Die Philosophie des HipHop – Jürgen Manemann, Eike Brock
Auf der ersten Blick scheinen Philosophie und HipHop nicht unbedingt zusammen zu passen. Auf den zweiten, speziell dieses Buch lesenden, Blick gibt es kaum eine bessere Verbindung.
Ich gebe kein Fick, ich lese kein Buch
Was haben Megaloh, Sookee und Spax gemeinsam? Richtig, sie sind HipHop-Künstler*innen. Und, neben Prof. Dr. Christopher Driscoll, Prof. Dr. Monica Miller, Prof. Dr. Anthony Pinn und Prof. Dr. Lissa Skitolsky, Co-Autor*innen des neu erscheinenden Werkes Die Philosophie des HipHop – Performen, was an der Zeit ist.
Dieses versammelt in insgesamt 18 Kapiteln Texte, Kommentare, Gespräche und Songzeilen unterschiedlicher Rapper*innen und Wissenschaftler*innen, um der Frage nachzugehen, was die Philosophie des HipHop eigentlich ist.
I Am Hip Hop
Dazu werden nicht einfach schnöde Kapitel an Kapitel gehängt. Nein, es wird, wie im HipHop üblich, zitiert, collagiert und gesampelt. Zusätzlich wird direkt am Anfang darauf hingewiesen, dass dieses Buch „aktiv“ gelesen werden muss, um in eine entsprechende „Denkbewegung“ hineinkommen zu können. Und es wird auch nicht „über Philosophie oder über HipHop aus der Position des Besserwissers gesprochen“. Jürgen Manemann stellt ebenso fest, dass es in diesem Kontext „nicht talking philosophy“ heißen kann, „sondern nur doing philosophy“. HipHop ist also einfach gesprochen, nichts Anderes, als aktives Philosophieren, denn „die Philosoph*in ist jemand, die immer wieder neue Fragen stellt, auf Probleme aufmerksam macht.“
Ich bin kein Loser
So wird auch nur teilweise auf die Geschichte der Philosophie oder des HipHop eingegangen, dafür aber der viel wichtigere Jetzt-Zustand behandelt. Welche gesellschaftlichen Missstände gibt es, wer wird ausgeschlossen, was gibt es zu tun? Dafür wird Angel Haze Nietzsche gegenübergestellt, mehrfach Judith Butler einbezogen und von Grandmaster Flash über Eminem bis hin zu Schwester Ewa ein immenser zeitlicher und stilistischer Bogen geschlagen. Goethe, Marx, Sartre – Sie kommen ebenfalls alle vor. Und dazwischen Naughty by Nature.
HipHop heißt wissen, was ungerecht ist
Was nach einer wilden Mischung klingt, ergibt beim Lesen vollkommen Sinn. Denn die Kritik an der Leistungsgesellschaft findet nicht nur in geschlossenen Hörsälen statt, sie wird auch, wenn nicht sogar hauptsächlich, auf der Straße ausgetragen. Die Leserschaft erfährt in diesem Zusammenhang, wofür eigentlich Rap-Battles stehen, was es mit Breakdance auf sich hat und warum intersektionale Perspektiven nicht nur für Geisteswissenschaften immens wichtig sind.
If I Had A Dick
Besonders hervorzuheben ist auch, dass, neben zahlreichen Passagen über Frauen und Sexismus im HipHop, in fast allen Texten darauf geachtet wird, keine ausschließende oder unterdrückende Sprache zu verwenden. Wie oben im Zitat zu lesen, wird zur Einbeziehung aller Geschlechter ein Sternchen* eingefügt. Auch Rand-Themen wie Nationalismus im Rap oder Homosexualität und HipHop werden angesprochen. Erstaunlicherweise wirkt das Buch, trotz der Vielzahl an Themen, nicht überladen. Stellenweise passen sie sogar perfekt zueinander oder gehen nahtlos ineinander über. Die Philosophie des HipHop ist nicht einfach nur ein Sammelband unterschiedlicher Positionen, es ist vielmehr der geglückte Versuch eines Standard-Werkes, welches in keiner Philosphie-Vorlesung mehr fehlen sollte.
Disclaimer: Fischpott hat ein Rzensionsexemplar des Buches vom Transcript Verlag erhalten. Philosophie des Hip Hop ist auf der Verlagsseite zu bestellen.