All the Beauty and the Bloodshed
Nan Goldin hat viele Facetten. Sie revolutionierte mit ihren Bildern den Blick auf die queere Szene, erlebte die Aids-Pandemie, wurde abhängig von Opioiden und bekämpfte mit der Sackler-Familie einen der mächtigsten Namen in der Pharmaindustrie. Dies alles macht die preisgekrönte Dokumentation All the Beauty and the Bloodshed (u.a. Goldener Löwe) von Laura Poitras (Oscar für die Snowden Doku „Citizenfour“) zum Thema und verzettelt sich zuweilen dabei.
Eine Gruppe unterschiedlicher Menschen wirft leere Pillenpackungen in einen offenes Becken eines Museums und legt sich dann wie tot daneben. Mit dieser Performance beginnt die Dokumentation über eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhundert. Nan Goldin hat mit ihren Fotografien die LGBTQ+ Szene zu einer Zeit in die Öffentlichkeit gebracht, als diese nicht nur keine Akzeptanz gefunden hat, sondern sich Anfeindungen ausgesetzt sah. Ihren Weg dahin zeigt Laura Poitras über Interviews, Off-Kommentare von Goldin und vor allem über DAS Medium der Künstlerin: Fotografien. Das passt und lässt die Bedeutung von Goldins Arbeiten greifbar werden. Gezielte Provokationen, wie Bilder, die Goldin beim Sex zeigen, sowie Momentaufnahmen eines Lebens fernab des Mainstream werden von der Künstlerin selbst in einen Kontext gebettet und dadurch mit Leben gefüllt. Den Anfang macht Poitras bei Goldins konservativer Familie und vor allem bei ihrer Schwester, deren unangepasstes Leben und schweres Schicksal in einem frühen Suizid endete. Die Doku greift immer wieder auf das Leben, das Wesen und die Erfahrungen der Schwester zurück und gibt dadurch Goldins Entwicklung ein Fundament.
Die Doku springt danach zwischen Goldins Kampf gegen die Sackler-Familie und einem chronologischen Verlauf ihrer Karriere und Beziehungen. Poitras behält dabei immer die subjektive Perspektive der Künstlerin, was zugleich die große Stärke der Dokumentation ist. So spürt, dass das Bestreben der Sacklers sich als Kunstmäzenen zu inszenieren von Goldin beinahe als persönlicher Angriff aufgenommen wird. Ihre Kompromisslosigkeit und Willen zur Provokation überträgt sich dadurch auf die Leinwand. Die Kehrseite ist eine zuweilen unscharfe Struktur, die sich mal auf die queere Szene der 80er konzentriert, dann wieder nur die Künstlerin in den Blick nimmt, um dann über die aktuellen Probleme der Opioidenkrise und die Rolle der Sacklers zu berichten. So fragt man sich als betrachtende Person, was die Dokumentation eigentlich zeigen möchte.
Alles in allem ist Laura Poitras dennoch ein mutiges Zeugnis einer außergewöhnlichen Frau gelungen, auf das man sich allerdings einlassen muss. Aber „einfach“ war auch noch nie ein Label, das zu Nan Golding passte.
Die DVD von All the Beauty and the Bloodshed ist am 31.8.2023 in Deutschland erschienen. Fischpott hat ein Ansichtsexemplar erhalten.
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