Die Sinnlichkeit des Schmetterlings
Na schön, worum geht‘s? Kinobesucher fühlen sich kommod, wenn sie Inhalt und Genre eines Films kurz benennen können, und sei es, um ohne viel Aufhebens einen Begleiter für den Abend zu gewinnen. Bei der „Sinnlichkeit des Schmetterlings“ wird das zu einem richtigen Problem. Irgendwie ist es eine Romanze, aber eine dramatische. Die Schmetterlinge spielen eine Rolle, das schon. Dann gibt es aber diesen Jungen Fin und seinen Vater Al, die nicht jeden Dialog in Seelenruhe austragen. Eine Mutter gab es, klar, nur ist sie tot, wenngleich nicht in der Phantasie des Jungen, der ihren Geburtstag wie zu Lebzeiten feiert. Fin verfällt im Rausch seiner Träume der aberwitzigen Idee, die feengleiche Blumenhändlerin und Ex-Showtänzerin Evelyn barbusig zu fotografieren, bald wissend, dass sein Vater es ebenfalls auf diese Frau abgesehen hat und dass sie zu allem Überfluss die Schwester der verstorbenen Mutter sein könnte. Weil solche Vertracktheit nicht reicht, überlässt der Junge das Entwickeln der Fotos – es war eine analoge Kamera – einem Mädchen seines Alters, das mit den Aktfotos moralisch überfordert ist und in mancher Hinsicht viel besser für Fins pubertäre Amouren geeignet wäre.
Worum also geht es? Vielleicht darum, dass sich die schönsten und abenteuerlichsten Dinge des Lebens nicht mit einem Etikett bekleben lassen. So passiert, in traumhaften Bildern, exakt das, was ein Mann im besten Alter sich wünscht: Al fährt im türkisfarbenen Riesencabrio bei der hinreißenden Blumenlady im Fifties-Look vorbei, sie macht ihm das Flirten so leicht, wie Parship es in seiner Werbung verspricht. „Ich war immer nur mit Männern zusammen, die mich nicht gesehen haben“, gesteht Evelyn bei solcher Gelegenheit. Ja, nä, is klar. Auf solch einer gut eingeseiften Piste kann Al eigentlich nur Treffer versenken. Aber er schleppt Altlasten mit sich herum, nicht nur die verstorbene Ehefrau und den eifersüchtigen Sohn, sondern auch Studentin Shelley, die er, immerhin als ihr Prof, diverse Male genagelt hat. Wobei Shelley als sexbesessene, gierige Hydra das genaue Gegenstück von Evelyn ist.
In der Klemme
Doch sei nicht zu viel der Handlung und Charaktere verraten. Vielmehr soll gesagt sein: Der Mann steckt in der Klemme. Sein Sohn steckt in der Klemme. Und Zug um Zug versteht man, dass auch Evelyn und Shelley in der Klemme stecken. Nur weiß man über 93 Minuten hinweg nie so richtig, warum Dinge geschehen und wozu sie am Ende führen. Vielleicht ist das ja überhaupt die Quintessenz des Lebens und hier endlich einmal filmisch umgesetzt, denn Kino folgt gemeinhin einer Logik, das Leben eher nicht. Einer gönnt dem anderen nichts, zerstört ihm sein Glück und ist dann entsetzt, dass etwas kaputt gegangen ist. Kriegt die Sache ein Happy End? Man weiß es nicht und kann nur raten. Und im Abspann liest man, dass der Film allen Überlebenden einer Brustkrebserkrankung gewidmet ist.
Was sich nun vielleicht nach einem kopflosen Machwerk anhört, ist letztlich anrührendes Kino in schönen Bildern. Eine einfach erzählte Geschichte, in die man versinken und sich im Herzen mehr als im Kopf angesprochen fühlen kann. Irgendwie eine neue Leinwand- oder Monitorerfahrung und deshalb rundum sehenswert.