Avengers: Age of Ultron
Zum zweiten Mal vereint Regisseur, Autor und Nerd-Liebling Joss Whedon Marvels größte Helden (also die, an denen sie die Filmrechte noch haben). Leider können einem wohl auch die eigenen Fußstapfen zu groß werden – zumindest ein wenig.
Drei Jahre, vier Filme und drei TV-Serien ist es her, dass die Avengers die Menschheit vor Loki und seiner Alien-Armee retten mussten. Nun schaffen es Iron Man, Captain America, Thor, Hulk, Black Widow und Hawkeye endlich, Lokis Zauberstab aus den Händen der Nazi-Organisation Hydra zu retten, die damit ihre eigenen Supermenschen schaffen wollte. Während der Rest des Teams den Triumph feiert, sehen die vermeintlichen Genies Tony „Iron Man“ Stark (Robert Downey jr.) und Bruce „Hulk“ Banner (Mark Ruffalo) die Möglichkeit mit Asgard-Technologie ein neues Abwehrsystem zu schaffen: Ultron, eine künstliche Intelligenz mit dem einzigen Ziel, die Erde um jeden Preis zu retten.
Wie es die Comic-Vorlage und das alte Science Fiction-Klischee will, wendet sich die künstliche Intelligenz umgehend gegen ihre Schöpfer. Mit den Geschwistern Wanda und Pietro, den einzigen Überlebenden des Hydra-Projekts, plant Ultron schließlich den dauerhaften Weltfrieden zu erzwingen, notfalls ohne Menschheit, auf jeden Fall aber ohne Avengers. Ironischerweise erschafft er selbst dabei die einzige Waffe, die ihm gefährlich werden kann.
Das ist nur die erste Hälfte des Spektakels, das sich über zweieinhalb laute und actionreiche Stunden hinzieht. Dass der grobe Plot nicht vor Originalität sprüht, ist geschenkt. Avengers: Age of Ultron verlangt von seinen Zuschauern jedoch im Einzelnen schon sehr viel suspension of disbelief. Erklärt wird alles notfalls durch die inkonsistenten Kräfte der Helden (was können Cpt. America und Thor denn jetzt genau? Ist Bruce Banner wirklich in allem ein Experte? Und wie sehr kann er den Hulk kontrollieren?) und bequeme Allzwecklösungen (Notfalls hat Iron Man immer die richtige Erfindung schon entwickelt und in seinen Anzug integriert). Zudem scheint es, als hätte man unbedingt eine Liste mit Sachen abhaken müssen, die Fans nach dem ersten Film gefordert hatten oder die für spätere Filme wichtig werden könnten (Hulk vs. Iron Mans Hulkbuster-Suit, Einführung des Landes Wakanda für Black Panther, noch ein schneller Subplot für Thor um die Verbindung zu Guardians of the Galaxy herzustellen etc.).
Alles in allem wirkt Age of Ultron im Vergleich zu seinem Vorgänger unnötig unübersichtlich, was sich auch in den Actionszenen ausdrückt. Wenn schließlich sage und schreibe neun Avengers auf kleinstem Raum gegen unzählige Ultron-Bots kämpfen (und zwei weitere Avengers noch immer wieder in der Peripherie auftauchen), kommt der Film an die Grenze des Darstellbaren. So sind zwar alle Helden da und tun irgendwas, aber alles verschwimmt zu einem wirren Chaos. Vielleicht ist es aber auch eine neue Form des Actionkinos, an das sich die Sehgewohnheiten des Zuschauers anpassen müssen.
Vergleichbar, aber weniger chaotisch, ist die Figurenkonstellation im Rest der Handlung. Bei der schieren Masse an Protagonisten können nicht alle die nötige Aufmerksamkeit bekommen. Whedon konzentriert sich dabei zurecht auf jene Avengers, die keine eigenen Solo-Filme haben, in denen sie sich entwickeln können. Bei Clint „Hawkeye“ Barton (Jeremy Renner) gelingt ihm das hervorragend. Der Rächer ohne Superkräfte, ohne besondere Intelligenz oder Reichtum wird zum Herzstück des Teams, zum Sympathieträger und bekommt ein paar erstklassige Oneliner (diese Aufmerksamkeit könnte auch am Erfolg der jüngst erschienenen, äußerst empfehlenswerten Hawkeyecomics von Matt Fraction liegen).
Eine romantische Geschichte zwischen Banner und Black Widow (Scarlett Johansson) bleibt im Gegensatz dazu erschreckend blutleer. Überhaupt wirkt es, als wüsste niemand viel mit der Quotenfrau im Team anzufangen, inklusive Whedon, auf dessen Konto immerhin Buffy geht, und Johansson, die noch letztes Jahr in Under the Skin gezeigt hat, was für ein Ausnahmetalent sie doch eigentlich ist.
Umso erstaunlicher, dass Age of Ultron etwas gelingt, woran Superheldenfilme in der Regel zielsicher scheitern: die Relativierung und Brechung des Heldenbegriffs. Anstatt mit großen, pathetischen und sinnentleerten Monologen um sich zu werfen (Christopher Nolan, Zack Snyder und David Goyer, hört ihr das?), öffnet Whedon mit Bildern und kurzen, prägnanten Aussagen wichtige Diskursfelder. Überraschenderweise ist es ausgerechnet Captain America (Chris Evans), der sofort versteht, warum die vom Krieg geplagten Bürger eines fiktiven osteuropäischen Staates den Einmarsch von Supersoldaten, amerikanischen Großindustriellen und fremden Göttern in ihr Land nicht umgehend als Befreiung empfinden.
Am Ende bekommt man, was man wollte: den arroganten Iron Man, den schmalzigen Thor, den Pfadfinder Captain America, den wütenden Hulk, witzige Szenen, interessante Wendungen, unendlich viel Action, tolle Effekte und ein „nichts-wird-mehr-sein-wie-es-war“-Ende – und auch Ultron ist ein erstaunlich guter Gegner, der von James Spader im Original großartig gesprochen wird. Im Vergleich zu seinen direkten Vorgängern The Winter Soldier und Guardians of die Galaxy geht Age of Ultron zwischendurch leider zu oft die Luft aus. Vergleicht man den Film jedoch mit anderen direkten Konkurrenten – X-Men, The Amazing Spider-Man, Michael Bay, Zack Snyder – bleibt Marvel auch mit diesem Film uneinholbar an der Spitze.
Und so bleibt es unvorstellbar, nicht im Sommer in den nächsten Marvel-Film Ant-Man zu gehen. Oder Doctor Strange zu verpassen. Oder die Daredevil Serie bei Netflix. Oder Black Panther … Oder….