Catan – Energien
Catan – Energien ist der neueste Ableger der bekannten deutschen Spielereihe. Die Hexagon-Insel hat mittlerweile das Mittelalter verlassen und befindet sich mitten in der Klimakrise.
Auf den ersten Blick ist das Eiland noch das gleiche: Lehmhügel, Felder, Wälder, sogar die Wüste sind bekannt. Aber bei genauem Hinsehen ist das neue Catan moderner. Erntemaschinen ziehen über die Felder, Teile der Wälder sind typischen Baumplantagen gewichen. Catan ist in das 21. Jahrhundert eingetreten. Die Städte und Siedlungen sind ein Mix aus alt und neu. Zum einen sind sie aus Holz, wie in der ersten Edition von 1995, zum anderen sind sie abstrakte Klötzchen.
Spieleabend nur mit Chips
Und auch die traditionellen Catan-Farben blau, orange, rot und weiß sind gelb, rosa, lila und blau gewichen. Dazu gekommen sind grüne und braune Kraftwerke und ein Jutebeutel. Denn Catan – Energien erweitert jeden Spielzug um ein neues Element: Ereignis-Chips. Statt mit dem Würfelwurf beginnt der Zug mit einem Griff in einen Beutel. Gezogen werden meistens braune Chips, später kommen (hoffentlich) grüne hinzu.
Die braunen Ereignis-Chips sammeln sich am Spielbrettrand und lösen früher oder später Ereignisse wie Umweltkatastrophen aber auch Klimakonferenzen oder Produktionssteigerung aus. Außerdem fügen sie dem Spiel ein Zeitlimit hinzu: Sind die Chips alle, endet das Spiel vorzeitig. Damit wird ein sich lang hinziehendes Endgame vermieden, das Catan-Veteran*innen kennen und wohl nur in den seltensten Fällen lieben.1
Inspektion oder Überfall?
Ansonsten spielt sich Catan – Energien vertraut. Nach dem Chips-Ziehen kommt das Würfeln, dann das Einsacken von Rohstoffen oder das Versetzen des Räubers … pardon, Umweltinspektors. Ja genau, der Inspektor blockiert Rohstoffe, klaut aber auch Karten von Betroffenen. Das wirkt befremdlich und erinnert an das alte Klischee von Umweltschutz als Fortschrittsbremse. Hier wäre vielleicht ein anderer Spielmechanismus oder wenigstens ein anderer Name für den grauen Meeple besser gewesen.
Aber ansonsten funktioniert die Umweltschutz-Metapher im Spiel. Wer auf schmutzige Energie setzt, kommt dank mehr Energie schneller voran. Braune Kraftwerke kosten auch nur ein Drittel von grünen, erhöhen aber die Verschmutzung. Dadurch gibt es immer mehr negative Ereignisse, die alle betreffen – auch dadurch, dass bei steigender Verschmutzung immer mehr Chips pro Runde gezogen werden und so das Spielende immer schneller näher kommt. Grüne Kraftwerke bringen dagegen grüne Chips in den Beutel, die positive Ereignisse wie staatliche Förderung oder nachhaltige Produktion hervorrufen.
Früher Barbaren, heute Verschmutzung
Die Ökobilanz aller Spielenden beeinflusst also die Ereignisse – auch durch gebaute Siedlungen oder Städte. In dieser Hinsicht ähnelt Catan – Energien der klassischen Spielerweiterung Städte und Ritter, bei der die Barbarenhorde auch durch das Verhalten der Spielenden beeinflusst wird. Durch immer mehr grüne Kraftwerke wird das Spiel übrigens auch beschleunigt, das begünstigt dann die Spielenden mit der meisten umweltfreundlichen Energie. Der vorrangige positive Effekt der Grünwerke ist aber das Senken von Verschmutzung.
Das ist ein einleuchtender Spielmechanismus, führt aber als ökologische Metapher etwas in die Irre. Denn ein mehr an erneuerbaren Energien hilft nur, wenn gleichzeitig die CO2-produzierende Energiegewinnung reduziert wird. Bei Catan – Energien kann ich dagegen weiter auf Wachstum setzen, munter Städte bauen und das mit grünen Kraftwerken ausgleichen. Aber wer eine komplexe Klimasimulation auf dem Tisch spielen will, greift wahrscheinlich eh zu E-Mission. Und in der Spielanleitung 2 gibt es noch die Erklärung, wie regenerative Energie zu einer negativen CO2-Bilanz genutzt werden könnte.
Mehr Energie!
Sinnvoll sind auch die beiden neuen Ressourcen, die Catan – Energien neu ins Spiel bringt. Zum einen – natürlich – Energiemarker, die von Kraftwerken generiert werden. Spielende können sie gegen Rohstoffe tauschen aber auch ausgeben um das Handkartenlimit erhöhen oder Umweltschäden und braune Kraftwerke zu entfernen. Die andere Ressource sind Forschungskarten, mit denen Kraftwerke gebaut werden, von denen aber auch drei gegen einen anderen Rohstoff eingetauscht werden können. Solche „Jokerrohstoffe“ sind sehr willkommen, wenn wieder einmal keine*r tauschen will.
Dass die Papp-und Papiermaterialien von Catan – Energien aus umweltfreundlichen FSC-zertifizierten Materialien bestehen ist natürlich eine gute Sache – auch wenn es Kritik an den Methoden der FSC gibt. Es wäre schön gewesen, wenn Kosmos auf eine komplett CO2-freie Produktion wie zum Beispiel der Konkurrent Schmidt Spiele bei E-Mission gesetzt hätte. Es stellt sich natürlich auch die Frage, welche Umweltschäden die anderen Catan-Produkte verursachen, die mehr Plastik und keine FSC-zertifizierten Materialien enthalten.
Teubers Vermächtnis
Catan – Energien dürfte das letzte Spiel sein, an dem Catan-Erfinder Klaus Teuber noch persönlich vor seinem Tod 2023 mitgewirkt hat, gemeinsam mit seinem Sohn Benjamin. Und es ist in der Tat ein würdiger Teil der Reihe. Die typischen Catan-Mechanismen und die Gestaltung sind behutsam modernisiert. Das Thema ist – von kleineren Irritationen wie dem diebischen Umweltinspektor abgesehen – gut umgesetzt. Und obwohl es nicht spektakulär ist, bringt es doch frischen Wind in die mittelalterliche Catan-Landschaft. Von der Komplexität liegt Catan – Energien ziemlich genau zwischen „Standard-Catan“ und Städte und Ritter, könnte für die Kenner*innen-Zielgruppe also noch gerne ein bisschen komplexer sein – aber da rechne ich doch mit einer Erweiterung. Schließlich ist es ein Catan.
Alter: 12+
3-4 Spielende
60-90 Minuten Spieldauer
Preis: um 55 Euro
Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar vom Kosmos-Verlag erhalten.