Cryptid (Staffel 1)
Rezension von Ralf Sandfuchs
Neben den Branchenriesen wie Netflix, Prime Video und Disney+ gibt es in vielen Ländern noch kleinere Mitbewerber im Streaming-Bereich. Dazu gehört zum Beispiel Viaplay, der seit 2007 vor allem in Skandinavien und dem Baltikum tätig ist.
Die Mystery-Serie Cryptid ist eine schwedische Eigenproduktion dieses Anbieters, die sich an Fans von Stranger Things, Riverdale und H. P. Lovecraft wenden soll, und wurde im November 2020 auch in deutscher Fassung veröffentlicht.
Teenager und die Angst vor dem Ding im See
Die erste von zehn Folgen beginnt mit einer Oral-Sex-Szene in der Sport-Umkleide der Schule, doch Sebastian (Oscar Zia), der Empfänger der leidenschaftlichen Zuwendung, explodiert kurz danach bei einem kleinen Gerangel mit seinem Freund Niklas (Julius Fleischanderl) in einer Blutfontäne.
Im Nachhinein geben viele Schüler Niklas die Schuld am Tod des beliebten Sebastian. Ester (Maja Johanna Englander), die Freundin des Beschuldigten, wird hingegen immer nervöser und gereizter, weil sie diejenige war, die kurz vor Sebastians Tod mit ihm zusammen war. Als auch noch Niklas‘ Schwester Lisa (Astrid Morberg) wieder in der Stadt auftaucht, die nach dem Selbstmord der Mutter vor sieben Jahren geflohen war, um der Erinnerung an das schreckliche Erlebnis zu entkommen, überschlagen sich die Ereignisse.
Niklas und Lisa erleben grausige Visionen. Viele davon haben mit dem Bergsee zu tun, in dem ihre Mutter zu Tode gekommen ist, doch auch eine bizarre Figur mit einer Vogelmaske taucht immer wieder darin auf. In der Wildnis ertönen Geräusche, die an das Brüllen eines riesigen Tieres erinnern. Es kommt zu weiteren Todesfällen, die auf bizarre Weise dem Ende Sebastians ähneln, aber anscheinend immer mit dem mysteriösen See zusammenhängen. Irgendwann tauchen sogar einige der Leichen wieder auf, jedoch als Monster, die von neuem Blut und Eingeweide speien.
Seltsame Dinge in einer schwedischen Schule
Dem weiter oben geschilderten spektakulären Einstieg kann Cryptid in seiner ersten Staffel nicht immer gerecht werden. Die Serie erinnert stellenweise an Netflix‘ Hit Stranger Things mit älteren Protagonisten (Riverdale kenne ich leider nicht), gepaart mit stimmungsmäßigen Anleihen am klassischen nordischen Krimi, gewürzt mit ein wenig H. P. Lovecraft. Der Altmeister des kosmischen Horrors wird in einer Folge sogar zitiert mit seinem wohl bekanntesten Zitat, dass die größte Angst des Menschen die vor dem Unbekannten ist (leider stört die Synchronisation diesen Moment, weil die Übersetzung hier nicht wirklich gelungen ist).
Viaplay bezieht sich in seinen Ankündigungen auch auf den Cthulhu-Mythos als Teil des Hintergrunds der Serie, doch wenn man ehrlich ist, ist das eher ein Namedropping, dem man nicht allzu viel Bedeutung beimessen sollte.
Letztendlich bleibt die erste Staffel von Cryptid ein rundes Ende schuldig, wenn auch der Handlungsbogen um die explodierenden Jugendlichen mehr oder weniger durcherzählt wird. Wie dieser jedoch aufgelöst wird, lässt nicht nur genug Platz für eine Fortführung der Serie, sondern ist letztendlich auch ein wenig unbefriedigend, weil mir zumindest nicht immer klar war, wie und warum bestimmte Handlungselemente in den geschilderten Mythos von Cryptid passen. Ob dies nun daran liegt, dass man sich einen Teil der Erklärung für die Fortsetzung aufsparen wollte, oder ob ich irgendetwas verpasst oder nicht verstanden habe, lasse ich mal im Raume stehen.
Große Vorbilder, unausgegorenes Ergebnis
Cryptid besteht aus zehn kurzen Folgen von etwa 22 Minuten und lässt sich somit locker an einem Abend durchgucken. Mehr Zeit kann man mit den DVDs auch nicht unbedingt verbringen, da sie weder Extras noch Kommentarspuren oder ähnliches aufweisen (dass ein Originalton fehlt, ist bei einer schwedischen Serie wohl für die meisten Kunden zu verschmerzen).
Mit den großen, in der Werbung des Anbieters immer wieder bemühten Vorbildern kann Cryptid dabei nicht ganz mithalten, bietet jedoch solide Mystery-Kost mit hierzulande größtenteils unbekannten Darstellern, die ihre Sache jedoch durchaus gut machen.
Somit ist die Serie eine schmackhafte, kleine Zwischenmahlzeit für Freunde der genannten Originale, mit einigen eigenwilligen Gewürzen, um den Geschmack etwas abzuwandeln.
Ich wäre darum auch durchaus nicht abgeneigt, eine eventuelle zweite Staffel zu schauen, um herauszufinden, wie es mit den Überlebenden weiter geht.
Cryptid (Staffel 1) ist am 13. November 2020 als Blu-ray, DVD und Video-On-Demand erschienen.
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der DVD von der Firma Pandastorm Entertainment erhalten.