Arlo & Spot
Der ängstliche Dinosaurier
In der Welt von Arlo & Spot beherrschen die Dinosaurier unseren Planeten – der zugleich von Menschen bevölkert wird. Bevor die Kreationistengemeinde jetzt freudig erregt in die Kinos strömt: Pixar erklärt die Koexistenz dadurch, das der berüchtigte Komet die Erde vor 65 Millionen Jahren verfehlt hat.
Unsere kleine Farm
Arlo ist ein Bauernjunge, der mit seiner Familie auf einer Maisfarm lebt. Als kleinstes und schwächstes von drei Geschwistern hat er es nicht leicht und wird sogar von den Hühnern gemobbt, deren tägliche Fütterung seine Aufgabe ist. Um sich in der Gemeinschaft zu bewähren, soll er den Schädling erledigen, der die Vorräte seiner Familie plündert. Aber selbst dazu ist der Kleine zu ängstlich, was sogar zu einer Familientragödie führt. Schließlich entführt Arlo ein reißender Fluss in eine weit entfernte Landschaft und der maisvertilgende Schädling ist sein einziger Begleiter. Der Bauernsohn und das wilde Tier freunden sich an, die Notgemeinschaft schlägt sich durch die Wildnis. Hier treffen die beiden fiese Viehdiebe, ehrliche Rindertreiber und religiöse Fanatiker.
Ist das Dinotopia?
Was Arlo & Spot dabei auszeichnet: Arlo ist ein Sauropode, Spot ein Mensch. In dieser Hinsicht ist der neueste Pixar ausgesprochen anti-anthropozentrisch. Denn in dieser Welt sprechen nur die Saurier, seien sie maisanbauende Apatosaurier, viehtreibende Tyrannenechsen, Eremiten-Hornsaurier, Hinterwäldler-Raptoren oder sturmanbetende Flugsaurier. Der Hominidenjunge Spot, in den Augen der Dinos zunächst nur ein Schädling, ist ein knurrendes, schnüffelndes und heulendes Wildtier. Aus dem Blickwinkel des sensiblen Arlo ein wenig schmeichelhaftes Bild für unsere Spezies.
In einem Land zu unserer Zeit
Trotzdem wächst der Wolfsjunge Spot einem ans Herz und die Reise der beiden gemeinsam durch die fantastisch animierte Wildnis wird zu einem mitreißenden Abenteuer. Das Filmteam hat sich die bergige Landschaft des amerikanischen Nordwestens genau angesehen und detailliert am Rechner neu erschaffen. Ebenfalls makellos animiert sind die wahren Antagonisten des Films, die Naturgewalten, die als reißende Flüsse oder dräuende Stürme nicht nur Arlo in Angst und Schrecken versetzen. Zwischen dieser perfekten Naturdarstellung wirken die Dinos und andere Lebewesen mit ihrer Kombination aus Cartoon-Anatomie und realistischer Haut auf den ersten Blick irritierend. Aber nach wenigen Filmminuten überzeugen der linkische grüne Vierbeiner Arlo und seine Sippe. Mit demselben Prinzip haben ja auch die europäische Ligne claire und die japanischen Animes ihre besten Charaktere erschaffen.
Parallelwelthominiden
Kleiner biologischer Einschub: Natürlich hätten sich Menschen, wie wir sie heute kennen, nicht entwickelt, wenn es noch Dinosaurier gäbe. Aber niemand behauptet, dass Spot tatsächlich ein Homo sapiens ist. Der Film ist voller bizarrer Kreaturen wie Hühnern mit Vorderbeinen oder Schlangen mit Gliedmaßen, so dass humanoide Säugetiere durchaus denkbar wären.
Keine Angst vor der Angst
Aber abgesehen von beckmesserischen Evolutionsexkursen: Arlo & Spot erzählt eine spannende Geschichte mit schöner Botschaft: Die vermeintlichen Schädlinge sind nicht böse, hüten sollte man sich dagegen vor den Fanatikern, die keine Angst kennen. Dass gleichzeitig die Leistungsgesellschaft zelebriert wird, naja, das ist man von Pixar gewöhnt. Eines hat das Team um Regisseur Peter Sohn allerdings versäumt: Am Ende aus der bloßen Koexistenz von Mensch und Dino eine Symbiose zu schaffen. Aber wenn Arlo & Spot ein Erfolg wird (und welcher Pixar-Film wurde das nicht), dann wäre das ein interessanter nächster Schritt.