Avatar – Die Legende von Korra
Ende 2014 ging die letzte Folge der Serie The Legend of Korra online. Fischpott wirft einen Blick zurück auf die ambitionierte Anime-Serie zwischen japanischen Einflüssen und amerikanischem Storytelling.
Was macht man mit einer abgeschlossenen Serie, wenn sich das Serienuniversum weiterdrehen soll? Die Standardlösung ist, die Figuren aus dem erzählerischen Ruhestand zu reißen und alles neu zu starten – neue Konflikte, neue Handlungen, neue Antagonisten. Die ursprüngliche Reihe verkommt dabei oft zum Sequel. Eine gutes Beispiel dafür, dass es auch anders geht, bietet Star Trek – The Next Generation, das 70 Jahre nach Kirk und Co. mit Picards Crew einen Neustart wagt. Ähnlich gelungen ist Die Legende von Korra, die Rückkehr in die asiatische Zeichentrickwelt von Avatar – Der Herr der Elemente.
Es war einmal …
Zunächst muss diese Fantasywelt wohl den Uneingeweihten vorgestellt werden. Die Menschen lebten zur Zeiten von Avatar Aang (der ersten Serie) in vier Reichen: Luftnomaden zogen auf fliegenden Bisons durch die Welt, an den Polen im Süden und Norden lebten die inuit-ähnlichen Wasserstämme, auf einem gewaltigen Kontinent erstreckte sich das Erdkönigreich und die imperialistische Feuernation begann einen Eroberungskrieg gegen den Rest der Welt. In jedem Reich lebten Menschen, sogenannte Bändiger, die ihr jeweiliges Element kontrollieren konnten. Feuerbändiger kontrollieren (und erschaffen) Feuer, Wasserbändiger Wasser und so weiter. Ohne zu viel über den Verlauf der ersten Serie zu sagen, der Krieg wurde beendet und die Völker lebten in Frieden weiter – allerdings ohne die Luftnomaden, die einem Genozid der Feuerarmee zum Opfer fielen.
Avatar – Der Herr der Elemente war eine bahnbrechende Serie. Hochkomplexes US-serienmäßig ausgeklügeltes Storytelling traf auf einen wunderbar detaillierten Animationsstil in einer originellen und wunderschön designten Welt. Statt dem Standard-Fantasy-Ansatz mit einem mittelalterlichen Pseudo-Europa gingen die Erfinder Michael Dante DiMartino und Bryan Konietzko mit asiatischen Stilen neue Wege. Die Tradition von größtenteils weißen Protagonisten wurde durch einen vage asiatischen Look aller Figuren untergraben – um so schmerzhafter das White-washing der Helden in der eher misslungenen Realverfilmung durch Night M. Shyamalan. Wie oft in den letzten Jahren – ich sage nur Harry Potter – verbarg sich im Gewand eines Mediums für Kinder gleichzeitig eine Geschichte, die auch einen Weg in die Herzen von Erwachsenen finden sollte.
Es ist eine unbestätigte Fan-Theorie (meine), aber als geistige Vorbild der Serie ist deutlich Hayao Miyazakis Meisterwerk Prinzessin Mononoke auszumachen. Zum einen liegt es am realistischen Animestil, zum anderen zieht sich ein ähnliches animistisches Konzept von Geister- und Menschenwelt durch beide Werke. Ein weiteres wichtiges Stilmittel beider Medien sind mehrdimensionale Bösewichte, die eher durch Grauzonen als durch Schwarz-Weiß-Malerei auffallen. Trotz dieser ähnlichen Basis steht die Nickelodeon-Serie auf eigenen Füßen und entwirft eine eigene, lebendige Welt.
Dalai Lama mit Superkräften
Aber nun zur zweiten Serie. Die Legende von Korra beginnt 70 Jahre nach dem Ende des Vorgängers. Das junge Mädchen Korra vom südlichen Wasserstamm ist der neue Avatar und damit die Nachfolgerin von Aang, dem Helden der ersten Serie. Womit auch gleich klar ist, dass Aang das Zeitliche gesegnet hat. Denn es gibt immer nur einen Avatar, der immer wiedergeboren wird. In der Welt der Serie ist er oder sie der einzige Mensch, der aller vier Elemente kontrollieren kann und für das Gleichgewicht der Elemente sorgen soll. Gleichzeitig ist der Avatar hoch angesehen und eine Art Welt-Papst oder Dalai Lama. Eine große Verantwortung für Korra, die am isolierten Südpol aufgewachsen ist und zu Beginn der Serie in die Metropole Republic City zieht. Die Stadt ist sozusagen das New York (oder Hongkong) der Avatar-Welt. Der impulsive Teenager vom Rand der Welt muss mit den Anforderungen der Moderne klarkommen.
Denn die Moderne hat mächtig Einzug gehalten in der Avatar-Welt. War zur Zeit Avatar Aangs noch die frühindustrialisierte Feuernation mit Steampunk-Flair der technologische Spitzenreiter, hat zu Korras Zeit der Dieselpunk à la 1930er und -40er Einzug gehalten. Es gibt Radio, die Eisenbahn und erste Automobile – nach ihrem Erfinder Hiroshi Sato Satomobile 1 genannt. Außer Widersachern, die an die totalitären Ideologien dieser Zeit wie Sowjetkommunismus oder Faschismus erinnern, kommen dabei auch moderne Herausforderungen wie die Teilnahme an Profi-Bändigungs-Turniere auf die wiedergeborene Vierfach-Bändigerin zu. Unterstützung findet Korra dabei im neuen Team Avatar: Dazu gehören die beiden Brüder Mako und Bolin, deren Eltern aus der Feuernation und dem Erdkönigreich stammen. Mako ist Feuer-, Bolin ist Erdbändiger. Beide spielen zu Beginn der Serie in einer eigenen Pro-Bändiger-Mannschaft, den Feuerfrettchen. Unvermeidlich im Avatar-Serienversum ist natürlich ein niedliches Feuerfrettchen namens Pabu, das Bolin stets zur Seite steht. Asami Sato, schwerreiche Jungindustrielle und Erfinderin mit Bleifuß ergänzt das Team. Ihre Rolle am Ende der Serie ist kontrovers diskutiert worden.
SPOILER
In der letzten Folge wird stark angedeutet, dass Asami und Korra ein Paar werden. Später bestätigen DiMartino und Konietzko die Beziehung als kanonisch, was für mich aber ein bisschen an den Dumbledore-Effekt erinnert: Figuren, die abseits heteronormativer Strukturen lieben, werden außerhalb der Fiktion ‚geoutet‘, ihre Sexualität wird in der Erzählung höchstens angedeutet.
SPOILER ENDE
Bist du alt geworden!
Besonders erfreulich für Avatar-Fans ist das Wiedersehen mit dem einen oder anderen Charakter der alten Serie. Manchmal auch nur anhand der Spuren, die sie hinterlassen haben: Etwa, wenn Aangs Kinder und Enkel auftreten oder der Bär des Erdkönigs in einem Nebensatz erwähnt wird. Diese Kontinuität verleiht der Avatar-Welt eine Lebendigkeit, von der sich andere Serien ein Stück abschneiden können. Wie schon in der Vorgängerserie scheinen immer die Motive von Prinzessin Mononoke durch – der Konflikt Mensch-Natur, verkörpert durch die Geisterwelt und die Motivation der ‚Bösen‘, die durchaus als Idealisten gelten können.
Und genau das ist aus meiner Sicht ein kleiner Haken an den Abenteuern von Korra: Die Bösewichte vertreten stellenweise fortschrittliche Ziele. Amon aus der ersten Staffel predigt die Gleichheit von Bändigern und Nichtbändigern, Zaheer (gesprochen von Henry Rollins) aus Staffel 3 will ein Ende der Monarchien, die immer noch die Nationen beherrschen. Trotz dieser eher aufklärerischen Ziele sind beide Figuren Antagonisten, die gnadenlos, fast schon sadistisch vorgehen. Was auch zu einem weiteren Kritikpunkt führt: Korra muss in jeder Staffel einstecken, dass man gar nicht anders kann als mit ihr zu leiden und hofft, sie könnte sich endlich von alleine wehren. Ein weiteres Problem sind die in jeder Staffel neuen Antagonisten. Im Gegensatz zur alten Serie, die immer auf die Konfrontation mit dem Feuerlord hingearbeitet hat, zerfasern die einzelnen Bücher der Legende von Korra etwas.
Trotz aller Kritik: Die Legende von Korra zeigt eine faszinierende Welt voll spannender Geschichten, briliant erzählt, mitunter witzig und auch romantisch, in der politische Themen wie Ungleichheit und Unterdrückung aufgegriffen werden. Schaut sie euch an.
- Der übrigens in Staffel 4 Hayao Miyazaki immer ähnlicher sieht. ↩