpott hat Rezensionsexemplare der DVDs von Universum Film erhalten.
- Der in der Hollywood-Verfilmung auch ein Schwarzer ist. ↩