Blackout Mini-Serie (DVD Box)
Um es gleich vorwegzunehmen: Schade, schade, schade. Die Verfilmung von Marc Elsbergs Blackout als Mini-Serie hätte gut sein können. Ist sie aber nicht. Wer lesen kann, sollte sich das Buch reinziehen, statt sechsmal 45 Minuten vor der Glotze zu verbringen.
Mein harsches Urteil mag vor allem daran liegen, dass ich ein großer Fan des Buches bin. Was bedeutet, dass ich das Ding bereits dreimal gelesen habe. Außerdem bedeutet es, dass ich zu Blackout bereits eine Rezension geschrieben hatte. Und in der hatte ich nicht nur gejubelt. Vor allem hatte ich damals auch von meinen Erkenntnissen erzählt in Sachen Strom und in Hinblick auf die Bedeutung fließenden Wassers.
Beides wird nun nicht passieren. Weder habe ich Grund zum Jubeln. Noch hat die Blackout Mini-Serie mir irgendeine Erkenntnis gebracht, über die ich in meiner Rezension nun erzählen könnte.
Die Blackout Mini-Serie verdichtet, wo sie kann …
Erzählen kann ich aber von der Krux der Verdichtung. Die ja grundsätzlich notwendig ist. Nicht alle Aspekte eines Buches, mögen sie noch so schön sein, können Eingang finden in eine Verfilmung. Ob nun für den Kinoabend oder für sechs Folgen im TV.
… erheblich weniger Personal
Ich weiß noch, wie ich damals beim ersten Lesen beeindruckt war von der großen Menge handelnder Figuren. Auch gefiel mir, wie diese im Laufe der Geschichte zueinander finden. Natürlich lässt sich das alles nicht in einen Sechsteiler quetschen. So manche Figur, so lieb man sie auch gewonnen hat, muss da einfach über die Wupper gehen.
Es ist also grundsätzlich nachvollziehbar, warum die Handlung der einen Figur plötzlich zur Handlung einer anderen wird. Ein Beispiel:
Im Blackout Buch helfen vier junge Frauen, die auf dem Weg in den Winter-Urlaub sind, auf einem Bauernhof im Tausch gegen Sprit aus. Dort fehlt nämlich der Strom für die Melkanlage. Also müssen die Kühe von Hand gemelkt werden, andernfalls droht ihnen ein grausamer Tod. In der Blackout Mini-Serie kommt nun der Nachbar von Piero Manzano, der Hauptfigur der Erzählung, in diese Situation.
An sich ist gegen dieses Vorgehen nichts zu sagen. Was dabei aber unter den Tisch fällt, hätte der Serie nur gutgetan.
… weniger Identifikation
Durch den Wegfall der vier Frauen und ihres Wegs in die österreichischen Alpen fällt nämlich etwas weg, was der Mini-Serie an allen Ecken und Enden fehlt. Ich spreche von Figuren, die an ihrer Haut erfahren, was der Wegfall des Stroms bedeutet.
Im Buch verdeutlicht Marc Elsberg die Dynamik, die das Ganze annimmt. Am Anfang sind die Menschen einander noch eher hilfreich. Im Zweifel teilen sie also das, was sie noch zu essen zu Hause haben. Erst im Laufe der Zeit weicht diese Bereitschaft dem puren Überlebenswahnsinn.
Wenn in der Serie aber Leben fern des Innenministeriums zu sehen ist, geht es zumeist um nahezu menschenleere Nebenstraßen – oder um Krawalle. In beiden Fällen ziert Nebel die Szenerie.
Es reicht halt nicht, wenn in der Mini-Serie im Innenministerium ständig nur davon gesprochen wird, was der Blackout mit den Menschen macht. Für Leser oder Zuschauerinnen braucht es Identifikationsfiguren, mit denen sie zusammen übliche Dinge des Alltags nun ohne Strom bewältigen müssen. Und wenn es bedeutet, dass da eine im Finstern aufs Klo geht, dessen Spülung dann nicht funktioniert.
Die Familie des Europol-Mannes Bollard? Bei seiner Frau und seinen Kindern geht es im Buch vor allem erst einmal um Ernährung. Was bringt eine Packung Nudeln, wenn man sie nicht kochen kann? Oder im Falle seiner französischen (Schwieger)-Eltern, bei denen dreht sich viel um das Überleben im Evakuierungszentrum.
Solche Geschichten laden dazu ein, sich selbst Fragen zu stellen wie: Wo wäre ich im Fall eines Blackouts lieber, in einer Großstadt oder auf dem Land? Alleine und eingeschlossen in meiner Wohnung oder zusammen mit ganz vielen anderen in einem Turnhalle voller Feldbetten? Hätte ich zumindest für ein paar Tage genug zu essen und zu trinken zu Hause? Besitze ich eigentlich eine funktionierende Taschenlampe? Und womit könnte ich mir eine warme Mahlzeit erstellen?
… weniger Handlungsorte
Was im Buch als gute Mischung aus Institutionellem und Persönlichem funktioniert, gelingt der Blackout Mini-Serie überhaupt nicht. Mit den vielen handelnden Figuren sind eben leider auch viele Handlungsorte dem Rotstift zum Opfer gefallen. Das gilt auch für manche Institutionen.
So ist durch den Wegfall der vier Brüsseler Frauen auch eine wesentliche weitere Erkenntnis weggefallen. Es gibt da nämlich in Brüssel das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen. Das sorgt dafür, dass man sich auf europäischer Ebene gegenseitig hilft, wenn irgendwo zum Beispiel der Strom flächendeckend ausfällt.
Eine der vier jungen Frauen arbeitet dort und nutzt die erste Gelegenheit, um an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Diese Institution findet in der Blackout Mini-Serie nun keinerlei Erwähnung. Schien den Machern einfach nicht wichtig genug gewesen zu sein.
So bleibt in der Blackout Mini-Serie fast alles im Innenministerium hängen. Ständig dasselbe Personal in denselben Räumlichkeiten senkt natürlich die Produktionskosten. Aber als wäre das nicht schon schlimm genug, bekommt die dort wesentliche Figur Frauke Michelsen nun auch noch den menschelnden Faktor aufgedrückt.
Gretel und Gretel verlaufen sich im Wald der Blackout Mini-Serie
Warum nicht einfach einen neuen Handlungsstrang hinzudichten? Das müssen sich die Macher der Mini-Serie gefragt haben. Statt auf die oben genannten Handlungsstränge des Buches zurückzugreifen, haben sie der Frau im Innenministerium zwei Töchter geschenkt – und sie ihr direkt wieder genommen.
Die beiden (zugegeben: sehr süßen) Mädels bleiben auf ihrer Fahrt alleine im Zug mit ebendiesem auf offener Strecke stehen. Ein Mann, der auf seltsame Weise viel von einem Pädophilen hat, dies dann aber wohl doch nicht ist, nimmt sie mit zu sich nach Hause. Wo die beiden Zeuginnen eines Attentats auf eben diesen Mann werden und im Haus eines der Täter landen. Dessen Frau will, dass er nun auch die beiden Kinder tötet. Aber nein, das kann er dann doch nicht. Stattdessen lässt er sie im finsteren Wald frei. Von wo sie auch ohne Brotkrumen den Weg in den nächsten Ort finden. Auf dessen nebelgeschwängertem Marktplatz ihr Vater herum- und dann in sie hineinstolpert.
Das Buch hatte da wahrlich mehr zu bieten.
Vermengung von Held und Täter in der Blackout Mini-Serie
Schließlich habe ich auch noch ein Problem damit, dass die Serie aus dem Helden auch den Täter macht.
Im Buch erkennt Manzano die Problematik der Smart Meter, also der digitalen Stromzähler, anhand eines Abschaltbefehls. Der sollte gar nicht benutzbar sein, ist es aber doch. Mit diesem Befehl zu tun hat er selbst gar nichts. Als Ex-Hacker und Computer-Nerd hat er im Moment des Stromausfalls halt nur nichts Besseres zu tun, als ich sich das Gerät mal genauer anzuschauen.
Mit denjenigen, die hinter der ganzen Attacke stehen, hat er überdies ganz sicher nichts zu tun. Wie dunkle Gestalten, die langsam aus dem Schatten ins Licht treten, lernt man diese und ihre Motivation über die Zeit kennen. Auch das hatte für mich einen Reiz des Buches ausgemacht.
In der Serie aber erkennt Manzano einen Hacker-Angriff auf die Smart Meter, der seine Idee war. Auch alle Motivation der Täter war mal die seine. Also verbringt er viel Zeit des Sechsteilers damit, diejenigen zu finden, die seine Idee geklaut haben.
Kann man so machen. Ist nur leider nicht halb so interessant wie die originale Idee.
Fazit
Könnte ich nun zumindest die Darsteller/innen lobend hervorheben, ich würde es tun. Aber auch hier fällt mein Urteil nicht allzu berauschend aus. Weshalb ich es bei dem belasse, was ich eingangs schon klargestellt habe:
Schade, schade, schade.
Die DVD-Box ist ab 10.02.2023 im Handel erhältlich. Die Blackout Mini-Serie ist aber auch auf SAT1 seit 26.01.2023 donnerstags in Doppelfolge zu sehen.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben von LEONINE Studios ein Rezensionsexemplar der DVD-Box erhalten.