Battlestar Galactica – Blood and Chrome
Ein Gastbeitrag von Judith C. Vogt.
Einleitendes Loblied auf BSG
Battlestar Galactica, die 70er Jahre Sci-fi-TV-Serie, erfuhr ab dem Jahr 2003 ein „Re-Imagining“. Zur Ursprungsserie möchte ich mich mal einer Meinung enthalten, denn ich habe als Kind unterm Stein gewohnt, wir hatten ja nix, und die Serie hab ich erst in den 90ern sporadisch gesehen, und da war es für mich schon zu spät, um das in Konkurrenz zum 90er-Jahre-Actionkino noch cool zu finden.
Auch mit dem Re-Imagining habe ich mich schwer getan. Der Pilot war mir zu seelenlos, die Charaktere zu kaputt – sollte es euch ebenso gegangen sein: Gebt der ersten Folge „33 Minuten“ eine Chance. Ab da hatte BSG mich in seinem Sog, und ich war absolut gefesselt. Nicht nur von der Story, die die letzten Überbleibsel der Menschheit aus den 12 Kolonien auf ihrem Exodus und ihrer Flucht vor den Cylonen, den Maschinen mit Seele, zeigt. Von allem – der Optik, der Musik, den Schauspielern, der Mischung aus Sozialkritik, menschlichem Drama, philosophischen Fragen und actiongeladenen Raumkampfszenen. Ich habe mir nicht nur die Serie einverleibt, sondern auch die Webisodes, die zwischen den Staffeln spielen, die im Zeitraum der Serie angesiedelten Spielfilme „Razor“ und „The Plan“ sowie die Prequel-„Wie entstanden die ersten Cylonen“-Serie Caprica.
Blood and Chrome als Webserie
Ich hatte Blood and Chrome folglich bereits bemerkt, als es sich in 10-Minuten-Schnipseln gratis im Netz ansehen ließ, aber das 10-Minuten-Konzept hat mich rasch aus der Handlung geworfen, außerdem konnte ich mir schlichtweg nicht vorstellen, dass der gutaussehende Sunnyboy Luke Pasqualino zum Charakterkopf Edward James Olmos heranwächst. Aber ich sollte vielleicht vorn anfangen:
All dies ist schon mal geschehen … Die Geschichte des jungen Bill Adama
William Adama, der im Laufe der Serie zum Admiral befördert wird, weil er die letzten Raumschiffe der Menschheit auf ihrer Suche nach dem Mythos Erde befehligt, hat eine Vergangenheit als Pilot (Callsign: Husker) im ersten Cylonenkrieg. Als Bill wenig mehr als ein grüner Rekrut war, regten sich die Cylonen, jene Maschinen mit Bewusstsein, zum ersten Mal und lehnten sich gegen die Menschen auf – auch in der BSG-Serie gibt es bereits Sequenzen, die in William Adamas Pilotenjahre führen (mit wiederum einem anderen Schauspieler in der Hauptrolle), doch „Blood and Chrome“ nimmt sich etwas mehr als 90 Minuten Zeit, um einen wichtigen Wendepunkt im Cylonenkrieg darzustellen.
Dabei übernimmt Luke Pasqualino, wie bereits erwähnt, die Hauptrolle, und Bill Adama wird im Film flankiert von seinem Co-Piloten Coker (Ben Cotton) und der vom Krieg verwitweten Wissenschaftlerin Dr. Kelly (Lili Bordán). Und ja, in meinem Kopf passen die beiden Schauspieler Luke Pasqualino und Edward James Olmos nach wie vor nicht zusammen, aber ich hege seit The Musketeers eine gewisse Sympathie für den italienischstämmigen Briten Pasqualino, also – sei’s drum.
Die Handlung ist rasch erzählt: Der junge Heißsporn William Adama will sich nach der Akademie noch schnell im Krieg beweisen, bevor’s zu spät ist und gerät auf dem neuen, gigantisch großen Kampfstern „Galactica“ an den desillusionierten Coker, der einfach nur noch mit heiler Haut aus dem Krieg heimkommen möchte. Bills Laune wird ein weiterer Dämpfer verpasst: Statt mit einer legendären „Viper“ auf Cylonen losgelassen zu werden, wird er als Pilot in einen „Raptor“ gesetzt, ein Aufklärungs- und Transportschiff – für den Grünschnabel also nicht mehr als ein Bus. Die Geschichte „Idealismus trifft Zynismus und beide wachsen daran“ ist keinesfalls neu, und auch Blood and Chrome erzählt da nichts revolutionär Neues. Interessant sind natürlich vor allen Dingen die Querverweise zu Elementen der Serien Battle Star Galactica und Caprica, zwischen denen Blood and Chrome eine Brücke bildet.
In Caprica wurde erzählt, wie die ersten Cylonen bei „Greystone Industries“ das Licht der Welt erblickten, und auch die junge Wissenschaftlerin, die Coker und Bill „Husker“ Adama an Bord nehmen sollen, hat für Greystone Software entwickelt, ändert im Laufe der ersten, scheinbar risikolosen Raptormission die Befehle und sorgt dafür, dass Husker und Coker zu Geisterschiffen im von Cylonen besetzten Gebiet finden. Dabei sind die Raumschiffinnenräume, die Dogfights mit versprengen Cylonen-Jägern, das Weltraumschlachtfeld und die Ruinen des Krieges im Cylonengebiet durchaus hübsch anzusehen.
Das eine oder andere Klischee wird dabei leider breitgetreten: Die Kommandantin des auf den Geisterschiffen verborgenen Militärkommandos wirkt wie eine Zwillingsschwester von Admiral Caine, der Kommandantin der Pegasus in BSG, ein totgeglaubter Pilot erfährt durch Coker von seiner treuen Ehefrau, die dem gemeinsamen Sohn das Leben geschenkt hat, und auch die Wissenschaftlerin entwickelt einen etwas unglaubwürdigen Crush auf Young Adama, um über den Tod ihres Mannes, der als Kriegsheld (natürlich mit Storytwist) starb, hinwegzukommen.
Von den Geisterschiffen werden Adama, Coker und Dr. Kelly schließlich auf einen Eisplaneten beordert, und nach einem Dogfight in der Atmosphäre begegnen sie nicht nur einem verrückten Überlebenden und einem halb-kybernetischen Monster, sondern auch Cylonen und den ersten Versuchen der selbigen, eigenes Leben aus organischem Material zu schaffen … Außerdem wäre BSG nicht BSG, wenn sich nicht auch noch Zweifel einschleichen würden, was es nun eigentlich bedeutet, das Richtige zu tun, und auch das macht der Film nicht schlecht, wenn auch nicht atemberaubend neu.
Das Besondere an Blood and Chrome
Blood and Chrome ist ein guter Sci-fi-Film im Rahmen seiner Möglichkeiten und, so behaupte ich mal, eingedenk der Tatsache, dass man Battlestar Galactica kennen sollte, um ihn genießen zu können.
Das Besondere an dem Film ist jedoch: Er ist komplett digital entstanden. Dazu bietet die BluRay/DVD auch ein sehenswertes Extra, in dem mich doch verblüffte, wie digital das alles ist. Ich hatte, als ich die Webserie anfing, schon gelesen, dass der Film digital entstanden ist, doch dass wirklich kein einziges Set real gebaut worden war, hat mich schon verblüfft – denn man merkt es nicht.
Die Innenräume der Schiffe, die Hangare und Kommandoräume und Quartiere an Bord der Galactica wirken erstaunlich echt – sind jedoch vollständig am Computer entstanden. Selbst die Anzeigen auf den Bildschirmen wurden im Nachhinein hineinmontiert. Grund dafür war, dass zum Zeitpunkt des Drehs (2012) bereits alle Sets von Galactica nicht nur abgebaut, sondern auch zerstückelt, wiederverwendet und verkauft worden waren. Um an die Optik der Serie heranzukommen, musste also auf digitale Tricks zurückgegriffen werden, also entschied man sich dazu, die ganze Webserie digital zu erschaffen. Man schaut also im Prinzip einen 90 Minuten dauernden Special Effect.
Es ist natürlich nicht so, dass das nicht auffallen würde. Für mich funktionierte der Eisplanet nicht besonders gut, auch wenn ein verlassenes Skiressort ein großartiges Setting für SF-Horror ist – es entsteht leider nicht die Illusion, dass die Schauspieler tatsächlich frieren, und Schnee, Eis und Frost im Bart wirken insgesamt künstlich. Für mich hätten es, glaube ich, auch schon ein paar glaubwürdige Atemwölkchen vor den Mündern getan.
tl;dr
Battlestar Galactica: Blood and Chrome ist ein sehenswerter Film im Rahmen des BSG Film- und Serien-Franchises. Die Raumkämpfe machen Spaß, der junge Bill Adama rundet den Charakter als jemanden ab, der an vielen Stellen des Cylonenkriegs als Zeuge oder sogar als Handlungsträger dabei war. Wie man es von der Serie kennt, verflechten sich moderne Themen wie Manipulation durch Medien mit der halbmystischen Bestimmung der Cylonen und Menschen (wenn auch Letzteres weniger stark ausgeprägt ist als in der Serie). Auch für die Cylonen zeigt die Serie eine „Charakterentwicklung“: Optisch werden Zwischenstadien zwischen den alten Modellen (die die alte Serie reminiszieren) und den stromlinienförmigen Chromkrieger der neuen Serie gezeigt – und auch die Selbstfindung der Cylonen erhält einen weiteren Baustein. Großer Pluspunkt neben der Optik ist die Akustik: nicht nur die Soundeffekte, auch der Soundtrack ist wie aus einem Guss mit der Serie, und Bear McCreary, der mit seiner wilden Mischung aus Trommeln, Chören in toten Sprachen und Rock-Elementen einen Meilenstein des Seriensoundtracks geschaffen hat, hat auch hier mit dafür gesorgt, dass das „Look and Feel“ des Films stimmt.
Als Minuspunkt verbleibt die manchmal nicht ganz glaubwürdige CGI-Umsetzung, sowie das eine oder andere Klischee – leider auch Geschlechterklischee, obwohl BSG gezeigt hat, wie man wirklich gute, klischeefreie und beinahe schon als post-gender zu bezeichnende Frauenrollen schreibt.
Bonusmaterial / Synchro
Die Synchronisation empfand ich als etwas hölzern, zudem wartete sie mit seltsamen Anglizismen auf („die Starboardseite“ – schon mal vom Begriff Steuerbord gehört?).
Die DVD/BluRay enthält eine ganze Menge geschnittener Szenen (insgesamt eine halbe Stunde) sowie ein umfangreiches Extra zur Entstehung des Films und der digitalen Effekte.
Disclaimer: Fischpott hat die Blu-ray zu Ansichtszwecken erhalten.
Pingback:J C Vogt