Der Manitou
Rezension von Ralf Sandfuchs
In den Siebzigern waren übernatürliche Horrorfilme nach Mega-Erfolgen wie Der Exorzist und Das Omen ein Genre, von dem das Publikum scheinbar nicht genug bekam. Nun konnte man zwar einfach die bereits bekannten Muster einfach abkupfern und zu einem „neuen“ Film machen, aber manche Produzenten suchten auch nach originelleren Methoden, sich an diesen Trend anzuhängen. Eins der Ergebnisse eines solchen Versuchs war Der Manitou.
Ein außergewöhnliches Geschwür
Der angebliche Wahrsager Harry Erskine (Tony Curtis) trifft seine ehemalige Freundin Karen Tandy (Susan Strasberg) wieder, die an einem seltsamen Tumor im Nacken leidet, der in rasender Geschwindigkeit wächst. Nach einigen Untersuchungen sind sich die Ärzte sicher, dass es sich dabei um einen Fötus handelt.
Da sich danach in seinem Umfeld die unerklärlichen Vorkommnisse häufen, wendet sich Harry an einige Zigeunerfreunde1 sowie an einen Experten für indianische Mythen. Es wird immer klarer, dass nur ein Medizinmann noch helfen kann, da der Fötus im Nacken wahrscheinlich ein Manitou ist, der Geist eines Schamanen, der auf diese Art wiedergeboren werden will.
Zusammen mit dem Medizinmann John Singing Rock (Michael Ansara) stellt sich Harry seinem Gegner: Misquamacus, wahrscheinlich einer der mächtigsten Manitous überhaupt, der wieder in die Welt drängt.
Ein … außergewöhnlicher Film
Wer nach der Lektüre des gerade beschriebenen Plots meint, dass Der Manitou wohl kein vergessenes Meisterwerk der Filmgeschichte ist, der wird nach dem Ansehen des Streifens konstatieren, dass das Werk noch heftiger ist, als er angenommen hat.
Denn was das Drehbuch schon an Absurditäten bereithält, wird durch die Inszenierung noch wahrlich übertroffen. Die übernatürlichen Momente sind teilweise absolut willkürlich in die Handlung eingestreut, und das Ende, bei dem ein Krankenzimmer sich plötzlich in eine Weltraumszenerie à la Krieg der Sterne verwandelt und das vor unerklärbaren Momenten nur so strotzt, kann man kaum beschreiben, ohne hysterisch zu kichern.
Der Manitou wirkt heute eher wie ein SchleFaZ (wer das nicht kennt, siehe www.schlefaz.de (Archivlink)), also ein Film, der so schlecht und absurd ist, dass er allein deshalb schon wieder gut ist. Man muss bereit sein, sich auf den immer wieder auftretenden Unsinn einzulassen, der einem hier geboten wird, um seinen Spaß an dem Film zu haben.
Dafür spricht auch, dass Der Manitou in verschiedenen Edition unter anderem unter den Titeln Super-Zombie: Die Geburt des Grauens, Lasersturm oder Geburt des Dämons erhältlich war. Ja, das sind Filmnamen, die für Qualität bürgen …
Dabei muss man jedoch attestieren, dass die Darsteller ihren Job sehr anständig und professionell machen. Tony Curtis mimt den schmierigen Betrüger mit offensichtlicher Spielfreude und mancher spöttischen Einlage, und Michael Ansara macht als Medizinmann eine absolut achtbare Figur, vor allem, wenn er manchen übernatürlichen Mambojambo mit todernster Miene rüberbringt. Nur Susan Strasberg wirkt (vor allem am Ende) ein wenig überzogen, was dann aber auch irgendwie passend erscheint.
Die Qualität der Trickaufnahmen schwanken zwischen überzeugend und lächerlich, und auch beim Treppensturz einer älteren Dame ist es schmerzhaft offensichtlich, dass hier ein Stuntman die Stufen hinabfällt. Der Soundtrack hingegen, aus der bewährten Feder von Lalo Schifrin, donnert angemessen pseudo-indianisch aus den Boxen.
Eine leider recht gewöhnliche Edition
Das vorliegende Mediabook wartet mit einer Blu-ray und einer DVD des Films auf, die sich nur in den Extras leicht unterscheiden.
Leider hat Koch Media sich nicht die Mühe gemacht, das Material neu abzuscannen, sondern vermutlich einen vorhandenen Master benutzt. Dadurch ist die Bild- und Ton-Qualität beider Discs nicht gerade berauschend und wirkt teilweise wie von einer VHS-Cassette abgespielt. Immerhin ist das Bild im Breitband-Format gehalten und nicht im kastrierten 4:3 älterer Versionen. Trotzdem, schade um die vertane Chance auf eine wertigere Aufbereitung.
An Extras weisen beide Discs ein besonders interessantes Interview mit Graham Masterton auf, dem Roman der Romanvorlage, der nicht nur über den Film an sich spricht, sondern auch eine interessante Retrospektive über seine Arbeit als Autor von Sex-Ratgebern (!) und Romanen bietet.
Dazu kommen Interviews mit dem Produzenten und dem Effektkünstler des Films, sowie Trailer und eine Bildergalerie. Ich persönlich liebe ja die Art, wie damals Filme in Trailern präsentiert wurden, vor allem mit den markanten Sprechern aus dem Off, und werde gerne daran erinnert.
Die Blu-ray weist außerdem noch eine dreiteilige Super-8-Version in noch schlimmerer Qualität auf, so dass man den Film nochmal auf die Hälfte eingedampft sehen kann.
Da mir zur Rezension nur die Discs an sich vorliegen, kann ich nicht sagen, ob es noch ein Booklet oder ähnliches gab.
Was soll man abschließend zu diesem Film sagen? Letztendlich haben wir es mit einem Film zu tun, bei dem sich Produzent, Drehbuchautor und Regisseur William Girdler mit dem Versuch, einen übernatürlichen Film der etwas anderen Art zu drehen, irgendwie verhoben hat. Der Manitou stellt somit eher eine Kuriosität der Siebziger dar, ein Film, der heute nie mehr so gedreht würde, allein schon wegen der Art und Weise, wie jede andere Ethnie von einem dunkel geschminkten Weißen gespielt wird.
Vor diesem Hintergrund sollte er vor allem als Zeitdokument gesehen werden. Wer sich an einem solchen Streifen erfreuen kann und keinen zweiten Omen oder Exorzist erwartet, der kann sich auf diese irrwitzige Reise in die Welt der Indianer-Geister einlassen.
Ich persönlich hatte jedenfalls sehr viel Spaß mit Misquamacus und seinem Versuch, vom Nacken einer Frau aus die Welt zu zerstören.
Der Manitou ist am 30. April 2020 als Mediabook erschienen.
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar des Mediabooks von der Firma Koch Media erhalten.
- Wir haben uns hier bewusst für das Wort „Zigeuner“ entschieden, da die dargestellten Figuren den antiziganistischen Klischees über Roma, Sinti und ähnliche Gruppen entspricht, die wir aus dem Horrorgenre kennen und die unsere Vorstellungen gerade mit dieser Begrifflichkeit nachhaltig geprägt haben. Mehr zum Begriff unter www.zentralrat.sintiundroma.de/sinti-und-roma-zigeuner ↩