Ant-Man
Ant it goes on Ant on Ant on Ant on …
Wie cool wäre es, auf Ameisen durch Türschlitze reiten zu können? Oder auf Däumlingsgröße geschrumpft übermenschliche Stärke zu besitzen? Und wie cool wäre ein Superheldenfilm mit Brian Fantana, Gordon Gecko und Tauriel? Mit Ant-Man bringen die Marvel Studios einen ihrer ältesten, aber eher unbekannten Superhelden auf die Leinwand und beanspruchen einmal mehr ihren Status als AC/DC des Blockbuster Kinos.
Anfang der Sechziger entwickelte Stan Lee mit Jack Kirby die Marvel-Methode: eine Zusammenarbeit zwischen Autor und Zeichner, in der beide den Plot zusammen erarbeiten und so dem graphischen Erzählen eine wesentlich größere Bedeutung zuweisen als es bei üblichen amerikanischen Abenteuercomics der Zeit üblich war. Diese Methode bildete in Verbindung mit dem Axiom, dass Superkräfte immer auch Probleme beinhalten müssten, die Grundlage für Marvels damalige Dominanz im Superheldenbereich. 2008 scheint die Filmsektion unter Kevin Feige eine ähnliche Formel für das Blockbusterkino gefunden zu haben, mit der sie ihre Comic-Helden in fast ein dutzend Filmen und bisher drei TV-Serien erfolgreich in einer reichen Variation von Genres einsetzen konnten und trotzdem ein sichtbares Schema beibehielten. Ant-Man ist in dieser Reihe nicht nur der erste Heist-Film, sondern auch der Streifen, der das Konzept der Wiederholung erfolgreicher Konzepte auf die Spitze treibt:
Der geniale Erfinder und Industrielle Henry Pym entwickelt einen phantastischen Anzug, der Superkräfte verleiht – er schrumpft den Träger und lässt ihn mit Ameisen kommunizieren – und den er vor Regierung und Waffenlobby schützen will (wie Tony Stark in Iron Man 2). Außerdem versteckt er ihn vor seinem glatzköpfigen Ex-Partner und Rivalen, der nun die Technik zu kopieren versucht (wie Stane in Iron Man). Dieser hat übrigens ein paar ernste ödipale Probleme mit Pym und versucht deshalb dessen Imperium zu übernehmen (wie Loki in Thor). Der gealterte Wissenschaftler sucht nun eine denkbar ungeeignete Person, der er mit seiner Erfindung Superkräfte verleihen kann (wie in Captain America), und findet diese in dem vorwitzigen Dieb Scott Lang und dessen kriminellen, aber gutmütigen Freunden (wie die Guardians of the Galaxy). Zusammen versuchen sie schließlich mit einem elaborierten Einbruch Pyms ehemalige Firma zu zerstören, um die Machtübernahme HYDRAs zu verhindern (wie in Captain America 2) – unnötig zu erwähnen, dass auch die Avengers immer mal wieder am Rand erscheinen.
„Rock’n Roll A(i)nt Noise Pollution“
Nun kann man das als weiteres Symptom einer umfassenden Einfallslosigkeit Hollywoods interpretieren, in der sich die Studios fast ausschließlich auf Sequels, Prequels, Reboots, Spin Offs, etc. alter Franchises verlassen. Das Kinojahr 2015 ist geprägt von Mad Max, Terminator und einer Jurassic Park-Fortsetzung, während der erste Star Wars-Film seit 10 Jahren, sowie Ghostbusters, Independence Day 2 und Teenage Mutant Ninja Turtles 2 in absehbarer Zeit auf uns zukommen – es ist, als hätten die Neunziger nie aufgehört.
Im Gegensatz zu den meisten Franchises muss man dem Marvel Cinematic Universe jedoch einen gewaltigen Unterhaltungswert zugestehen. Es ist als hätten sie 2008 in ihrem ersten Film Iron Man bereits die Analogie festgesetzt, wie die ganz Filmreihe zu verstehen sei: Tony Starks Leidenschaft richtet sich neben Technik, Alkohol und Frauen nämlich vor allem auf klassischen Hard Rock á la AC/DC. Die veröffentlichen seit nunmehr vier Jahrzehnten immer wieder das scheinbar gleiche Album mit nur minimalen Variationen ohne dass man es ihnen übel nehmen kann, weil das Konzept selbst so stimmig ist, dass es sich ständig wiederholen lässt: Es ist simpel, vorhersehbar, etwas prollig, rockt aber einfach auch jedes mal wie Sau! Ähnlich verhält es sich mit den Filmen des Marvel Studios. Sie sind spannend, überwältigend, witzig, nerdig, bunt und machen einfach Spaß, ohne einen darüber hinausgehenden Anspruch zu erheben.
„A(i)nt exactly pretty, a(i)nt exactly smart…“
Ant-Man beweist nun, dass das Ende der Fahnenstange im Marvel Film-Universum noch nicht erreicht ist. Die Adaption der etablierten Muster auf die Heist-Geschichte funktioniert einwandfrei, die Darsteller sind routiniert gut (allen voran der sonst unterbewertete Paul Rudd), die Action macht furchtbar viel Spaß, die Seitenhiebe auf die aggressive Außenpolitik der USA streicheln das liberale europäische Gewissen und der Show-Down dreht auf 11, wobei er sich sogar ins psychedelische wagt. Natürlich sind die menschlichen, emotionalen Konflikte unterentwickelt und klischeehaft, aber es ist ja auch eigentlich einfach nur die mit Enthusiasmus und Phantasie erzählte Geschichte eines sympathischen Typen, der auf Insektengröße schrumpfen und Ameisen befehligen kann, was allein dem Film bereits seine Existenzberechtigung verleiht. Denn das hat man zumindest in dieser Qualität noch nicht bis zum Erbrechen gesehen und es ist kein müder Aufguss alter Klassiker – im Gegensatz zum zeitreisenden Schwarzenegger oder menschenjagenden Dinosauriern.