Die Wand
Von Menschen und Tieren
Das Ende der Menschheit kommt gewöhnlich mit viel Dramatik daher: Nukleare Explosionen, tödliche Seuchen, Kometeneinschläge oder Alien-Invasionen. Im Roman »Die Wand« von Marlen Haushofer ist das Ende subtiler, fast schon dezent. Die Verfilmung von Regisseur Julian Roman Pösler ist seit Donnerstag in den Kinos zu sehen.
Eine Frau (Martina Gedeck) wird abgeschnitten von der Welt. Zu Besuch in der Berghütte eines befreundeten Paares wird sie auf einmal von einer unsichtbaren, undurchdringlichen Wand eingeschlossen. Das menschliche Leben – das wenige, das sie sehen kann – außerhalb der Barriere erstarrt. Sie gibt nicht auf sondern überlebt mit Hund, Kuh und einem ganz pragmatischen, untriumphalen Überlebenswillen. Zwei Jahre lang begleitet der Kinozuschauer ihr Überleben.
Es geht in »Der Wand« nicht um das Ende der Menschheit. Es geht – nicht nur, aber auch – um die Beziehung des Menschen zur Natur, vor allem zum Tier. Dabei wird trotz aller schöner Landschaftsbilder kein romantisch-verkitschtes Naturbild aufgebaut. Tiere werden mühsam zur Welt gebracht und verlassen diese wieder. Die Frau passt sich der Natur an und führt ein Leben als Jägerin und Ackerbäuerin.
Postapokalyptische Robinsonade
Der unglaublich packende Roman ist akribisch umgesetzt worden. Eine wirkliche Modernisierung mit Handys oder GPS-Empfängern hat der Regisseur vermieden. Aber all diese Elemente sind verzichtbar. Es würde sich ohnehin nichts ändern – weder am Schicksal der Protagonistin noch an ihrer Geschichte. Die hören die Kinobesucher als erzählenden Kommentar aus dem Off. Es stellt sich die Frage, ob ein cinematischeres Vorgehen – weniger erzählen, mehr zeigen – nicht schöner gewesen wäre. Auf jeden Fall wäre es ein großes Wagnis gewesen und immerhin kriegen wir so auch noch Passagen aus dem Roman zu hören.
Schade, dass nichts von der Wand zu sehen ist. Klar, sie ist unsichtbar, aber zum Beispiel verläuft sie im Film direkt neben einem See und es ist nicht zu sehen, ob sie diesen teilt oder überhaupt verändert. Diese kleine Neugier hätte der Film schon befriedigen können. Dafür wird jedes Aufeinandertreffen der Protagonistin mit der Wand akustisch untermalt, so dass wir die bedrohliche Ausstrahlung der endgültigen Barriere auch im Kinosaal spüren können.
Tiefgang im Gebirge
Vielleicht soll so aber nur verdeutlicht werden, dass eben nicht die Wand selbst wichtig ist, sondern nur ihre Folgen. So wie die Zombies in einem typischen Genrefilm die Gruppe der Überlebenden zusammenschweißen, so zwingt die Wand der Frau ein Robinsonleben auf. Außerdem wertet die Unkonkretheit natürlich die Metaphorik – unsichtbare Wand trennt einen Menschen von der Gesellschaft – mit all ihren Implikationen auf.
Dabei ist das nur einer von geschätzten Tausend Aspekten im ganzen Film – das Verhältnis von Leben und Tod, Gesellschaft und Individuum, Kain und Abel, Tier und Mensch – im Grunde findet sich alles wieder. Aber ich schreib schon wieder viel zuviel. Lasst euch nicht von meinem intellektuellen Geschwurbel abhalten und schaut euch Die Wand an. Wenn ihr auch mal einen etwas ruhigeren Film sehen könnt und gelegentlich über Dinge von Belang nachdenkt, kann’s echt nicht schaden.
Nur eins solltet ihr ignorieren: Den furchtbaren, nach den schlimmsten deutschen Frauenbands der Neunziger klingenden Song, der im Film dreimal (und damit dreimal zu oft) angespielt wird. Der ist einfach nur grottig. Zum Glück kann er die »Die Wand« aber nicht verderben.
Video-Link: http://youtu.be/0GWjp65R3zo