Bunt und kühl: CD
Was bisher geschah: Vor knapp einem Jahr veröffentlichte Fischpott eine Kritik zu dem ambitionierten Buchprojekt Bunt und kühl. Drei Poetry Slammer – Kaleb Erdmann, David Friedrich und Thomas Spitzer – hatten ihre besten Werke in dieser Kurztextsammlung zusammengefügt. Das Fazit Fischpotts fiel sehr positiv aus, das Buch wurde weggelegt. Nur um nun erneut hervorgekramt zu werden, denn die drei Autoren sind noch lange nicht fertig mit Bunt und kühl.
Stattdessen bringen sie nun ein Albumprojekt heraus, das, zumindest in der Slam-Szene, vorläufig seinesgleichen sucht. Immerhin werden hier nicht bloß die Texte abgelesen und in Hörbuchform herausgebracht. Stattdessen hat sich Initiator Thomas Spitzer mit dem Uni Jazz Orchester Regensburg zusammengetan und die besten Texte des Buches, von Jazz-Eigenkompositionen untermalt, vertont. Zehn Stücke sind auf dem im schicken Digipack erschienenen Silberling zu finden, außerdem noch ein Remix zu einem der „Songs“.
An dieser Stelle sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass Thomas Spitzer bereits einige Gastbeiträge für Fischpott geschrieben hat. Unsere Meinung beeinflussen wird das aber nicht im Ansatz, Fischpott hat sich immerhin knallharte und bedingungslose Neutralität auf die Fahne geschrieben (bestimmt, irgendwo).
Jazz it up!
In sorgfältig arrangierten Kompositionen untermalt das Orchester die Poeten, die ihre Texte selbst vorlesen. Das heißt, „untermalt“ ist eine gnadenlose Untertreibung, vielmehr werden Bläser, Saxophone und Co. zum festen Bestandteil der Texte. Da ist die Gefahr groß, dass sie ablenkend wirken und den Song dominieren (erinnern wir uns mal zurück an Metallicas enttäuschendes „S&M“-Klassikprojekt, wo willkürliche Orchester-Arrangements über die großartigen Songs gekleistert wurden). Hier wird glücklicherweise mit etwas mehr Finesse vorgegangen: Akzentuierte Bläsereinsätze oder perfekt gesetzte Pausen ergänzen sich wunderbar mit den jeweiligen Texten.
Sei es nun ein treibender Basslauf, der Kaleb Erdmanns Die Sonne begleitet, oder ein gechilltes Gitarrenbett bei Meinungen von Thomas Spitzer: Jeder (in Ermangelung eines besseren Wortes) „Song“ schwimmt nur so in Details und es sind gerade die kleinen Momente, die zu entdecken besonders viel Spaß machen. Besonders hervorzuheben ist hier David Friedrich, dessen gesellschaftskritische, sprachlich höchst versierte Gedichte mit Musik besonders intensiv wirken.
Saxophone. Viele Saxophone.
Über die Qualität der Texte müssen wir nicht weiter reden, ham wa nämlich schon längst gemacht (an dieser Stelle sei nochmals schamlos auf Fischpotts Review des Buches verwiesen). Auch in Sachen Vortrag halten die Friedrich, Erdmann und Spitzer stand, was jetzt nicht wirklich verwundern sollte, immerhin wurden die Texte für die Slam-Bühne verfasst. Auch die Gastperformances von Poet/Rapper Quichotte und Poetin Frau Wortwahl fügen sich nahtlos in das Konzept ein. Etwas irritierend wirkt höchstens Spitzers Sag ‘Nein‘ zu Fusilli, der von einem Kind vorgetragen wird. Coole Idee, ich persönlich fand’s ein bisschen nervig (aber mir gehen Kinder auch schnell auf die Nerven, vielleicht bin ich da Einzelfall).
Wo liegt also der Haken bei Bunt und kühl? Nun, wer kein Jazz mag, der wird an dem Projekt unter Umständen keine große Freude haben. Zwar steht die Qualität der Texte für sich, aber der Jazzanteil ist nun mal vorherrschend. Es ist Jazz, Alter! Wer also bei Saxophonen Ohrenbluten bekommt, sollte diese Scheibe meiden, denn es gibt viel davon. Vielleicht auch manchmal ein wenig zu viel, denn wenn man das Album an einem Stück durchhört, wird es nach einer gewissen Zeit redundant. Aller Abwechslung in den Kompositionen zum Trotz fangen die Motive halt irgendwann einfach an, sich zu wiederholen, was nun mal in der Natur des Jazz-Genres liegt.
Bunt, kühl und wie aus einem Guss
Das trübt das Gesamtbild aber nur geringfügig, denn Bunt und kühl ist ein sehr interessantes, bislang vollkommen konkurrenzloses Projekt. Man hört den Aufwand heraus und kann ihn sogar sehen, denn Bunt und kühl liegt zusätzlich eine DVD bei. In der knapp halbstündigen Dokumentation erfährt man alles über das Projekt, die Vorbereitungen, das Konzert etc. Die Combo Slam-Text/Jazz-Musik funktioniert wunderbar, es wirkt nie wie Stückwerk, sondern wie aus einem Guss und ermöglicht eine vollkommen neue Herangehensweise an Kurztexte. Es ist eben Jazz, Alter!
Disclaimer: Cover und Foto mit freundlicher Genehmigung von Thomas Spitzer
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