Django Unchained
Wenn es einen Namen in Hollywood gibt, der das Wort ‚Kult‘ förmlich atmet, ist es Quentin Tarantino. Zitate aus Filmen wie Pulp Fiction oder Kill Bill sind heute ein selbstverständlicher Teil unserer Popkultur, ohne dass Tarantino jemals Kompromisse einging. Nach der preisgekrönten Nazimär »Inglorious Basterds« hat der umstrittene Filmfanatiker nun eine Hommage an den Italo-Western gedreht.
1858, tief im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika: Django (Jamie Foxx) ist ein Sklave, der von seiner geliebten Frau Broomhilda von Shaft (!!) (Kerry Washington) getrennt wurde. Da befreit ihn Dr. King Schultz (Christoph Waltz), ein meisterhafter Kopfgeldjäger aus Düsseldorf (!!!!). Der Grund: Django soll ihm dabei helfen, die gesuchten Brittle-Brüder zu finden, zu identifizieren und zu töten. Im Gegenzug verspricht Schultz ihm nicht nur die Freiheit, sondern erklärt sich dazu bereit, Django auf der Suche nach seiner Frau zu helfen. Die Spur führt das ungleiche Paar auf die Farm des frankophilen Plantagenbesitzers Calvin Candie (Leonardo DiCaprio). Dann wird es blutig. Ende.
Filmfreaks hatten schon immer ihre reine Freude den Werken Tarantinos, boten seine Filme doch ständig Anlass für einige heitere Runden Zitateraten. Seine Werke sind gespickt mit Elementen aus seinen Lieblingsfilmen, vornehmlich aus Exploitationfilmen der Grindhouse-Ära oder auch dem asiatischen Kampfkunstkino. »Django Unchained« ist nun, wie der Titel bereits verspricht, Tarantinos groß angelegte Hommage an den Italo-Western. Dabei ist der Film jedoch kein Sequel oder Remake der legendären Django-Filme von Sergio Corbucci, auch wenn Hauptdarsteller Franco Nero sich zu einem kleinen Cameo hinreißen lässt. Django Unchained ist ein eigenständiger Film, der inhaltlich nicht viel mit der Klassiker-Reihe über den einsamen Helden mit seinem Maschinengewehr zu tun hat.
Sklaverei und Monty Python
Stattdessen greift Tarantino in Django Unchained das heikle Thema Sklaverei in Amerika im 19. Jahrhundert auf – wer nun jedoch eine dokumentarische oder sentimentale Auseinandersetzung mit der grausamen Thematik à la »Amistad«, »Die Farbe Lila« oder »Lincoln« sucht, der hat höchstwahrscheinlich noch nie in seinem Leben einen Film des Regie-Exzentrikers gesehen. Wie schon in Inglorious Basterds nutzt er vielmehr die düstere Ausgangssituation für eine fiktive Geschichte rund um sein Lieblingsthema: Rache. Trotzdem werden selbst QT-Kenner überrascht sein, denn dieser würzt seinen selbsternannten ‚Spaghetti-Southern‘ mit deutlich mehr Humor als üblich. Bizarrer Höhepunkt des dunklen Märchens ist eine an Monty Python erinnernde Szene, in der eine frühe Vorstufe des Ku-Klux-Klans die Attacke auf die beiden Protagonisten unterbricht und minutenlang über ihre Kapuzen mit viel zu kleinen Gucklöchern debattieren (und als wäre das noch nicht genug, gibt es hier auch noch ein Jonah »Superbad« Hill-Cameo). Trotzdem wirkt der Humor nie unpassend oder albern, die lustigen und ernsten Momente halten sich die Waage.
Die Story wirkt für einen Tarantino-Film überraschend gradlinig erzählt. So wird beispielsweise auf die übliche Kapiteleinteilung oder auf stilisierte Freeze-Frames verzichtet und durch eine verhältnismäßig traditionelle Erzählweise ersetzt. Auf der Candieland-Plantage wird die Spannung schrittweise unerbittlich angezogen, bis es schließlich zur unausweichlichen Eskalation kommt. Leider geht dem Film nach diesem verfrühten Showdown etwas die Luft aus. In der letzten halben Stunde werden die losen Storyenden aufgegriffen und zu einem befriedigenden Abschluss gebracht, aber sein eigentliches Pulver hat Tarantino in der Candieland-Ranch im wahrsten Sinne des Wortes verschossen. Beklagen mag man sich trotzdem nicht, denn immerhin kommen wir danach noch in den Genuss des obligatorischen Cameos von Tarantino selbst.
Katharsis vs. Cartoon – Hauptsache Blut
Dem Thema Sklaverei wird zwar nicht gerade mit historischer Authentizität, zweifellos aber mit Respekt begegnet. Hier unterscheidet Tarantino in seiner Gewaltdarstellung: Die Gewalt gegen die Sklaven wird brutal und realistisch dargestellt, während die ‚kathartische‘ Hinrichtung der Bösen schnell in den Kill-Bill-Modus wechselt: Explodierende Kunstblutpäckchen, meterhoch spritzende Fontänen und grandios überzogene Tode sorgen für ein Finale, das in Sachen Fun-Splatter seinesgleichen sucht. Die FSK scheint hier entweder einen besonders gnädigen Tag gehabt zu haben, denn Django Unchained erhielt in Deutschland erstaunlicherweise lediglich den ‚Freigegeben ab 16‘-Stempel. Vielleicht hatten die Prüfer einfach zu viel Spaß an dem Film. Eine Warnung muss Fischpott allerdings aussprechen: Wer versucht, ein Trinkspiel zu dem Film zu machen und jedes Mal einen zu heben, wenn das Wort „Nigger“ verwendet wird, der wird diesen Abend mit Sicherheit nicht überleben.
Erneut überschreitet Tarantino mit 165 Minuten Laufzeit die Zwei-Stunden-Marke um Längen – und doch fühlt sich der Film bis auf die letzte Viertelstunde nie zu lang an. Die Dialoge sind meisterhaft und pointiert, die Bildkomposition ist sowieso über jeden Zweifel erhaben und die Musik wurde wie üblich vom Meister selbst ausgewählt: Von herrlichen Retro-Songs wie das klassische »Django« von Luis Bacalov oder »Ain’t no grave« von Johnny Cash über exklusive Kompositionen des Western-Spezis Ennio Morricone höchstpersönlich bis hin zu interessanten wenn auch leicht überladenen Remix-Experimenten von Tupac und James Brown – immer unterstützt die Musik die jeweilige Szene und bildet so ihr eigenes erzählerisches Element. Manchmal wirken die Szenen dann doch etwas zu vollgestopft und es entsteht der flüchtige Eindruck, dass Tarantino wirklich alles aus seiner Playlist im Film verwenden wollte – störend wirkt es glücklicherweise nicht wirklich.
Oscarreife Schauspielleistungen
Tarantinos absolute Wunderwaffe heißt Christoph Waltz. Dieser stielt in der Rolle des King Schultz erneut allen Beteiligten die Show – inklusive des Hauptcharakters. Waltz taucht völlig in den höflich-gebildeten aber auch skupellosen Charakter ein und spricht seine Passagen so gekonnt und fließend, dass es (auch in der synchronisierten Fassung) eine wahre Freude ist, ihm zuzuhören. Tarantino hat ihm die Figur auf den Leib geschrieben und das merkt man. Waltz hat eine unfassbare Leinwand-Präsenz, die seinen Part erneut oscarwürdig macht, dem Film allerdings an manchen Stellen fast schon zum Verhängnis wird. Denn der eigentliche Protagonist Django aka Jamie Foxx wird dadurch völlig überstrahlt. Zudem will man Jamie Foxx trotz gelungener schauspielerischer Leistungen den ‚Bad Motherfucker‘ nicht ganz abkaufen – ein Michael K. Williams wäre hier überzeugender gewesen.
Gelegenheiten zu glänzen bekommt hingegen Leonardo DiCaprio. Der vielfach unterschätzte Schauspieler erreicht als Bösewicht zwar nie die Intensität von Hans Landa aus Inglorious Basterds, doch ihm gelingen einige bedrohliche Momente. Vor allem aber hat er merklich Spaß an seiner Rolle und kostet sie mit sympathischem Over-Acting voll aus. Samuel L. Jackson blüht ein weiteres Mal unter Tarantinos Regie auf und liefert in der Rolle des mysteriösen Hausdieners Stephen eine absolute Glanzleistung ab. Sein Charakter ist zwielichtig und verschlossen, brodelt gleichzeitig jedoch vor Gefahr. Tatsächlich hätte Fischpott gerne mehr über seine Hintergründe und Motivationen erfahren, die bleiben allerdings überwiegend im Dunkeln. Kerry Washington bleibt als Broomhilda von Shaft trotz des extravaganten Namens (mit Anspielungen auf das Nibelungen-Lied sowie auf die ikonische Blaxploitation-Figur aus den 70ern) sehr blass, was auch daran liegen mag, dass Tarantino, sonst eigentlich immer ein Garant für starke und interessante Frauen-Figuren, ihr nicht besonders viel zu tun gibt, außer die klassische Damsel in Distress zu mimen.
Django Unchained ist trotz seines ernsten Grundthemas ein extrem spaßiger Film für Erwachsene geworden. Erneut zeigt Tarantino seine Fähigkeiten als Regisseur, verzichtet jedoch angenehmerweise auf ablenkende Gimmicks. Sein Film ist eine wunderbare Hommage an die Klassiker des Italo-Westerns und tappt gleichzeitig nicht in die Falle zum selbstverliebten Zitatefest à la »Death Proof« zu werden. Getragen wird Django Unchained von seinen grandiosen Schauspielern, allen voran ein sich selbst übertreffender Christoph Waltz. Die Gags sitzen, die Story ist mitreißend und intensiv und das Finale zahlt sich absolut aus. Alles Zutaten für einen neuen Kultfilm eines bewährten Kultregisseurs.
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