Ein Gauner und Gentleman
Butch Cassidy und Sundance Kid, hernach Der Clou. Robert Redford traf Paul Newman – Weltklasse und amüsant obendrein. Dann Die Unbestechlichen, Jenseits von Afrika, Der Pferdeflüsterer. Redford war der immer gleiche Typ, der auf faszinierende Weise immer anders wirkte, ein Phänomen der Schauspielkunst und ein blond-blauäugiger Strahlemann für das große amerikanische Bilderbuch. Aber spätestens bei dem quälend langatmigen Segler-Drama All is lost stellte sich 2013 der Verdacht ein, dass der alternde Star einen menschlichen Schiffbruch inszenieren möchte. Wenn es dort nicht schon gelang, dann besteht nochmals die Chance bei Ein Gauner und Gentleman von Regisseur David Lowery.
Der Plot wabert um einen Realverbrecher im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und Dummheiten. Dieser Gauner, Forrest „Woody“ Tucker, beging als Teenie die ersten Straftaten, landete wieder und wieder im Knast, legte eine Flucht nach der anderen hin, sogar aus Alcatraz und St. Quentin. Zehn Filmminuten sind vergangen, als der 4. August 1981 eingeblendet wird. Der echte Tucker war damals 61 Jahre alt – und damit beginnt die Peinlichkeit. Denn Redford hat in dieser Sequenz 20 Jahre mehr auf dem Buckel, besitzt Falten und Furchen wie ein Elefant am Steiß und spielt sein Blendwerk vor allem über die dritten Zähne aus. Nichts gegen Greise, wohl aber gegen Facelifting und Etikettenschwindel. Da zieht auch die wundervolle Filmpartnerin Sissy Spacek mit, die man vor allem aus Badlands und Carrie in Erinnerung hat und jetzt doch lieber authentisch gealtert erleben würde.
Authentisch und ungeschönt bleiben Tom Waits und Danny Glover in Nebenrollen als Waller und Teddy. Nur versteht man nicht, inwiefern sie eine Rolle bei Tuckers Coups spielen. Moralische Stützen? Oder einfach nur die Jungs, die damals eben dabei waren und von denen heute auch keiner mehr weiß, warum sie eigentlich dabei waren?
Das ist es nun mal, die Dinge wabern. Redford hangelt sich mit wenig Biss von Überfall zu Überfall, Casey Affleck als der Bulle John Hunt tapert ihm hinterher, im Tempo auch nicht spritziger als sein kriminelles Opfer. Aber gut, man kann das alles auch als herrlich unaufgeregt hinnehmen und sich dann einfach nur den Bildern widmen. Da ist etwa das ewig dengelnde Hörgerät, das keines ist. Stellt man sich vor, dass ein U30-Zuschauer im Kinosaal sitzt – was eher unwahrscheinlich sein dürfte –, dann weiß man gleich, dass der nicht stutzt, sondern intuitiv Hörkontakt zum Smartphone vermutet. Das gab’s aber 1981 noch nicht, dafür Mikrofilme und ihre Scanner, bei denen eben diesem Zuschauer doch die Kinnlade herunterklappt.
Tuckers Knopf im Ohr war Realität, er verfolgte darüber den Polizeifunk, um gewappnet zu sein. Zugleich macht er alle Anstalten, sich schnappen zu lassen. Eine der schönsten Szenen im Film ist die Begegnung mit seinem Verfolger Hunt, dem er auf die Toilette gefolgt ist, um ihn gezielt anzusprechen. Redford vermutet im Interview, das in den Extras zu finden ist, Tucker habe den Bankraub ebenso lustvoll zelebriert wie seine Festnahmen, denn ohne sie wäre ihm der noch viel größere Spaß der Flucht entgangen. Mag sein, nur ist Flucht kaum Thema im Film. Apropos Extras. Auch Spacek erscheint dort im Interview und stellt fest, dass Redford einige sehr wichtige Filme gemacht hat. In der Tat, aber der Gauner und Gentleman zählt nicht dazu. Der Star selbst sagt, es werde sein letzter Kinoauftritt sein. Nur schade, dass der nicht denkwürdiger über die Bühne ging.
Disclaimer: Wir haben die DVD zur Ansicht erhalten.