Bunt und kühl
Wenn Poetry Slammer Bücher herausbringen, kann man in der Regel damit rechnen, eine Sammlung ihrer besten Slam-Texte zu finden. Manchmal tun sich gleich mehrere Autoren zusammen, um eine solche Anthologie zusammenzustellen und in einem kleinen Verlag zu veröffentlichen. „Bunt und kühl“ von Kaleb Erdmann, David Friedrich und Thomas Spitzer ist nun ein weiterer Vertreter dieser Kategorie – und doch irgendwie anders.
Unterschiedlicher könnten die Themen in „Bunt und kühl“ nicht sein. Durch die Vielzahl an Autoren prallen hier zwangsläufig verschiedene Stile aufeinander. Da ist zunächst mal Kaleb Erdmann, der im Gegensatz zu so manchen Poetry Slam-Texten hier fast ausschließlich Ungereimtes präsentiert. Seine Beiträge sind oft anklagende Prosatexte, die von Wutbürgern, Diskriminierungen oder einem äußerst frustrierenden Interview mit einem Mitglied des Vereins „Mündige Bürger Offenbach“ handeln. Das klingt auf dem Papier nach dem üblichen Poetry Slam Material, aber Erdmanns Werke sind mehr als bloße Hasstiraden gegen die Deutsche Bahn, Facebook und Co. Witze und lockere Sprüche findet man hier kaum, stattdessen leben diese – oft nicht einmal eine halbe Seite langen – Texte von einem unterschwelligen Humor, der sich dem Leser nicht immer sofort erschließt. Manchmal wird Kaleb Erdmann fast schon philosophisch, an anderen Stellen hingegen geht er kurz und bissig vor, wie beispielsweise in dieser kleinen Kostprobe „Flecken“:
„Die Schmetterlinge knallen einer nach dem anderen gegen die Scheibe, trudeln zu Boden und hinterlassen bräunliche Flecken. „So schön und doch so vergänglich“ denke ich und stelle mit einem zufriedenen Lächeln die Pheromonmaschine ab. Morgen sind die Bienen dran.“
White Russian laktosefrei, einsame Spermien
Für den lyrischen Teil des Buches ist David Friedrich verantwortlich. Der 22-jährige Münchener, der gemeinsam mit Björn Dunne das bekannte Slam-Team „Neurosenstolz“ bildet, schreibt Poesie, manchmal nachdenklich, manchmal zynisch, manchmal an der Grenze zum Rap. Gewürzt werden seine Texte (allen voran das extrem gute „Doppel-DVD“) durch sprachliche Spielereien und komplexe Reime, die allein durch ihre Wortgewandtheit extrem beeindrucken. Bei Zeilen wie
„Dort wo Polizisten Brillen beim Betreten
von wärmeren Räumen beschlagnahmen
finde ich dich beim Quartal-Qualen-Quadratzahlen einen Part malen.“
kann man nicht anders als ehrfürchtig den Hut zu ziehen. Manchmal übertreibt es David Friedrich auch ein wenig mit seinen Sprachbildern und der eine oder andere Ausdruck wirkt etwas gekünstelt, aber das ist schon Meckern auf allerhöchstem Niveau (außerdem kann es Fischpott ja auch nicht besser). Daneben steuert der ehemalige U20-Poetry Slam-Meister für „Bunt und kühl“ auch die eine oder andere Kurzgeschichte bei. Besonders hervorzuheben ist hier „Ein White Russian, aber bitte laktosefrei“ – ein herrlich skurriler Text, der durch flachen abgedrehten Humor für den nötigen Kontrast in der Anthologie sorgt.
Der letzte der drei Autoren dieses Buches ist Thomas Spitzer. Der langjährige Slam Poet aus Bayern bringt unterschiedliche Stile in die Anthologie hinein – sei es ein schräges, aber auch seltsam melancholisches Stück über … nun ja, ein Spermium, eine witzige Blues-Parodie oder einfach eine Liste mit 33 literarischen Irrtümern. Sein Humor ist oft hart, aber pointiert und treffsicher. Fischpotts Lieblingsstelle:
„Gute Autoren sind zwangsläufig schlechte Poetry Slammer und umgekehrt. Das beste Argument gegen den Poetry Slam ist übrigens die Frage, wer wohl ein besserer Poetry Slammer gewesen wäre: Franz Kafka oder Joseph Goebbels. Die beste Antwort: Aber Kafka hätte sich an die Regeln gehalten.“
Abgerundet wird „Bunt und kühl“ schließlich durch Beiträge einer Reihe von illustren Gastautoren, bestehend aus Jan Möbus, Andivalent, Fatima Moumouni und Michel Abdollahi – allesamt bekannte Größen der Poetry Slam-Szene. Diese bereichern das Buch nochmals mit großartigen Texten und Gedichten, die dafür sorgen, dass die großartige Geschichtensammlung noch ein wenig abwechslungsreicher und vielseitiger wird.
Anspruch und Verve
„Bunt und kühl“ als bloße Sammlung von Slam-Texten verschiedener Autoren zu bezeichnen, wird dem Buch nicht gerecht. Hier wird das Medium Buch eben nicht als bloße Sammlung von kurzen witzigen Slam-Texten genutzt. Die Autoren fordern ihre Leser, liefern oft nicht die „eine“ Interpretation. Sie unterlaufen Erwartungen, spielen mit der Sprache und lassen ihren jeweils eigenen Stilen freien Lauf. Genau das macht „Bunt und kühl“ so spannend. „Das rollt. Das hat Verve“, stellt die Slam-Größe Julian Heun im Klappentext fest. Dem ist letzten Endes nicht mehr viel hinzuzufügen.
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