Das andere Gesicht – die Scham der Gesellschaft
Das junge Theaterkollektiv Filidonia experimentiert sich mit Das andere Gesicht – die Scham der Gesellschaft durch Tabus. Wir waren im Jazzclub Loch in Wuppertal mittendrin dabei.
Ein Theaterbesuch mit Chris und Fabian.
Atmen mit der Vagina
Gerade eben noch haben wir im halbdunklen Raum einen Platz zwischen Bühne, Musikinstrumenten und wenigen Sitzmöbeln gefunden. Jetzt geht das Licht im Loch an, überrascht stellen wir fest, dass wir auf dem Bühnenrand sitzend der Vorstellung den Rücken zudrehen. Wir sind Teil der zweiten Sitzung einer Workshop-Reihe. Wie uns die Kursleiterin versichert sind wir sehr zufrieden mit dem ersten Teil gewesen und deswegen hier. Auf den Sitzen liegen sporadisch Zeichenblöcke und Stifte. „Schreiben Sie auf: Was würde Ihre Vagina zu Ihnen sagen, wenn sie sprechen könnte?“ Die Herausforderung ist groß, wir alle konzentrieren uns auf unsere Vaginas. Alle stehen auf, atmen gemeinsam in ihr weibliches primäres Geschlechtsorgan und beenden so den ersten Akt.
Getanzte und erzählte Tabus
Touristenreisen nach Tschernobyl, unbeholfene Gedanken zur Annäherung an potentielle Sexualpartner, musikalisch geloopte Selbstgespräche vor dem Spiegel zeigen kakophonische Seelenzustände. Das Geschehen wandert aus unserem Blick, nach einigem Zögern zieht das Publikum in einen anderen Raum und wird Zeuge einer Installation. Während man noch überlegt ob der Platz auf der Couch die gewohnte Ruhe eines Zuschauerplatzes bietet oder einen schon Minuten später in den Fokus des Publikums rückt beobachten riesige Bildschirmaugen tänzerische Aktivitäten. Getanzte Annäherungsversuche – Frau an Mann – führen dazu, dass der Tänzer die Tänzerin zu einer Installation im ersten Raum trägt. Diese besteht aus einem viereckigen Metallkäfig mit vier Streben in den Ecken, dessen flacher Boden mit Wasser bedeckt ist. Der Zusammenhang beider Szenen bleibt undeutlich. Wird der Krug zum Brunnen getragen? Das Pferd zur Tränke geführt?
Fast hätten wir es vergessen! Bei unserer Suche nach passendem Ausdrücken für unsere Eindrücke hätten wir beinahe das großartige Musikensemble verschwiegen. Filidonia-typisch ist die musikalische Vorstellung von großartiger Qualität. Sie entwickelt sich zum zweiten Sprachrohr der Inszenierung.
Schämen erlaubt!
Das andere Gesicht – die Scham der Gesellschaft durch Tabus deckt in der Interaktion zwischen Publikum und Filidonia Tabus auf. Die Aufmerksamkeit des Publikum wird geteilt. Während wir die Vorstellung aufnehmen und rezipieren sind wir ungewohnterweise damit beschäftigt, unsere eigene Rolle in der Inszenierung wahrzunehmen und zu hinterfragen. Die offensichtliche Benennung von Tabuthemen sowie die subtile Art der Inszenierung holen uns je nach Neigung und Tagesform voll ab.
Super Artikel. Leider vermisse ich die Künstlernamen;)