Das Zamonien-Ranking: Alle Bände nach Ormgehalt – Teil I
Platz 10 bis 6
Zamonien ist einer der phantasievollsten fantastischen Kontinente der Literatur. Käpt’n Blaubär, Hildegunst von Mythenmetz und Rumo sind bekannt wie bunte Hundlinge, jeder neue Moers wird von Fans und Feuilleton frenetisch gefeiert. Aber wie der Fangemeinde seit einigen Jahren schmerzhaft bewusst ist, schwankt die Qualität der Bände stark. Mit der Zeit haben sich mitunter herbe Enttäuschungen eingestellt. Deswegen ist unser Chefredakteur Fabian der Sache auf den Grund gegangen. Er hat sich durch hunderte Seiten voller Stollentrolle, Buchlinge und Lindwürmer gewühlt wie die Finsterbergmade durchs Gestein und dieses ultimative Ranking erstellt.
Um diese Liste wissenschaftlich zu untermauern haben wir über Dimensionsgrenzen hinweg die Hilfe der zamonischen Professorin Farah Kakapok in Anspruch genommen. Sie hat alle Werke mit ihrem Ormometer untersucht und ist erstaunlicherweise zu den gleichen Ergebnissen gekommen wie Fabian. Aus Transparenzgründen listen wir die Kakapok’sche Ormometer-Anzeige ebenfalls auf.
10. Das Labyrinth der Träumenden Bücher
Das Schlimmste zum Beginn: Mit Das Labyrinth der Träumenden Bücher hat Walter Moers wohl so ziemlich alle seine Fans enttäuscht. Denn im kompletten Buch, auf über 400 Seiten, passiert … nichts. Zumindest nichts interessantes. Hildegunst von Mythenmetz, der schriftstellernde Dinosaurier, kehrt in die Bücherstadt Buchhaim zurück. Hier hat er im Vorgängerroman Die Stadt der träumenden Bücher denkwürdige Abenteuer erlebt. Aber im Nachfolger Das Labyrinth der Träumenden Bücher erlebt er kein Abenteuer sondern findet lediglich ein paar ominöse Hinweise auf obskure Vorgänge, besucht Touristenfallen und besteigt zum Ende eine geheimnisvolle Kutsche. Dieser Cliffhanger wartet mittlerweile seit zwölf Jahren auf seine Auflösung. Moers hat transparent gemacht, dass der Verlag vor Fertigstellung des Buchs auf eine Veröffentlichung bestand, aber das ist ein schwacher Trost.
Dabei ist das Labyrinth gar nicht schlecht. Das als Tourismusattraktion wiederaufgebaute Buchhaim sprüht vor originellen Ideen und die Zeichnungen sind absolut gelungen. Das schlimmste am Buch ist natürlich, das einfach alles den Wunsch zum Weiterlesen bis zum Ende weckt. Ein Ende, auf das wir wohl noch lange warten werden.
Beste Illustration: Froschling im Qualmoir, S. 105 – Unauffällig, aber voll mit kleinen Details, die sehr genau zur Erzählung passen.
Ormometer: 4
9. Weihnachten auf der Lindwurmfeste
Dieses Buch ist eigentlich nur eins: Eine Satire auf Weihnachten. Hildegunst von Mythenmetz schildert die abstrusen Hamoulimepp-Bräuche der Lindwürmer und spiegelt dabei die ganze Unsinnigkeit des irdischen Weihnachtsfestes wieder. Kaufrausch, Völlerei, verordnete Rührseligkeit und der langsam in Vergessenheit geratende religiöse Hintergrund werden von ihm hier auf die Spitze getrieben. Das ist im Grunde nichts Neues, liest sich aber zügig und unterhaltsam – gerade für Menschen, die dem Weihnachtstrubel eh nicht besonders viel abgewinnen können.
Illustriert hat Moers dieses Buch wieder zusammen mit Lydia Rode und es sind auch dieses Mal wieder jede Menge sehenswerter farbiger Zeichnungen entstanden. Allerdings wirken die Tableau-Seiten mit mehreren Gegenständen oder Lebewesen manchmal wie eine Wiederholung von ähnlichen Illustrationen in Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr – gerade Motive wie die Trilobiten-Variationen scheinen verdächtig vertraut.
Beste Illustration: Steinschlag-Schutzhelme, S. 79 – Zamonische Lindwürmer mit bizarren Schutzhelmen, allein schon die Motivauswahl ist fantastisch!
Ormometer: 6
8. Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr
Die erste Zusammenarbeit von Walter Moers mit Lydia Rode geht andere Wege als die bisherigen Zamonien-Bücher. Statt Moers’ schwarzen Strichen und Schraffuren zeigt der Band Rodes zarte Aquarelle. Aber auch ihre Zamonien-Illustrationen bilden die typischen seltsamen Kreaturen und unwirklichen Landschaften ab, nur halt in einem anderen Stil. Die Lektüre dagegen erzeugt Déjà-vus. Schon wieder ein zamonisches Märchen, erzählt von Mythenmetz. Schon wieder eine Reise in ein Gehirn – die dritte in einem Zamonien-Roman. Schon wieder ein unsympathischer kleiner Gnom, der die Protagonistin triezt – statt eines Stollentrolls ist es diesmal ein Nachtmahr. Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr war eine Enttäuschung für viele Zamonien-Fans, die mit einem weiteren Zamonien-Roman gerechnet hatten. Stattdessen gab es ein zamonisches Kunstmärchen ohne mythenmetzsche Abschweifungen. Lesbar, aber möglicherweise der unzamonischste Zamonien-Roman.
Beste Illustration: Amygdala, S. 264-265 – Die seltsame Stadt, in der die Angst wohnt.
Ormometer: 7
7. Die Insel der Tausend Leuchttürme
2023 atmete die Zamonien-Fangemeinde auf: Endlich ein neuer Moers – endlich wieder in Romanlänge! Tausende ließen sich nicht vom Preis (42 Euro) abschrecken und verschlangen das Buch direkt nach dem Erscheinen. Die Insel der Tausend Leuchttürme ist ein Briefroman aus der Feder von Mythenmetz, der seine Erlebnisse auf der Insel Eydernorn schildert und in Briefen an seinen eydeetischen Freund Hachmed Ben Kibitzer verfasst. Mythenmetz weilt zur Kur auf der Insel, wird aber bald in eine seltsame Verschwörung um ihre 111 Leuchttürme und eine bösartige Kraft hereingezogen.
Hier ist endlich wieder die ganze Packung Zamonien im Buch. Der hypochondrische neugierige Schriftsteller Mythenmetz erkundet die ganze Insel mit ihrer absonderlichen Fauna, Flora und Kultur. Tiefer und tiefer gerät er in einen geheimnisvollen Kampf mit einem Wesen lovecraftscher Ausmaße, bis relativ überraschend alles in einer kataklysmischen Katastrophe mündet. Die Insel der Tausend Leuchttürme endet relativ abrupt, ohne dass Mythenmetz dem Monströsen von alleine auf die Spur kommt. Stattdessen gibt es eine ausführliche Erklärung durch eine bescheidwissende Nebenfigur und einen Showdown, der den Lindwurm-Protagonisten zum Zuschauer degradiert. Der eine oder andere Handlungsstrang läuft dann auch ins Leere und lässt mich als Teil des Lesepublikums etwas enttäuscht zurück. Zudem wiederholen sich altbekannte Motive: Wieder einmal kommuniziert eine außerirdische Bedrohung ihre Reise durch den Kosmos telepathisch, erneut ist eine legendäre Kreatur ein missverstandenes Monster. Aber immerhin hat mich das Kraakenfieken sehr zum Lachen gebracht und die Illustrationen sind wahrhaft sehenswert.
Ormometer: 9
Beste Illustration: Schreckse Izanea Anazazi, S. 389 – Das Portait einer schrundig-schuppigen Schreckse, schauderhaft-schön.
6. Der Bücherdrache
Der Bücherdrache beginnt ungewöhnlich: Mit mehreren Comicseiten, auf denen der Autor Hildegunst im Traum auf den Buchling Hildegunst Zwei trifft. Der erzählt ihm die Geschichte seiner Begegnung mit dem Bücherdrachen, also den eigentlichen Romananteil des Buchs. Darin hält Hildegunst Zwei die belesene Echse zunächst für einen Mythos, aber dann wagt er sich aufgrund einer Mutprobe doch in den Ornsumpf und begegnet dort dem Drachen namens Nathaviel. Der ist zunächst freundlich, aber im Lauf des Gesprächs wird bald klar, dass auch belesene Drachen gefährlich sind.
Buchhaim, immer wieder Buchhaim. Moers zieht es beständig zurück in die Stadt der Folianten, Schinken und Wälzer. Und auch wenn das Lesepublikum die lederne Grotte und den Ornsumpf schon aus Die Stadt der Träumenden Bücher kennt, erweitert die Geschichte um Nathaviel den zamonischen Kosmos. Der ormische Drache mit seinen Bücherschuppen hat einfach eine faszinierende Geschichte, die schon wieder mehr wie ein Auftakt als wie eine abgeschlossene Erzählung wirkt. Am Ende wird eine zweite Begegnung von Hildegunst Zwei mit dem Buchdrachen angedeutet und der Comic-Hildegunst fragt das Lesepublikum direkt: „[…] fängt ihre Geschichte hier erst richtig an?“, eine Abwandlung des Zitats „Hier fängt die Geschichte an.“ aus den Buchhaim-Romanen. Wie schon öfter in dieser Liste muss das Fazit also lauten: Etwas zu kurz, etwas zu früh beendet – aber fantastisch.
Ormometer: 10
Beste Illustration: Buchling im Ornsumpf, S. 46 – Das detailreiche Tableau einer fremdartigen Landschaft. Mitten drin ein tapferer kleiner Buchling.
Das waren die Plätze 10 bis 6 in unserem großen zamonischen Buch-Ranking – passt das zu euren Orm-Messungen oder seht ihr das anders? Bald geht es weiter!