Closer by Patrick Marber
BUSC bringt »Hautnah« auf die Bühne der Bonner Brotfarbrik
Eine Inhaltsangabe des britischen Theaterstücks »Closer«, das unter dem Titel »Hautnah« und mit äußerst illustrer Besetzung (Natalie Portman, Julia Roberts, Jude Law und Clive Owen) vor zehn Jahren in den Kinos zu sehen war, ist gar nicht so leicht zu liefern. Das müssen auch die Darsteller der BUSC (Bonn University Shakespeare Company) feststellen. Entweder bescheidet man sich mit den fünf Worten Sex, Gier, Verzweiflung, Wahrheit und Lüge. Oder man kommt wie die Figuren im Stück selbst schnell ins Straucheln. Ich treffe drei der vier BUSC-Schauspieler, die man mit ihrem Seitenprojekt auch als ‚Spalter!‘ bezeichnen könnte, zum Interview.
Lasst mich die wichtigste Frage zuerst stellen: Wer von euch ist Jude Law?
Tamer Afifi (Dan): Darf ich fragen, warum du die Frage stellst? Weil er so toll ist? Ja, ich finde ihn auch toll. Er ist mein Lieblingsschauspieler. Der talentierte Mr. Ripley. Und in Contagion, da war er komplett anders, als man ihn so kennt. Also nicht so ein Schönling. Ich fand das sehr vielfältig von ihm, dass er das so macht. Er sieht supergut aus, aber er ist halt nicht so ein Klischee-Hollywoodstar. Ich habe nichts dagegen, wenn Leute wunderbar aussehen. Aber ich mag keine Klischees. So Red Carpet-Tanten oder Red Carpet-Onkel. Also zum Beispiel würde ich Julianne Moore bevorzugen zu Angelina Jolie. Auch als Frau. Angelina Jolie oder Cathrine Zeta-Jones, die sind viel zu perfekt. Die sehe ich gar nicht. Und Jude Law ist halt, obwohl er so gut aussieht, kein Klischee-Mensch.
Könntet ihr mir die Geschichte bitte mal zusammenfassen? Selbst wenn man wie ich den Film gesehen hat: Bei so viel Beziehungs-Hin und –Her verliert man ja schnell den Überblick …
Beate Linnenkamp (Anna): Alice läuft vor ein Auto, Dan springt aus seinem Taxi, hebt sie vom Asphalt auf und bringt sie ins Krankenhaus. Sie verlieben sich und kurze Zeit später werden sie ein Paar. Ein paar Monate später hat Dan, der Autor ist, eine Fotosession bei Anna, der Fotografin, weil sein Verlag ihn da hingeschickt hat.
Esther Takats (Alice): Man muss vielleicht sagen: Dan ist nicht in erster Linie Autor. Der schreibt Todesanzeigen. Todesanzeigenverfasser, das scheint in England ein eigener Beruf zu sein. Und er hat den Traum, Autor zu sein.
Beate Linnenkamp: Er schreibt ein Buch über Alice. Und flirtet aber dann, kurz bevor Alice in diesem Fotostudio auftaucht, mit Anna.
Esther Takats: Dan baggert Anna aufs Heftigste an, aber Anna weist ihn ab. Ich mache mal weiter, wenn das okay ist … Man hat so das Gefühl, der ist heiß wie Nachbars Lumpi, aber Anna … Sie wäre wohl zu haben: Wir erfahren, dass sie geschieden ist. Dann taucht Alice auf und kriegt spitz, dass da was läuft. Sie schickt Dan raus und beschimpft Anna. Daraufhin treibt sich Dan, dem Anna nicht mehr aus dem Kopf geht, in einem einschlägigen Chatforum herum, das heißt »London Fuck«. Und dort trifft er Larry. Dan gibt sich als Anna aus und verkuppelt Larry praktisch mit Anna, macht ein Blinddate aus. Anna weiß natürlich nichts von ihrem Glück und wird von Larry in dem Aquarium, wo Larry sie treffen soll, überrascht. Persönlich meine Lieblingsszene aus diesem Stück. Und die beiden kommen zusammen. Und das gefällt Dan natürlich nicht so wirklich. Dann hat Anna ihre erste Ausstellung, ein Riesenerfolg. Dan und Alice kommen da hin. Alice findet es Scheiße, und Dan ist total aufgeregt. Aber Anna ist ja jetzt mit Larry, dem Dermatologen, verheiratet. Und Dan bekniet Anna, dass sie doch endlich diesen Dermatologen verlassen und ihn heiraten soll. Er würde sie viel glücklicher machen, und Alice … Alice merkt natürlich, dass da was nicht stimmt, und vergnügt sich so ein bisschen mit Larry. Und Larry merkt auch, dass er fehl am Platz ist. Es bleibt aber alles beim Alten, denkt man so. Und dann vergeht nochmal ein bisschen Zeit. Das einzige Mal im Stück, wo es Split-Scenes gibt, also zwei Szenen nebeneinander: Da trennen sich beide Paare. Das gibt einen Riesenknall. Und das ist das Ende des ersten Aktes. Und der zweite Akt ist dann das, was die Leute daraus machen, dieses Riesenbeziehungschaos angezettelt zu haben. Es gibt diese Szene im Nachtclub, wo Larry – der sich irgendwie Amüsement verschaffen muss, weil er wirklich heartbroken ist – zufällig auf Alice trifft und sie als Bettgespielin engagiert. Alice will aber eigentlich Anna und Larry wieder zusammenbringen, damit sie Dan wiederbekommt. Und letzten Endes… Da passiert noch einiges Hin und Her, wer da mit wem… Letzten Endes gehen sie alle als Singles aus dem Ganzen hervor. Und hinterher sind sie genauso schlau wie zuvor.
Und wie kam es zu der Auswahl? Warum dieses Stück?
Esther Takats: Ich habe das halt damals – ich glaube, das war 97 oder 98 – in Köln gesehen bei der deutschsprachigen Erstaufführung und war total berührt. Ich war noch nie von einem Theaterstück so berührt gewesen. Und habe gedacht, das willst du irgendwann mal machen. Dann habe ich vor drei Jahren in einer Theatergruppe das Stück schon mal vorgeschlagen. Allerdings hatten wir uns gerade erst gegründet und hatten keine Referenzen, und da haben wir die Rechte nicht bekommen. Und dann habe ich letztes Frühjahr Beate davon erzählt, mehr so: Da gibt’s ein gutes Stück, hättest du vielleicht Lust? Und jetzt kennt man ja auch viele Leute über die BUSC, da könnte man das vielleicht aufziehen. Beate fand es super, und dann haben wir den Chris angesprochen, weil wir beide so die Eingebung hatten: Der Larry, das ist Chris. Und Chris fand es auch super. Und dann haben wir noch eine Nummer Vier gesucht, und da sind wir glücklicherweise an Tamer gekommen.
Wie ist das, eine Rolle zu spielen, für die eine andere bereits eine Oscar-Nominierung erhielt?
Esther Takats: Scheiße! – Es ist sehr schwierig, dass die Leute die Figur Alice mit Natalie Portman verbinden, weil sie einen Aspekt der Alice so ziemlich perfekt verkörpert. Das ist etwas, was mich auf der einen Seite auch ärgert, weil ich denke, das ist eine einseitige Sicht der Dinge. Auf der anderen Seite frustriert es mich, weil ich ja auch nicht im Alter von Alice bin. Und ich will auch gar nicht versuchen, so zu tun, als sei ich noch Anfang zwanzig, das wäre lächerlich. Deshalb habe ich versucht, die Figur so anzulegen, dass sie durchaus in meinem Alter sein kann, nur eben ein anderer Typ Mensch ist. Ich sehe schon die Gefahr, dass das nicht ankommt. Oder sehr kritische Stimmen gibt. Unter anderem die Tatsache, dass ich nicht aussehe wie Natalie Portman. Ich kann das als Statement spielen. Aber die Frage ist: Kommt das an? Da bin ich persönlich sehr gespannt.
Beate Linnenkamp: Ich finde aber nicht, dass Natalie Portman das Maß aller Dinge ist. Ich finde sie zu glatt für die Alice. Ich finde sie zu puppig. Sie ist so püppimäßig. Ich finde, dass sehr viel fehlt, was Alice ausmacht.
Wie beschreibt Tamer seinen Dan? Mir erscheint er ja wie einer, der in der Pubertät steckengeblieben ist.
Tamer Afifi: Ich sehe das auch so. Manchmal ist er so wie ein Kind, weil er amüsiert sich mit einem bestimmten Spielzeug, und wenn das nicht mehr gut ist, dann will er was anderes haben. Ich denke, er war sehr verwöhnt als Kind. Wahrscheinlich ein Einzelkind. Hat seine Mutter ziemlich früh verloren. Hängt auch noch ziemlich an ihr. Und ich glaube, er sucht nach einer zweiten Mutter, manchmal. Auch in Alice. Ich denke, Dan denkt nur an sich, Hauptsache, er ist glücklich. Der sucht nach den Sachen, die er nicht braucht. Er sucht nach Sex, dabei braucht er Liebe und so weiter. Er will alles wissen, sucht Gewissheit. Aber wenn die Wahrheit vor ihm steht, will er sie gar nicht sehen.
Wie fühlt es sich an, in eine Rolle zu schlüpfen, mit der viele einen der Sexiest Men Alive verbinden?
Esther Takats: Tamer wird Sexiest Man Alive 2014!
Tamer Afifi: Es geht ja nicht nur ums Aussehen. Ich sage auch nicht, dass ich die Rolle besser spielen würde als Jude Law. Es ist halt was anderes. Jeder spielt die Rolle ganz anders, jeder nimmt die Rolle anders wahr. Jeder hat andere Erfahrungen in der Vergangenheit, den eigenen Charakter. Ich glaube halt, das ist eine Kombination aus der vielen Faktoren. Der Druck ist schon groß. Die Leute sagen, passt auf, der Film ist sehr gut, und die Schauspieler sind sehr gut – ihr müsst aufpassen. Aber worauf sollen wir aufpassen? Wir tun einfach unser Bestes, und hoffentlich gefällt es dem Publikum.
Wie seht ihr Larry mit seinem rachsüchtigen Charakter?
Tamer Afifi: Larry ist wunderbar! – Es gibt einen großen Kontrast zwischen Larry und Dan. Die sind beide nicht unbedingt angenehm. Beide sind sehr schwierige Menschen. Der hauptsächliche Unterschied zwischen den beiden ist, dass der Dan sehr egozentrisch ist. Er ist die einzige Konstante in seinem Leben. Larry ist im Gegensatz dazu sehr rachsüchtig. Er schaut auch auf die anderen: Wenn er sieht, dass Dan leidet, dann ist sein Ego sehr befriedigt.
Wie sehen Beate und Esther ihre Rollen? Anna und Alice wirken auf mich nicht gerade wie zwei Frauen, die wissen, was sie wollen…
Beate Linnenkamp: Ich finde, dass Anna im Gegensatz zu Alice … Alice erfindet sich permanent neu. Ich glaube, Anna hat sich damit abgefunden, dass … Sie ist etabliert in ihrem Job, sie kann davon leben. Ich glaube, sie kommt aus reichem Zuhause. Nicht besonders glücklich, aber reich. Sie hat irgendwie aufgehört, sich neu erfinden zu wollen. Sie hat aufgehört zu suchen. Sie hat nicht wirklich Frieden damit gemacht, aber sie weiß, dass nicht mehr so viel für sie kommt. Das ist die letzte evolutionäre Stufe für sie. Eine ernüchternde Erkenntnis, die sie übrigens mit Larry teilt und nicht mit Dan. Und nicht mit Alice.
Esther Takats: Ich sehe das anders. Ich glaube, ja, dass sich Alice schon ständig neu erfindet. Sie kreiert neue Personen, und sie macht das recht spontan. Und ich glaube, dass das ein Spiel ist, das sie schon sehr lange macht. Weil sie die Überzeugung hat, dass die Alice, wie sie geboren wurde, dass das absolut nicht okay ist. Und dass sie sich nur sicher fühlt, wenn sie so eine Kunstfigur um sich kreieren kann, dass man ihr das glaubt. Und das schafft sie zur Perfektion. Womit sie natürlich erreicht, dass natürlich niemand – wie sie es prophezeit – die wirkliche Alice liebt. Nur lieben sie sie nicht, weil sie sie nicht kennen. Und Alice sagt: Jemanden wie mich, den kann man nicht lieben. Sie möchte schon geliebt und gehalten werden, aber das würde auch bedeuten, dass sie jegliche Kontrolle abgibt. Und das ist schwer zu vereinbaren. Sie spielt ein Spiel, und sie möchte, dass irgendjemand sie stoppt und in den Arm nimmt und sagt: Jetzt bist du bei mir. Das passiert aber nicht in ihrem Sinne. Und dann geht sie bis zum bitteren Ende.
Können wir uns darauf Alice freuen, dass sie auf der Bühne strippt?
Esther Takats: Ich sage es mal so: Das wird es hoffentlich geben. Ob das eine freudige Sache wird, das ist was anderes. Ich wüsste jedenfalls nicht, dass die Szene gestrichen worden wäre. Auch wenn wir sie noch nicht geprobt haben.
Die Figuren scheinen ja nicht wirklich dazuzulernen. Meine letzte Frage lautet entsprechend: Habt ihr aus der Geschichte irgendwas gelernt?
Tamer Afifi: Was ich wirklich gemerkt habe: Es geht ja nicht nur um zwei Paare, sondern um vier Menschen. Und diese vier Menschen sind sehr miteinander verbunden. In der Wirklichkeit gibt es auch solche ähnlichen Geschichten, dass Menschen so total miteinander verbunden sind. Und wenn einer ausfällt, dann sind die alle nicht mehr da als Gruppe. Es gibt jetzt keine Beziehung zwischen den beiden Frauen oder den beiden Männern, was jetzt natürlich noch interessanter gewesen wäre. Aber irgendwie sind sie sehr abhängig voneinander.
Das Gespräch hat gezeigt, dass die Abhängigkeit der vier Darsteller voneinander offensichtlich noch nicht zu groß ist. Auch ohne ihren Larry hat die Gruppe mir einen interessanten und vergnüglichen Abend bereitet. Wenn sie mit ihrem Stück am 21. Februar in der Bonner Brotfabrik unter der Leitung ihrer Regisseurin Janine Lockwood Premiere feiern, werden sie die Bühne zu viert rocken und sicher dem Publikum einen nicht minder vergnüglichen Abend schenken. Wer sich das nicht entgehen lassen will, am 21. Februar aber nicht nach Bonn kommen kann, hat nur noch am Tag darauf die Chance, dieser sympathischen Spaltertruppe »closer« zu kommen. Für die offizielle nächste Sommerproduktion der BUSC steht William Shakespeares »Twelfth Night« (Was ihr wollt) auf dem Programm.