Electric Boogaloo
C-Doku über B-Movies
Der Australier Mark Hartley erzählt in Electric Boogaloo die Geschichte von Cannon Films, den Trashproduzenten der 80er Jahre. Anstelle einer liebevollen Hintergrunddoku über alternatives Eighties-Actionkino entscheidet sich Hartley für reißerischen Spott. Und scheitert grandios.
Mit Eis am Stiel feiern die isreaelischen Produzenten Menahem Golan und Yoram Globus 1978 eher widerwillig einen Megaerfolg. Wohin mit dem Geld? Sie kaufen die US-Firma Cannon Films für 500.000 US-Dollar. Von 1979 bis 1989 beschert uns Cannon Perlen wie Bloodsport, Missing in Action, Over the Top und Death Wish 3. Keine Frage, dass man über diese Herren mehr erfahren möchte. Das Problem ist nur: Man erfährt herzlich wenig in Electric Boogaloo.
Der Erzählstil dieser Dokumentation ist schnell erzählt: Zahlreiche, meist unbedeutende, ehemalige Mitarbeiter von Cannon Films berichten – chronologisch – von ihren Erlebnissen, während im Hintergrund einige Filmsequenzen aus der jeweiligen Zeit laufen, auf die eher weniger als mehr Bezug genommen wird. Der Grundtenor lautet dabei stets: Golan und Globus waren verrückt, hielten ihren Trash für wirklich gut und entwickelten ihre Storyideen immer ratz-fatz. Letzteres bekommt man über die Laufzeit hinweg circa vierzehn mal vorgekaut. Vermittelt wird der Eindruck, hier seien über eine Dekade hinweg zwei Clowns im US-Filmgeschäft unterwegs gewesen, die ihr Handwerk nicht verstanden und im irrigen Glauben, oscarfähiges Material zu entwerfen, Mist am laufenden Band produzierten.
… denn sie wussten, was sie tun
Das ist zunächst einmal Blödsinn. Menahem Golan genoss eine vielseitige Regieausbildung und wusste mutmaßlich sehr wohl zwischen gut und schlecht zu unterscheiden. Er hatte mit Cannon jedoch eine Low-Budget-Firma mit entsprechendem Profil (und Rücklagen) gekauft. Ein solches Profil lässt sich sicher nicht über Nacht verändern, erst recht nicht ohne finanzielle Ressourcen. Golan und Globus bewirkten im Rahmen der Möglichkeiten aber durchaus einen Wandel: Weg vom Horror-Slasher-Softporno, hin zum starzentrierten Action-B-Movie. Beachtlicherweise wird in „Electric Boogaloo“ mehrfach erwähnt, Cannon hätte sehr viel Müll bei nur sehr wenigen Erfolgen produziert. Nun, über so viel Unkenntnis darf man dann doch einmal schmunzeln, ist es doch Sinn und Zweck einer jeden Low-Budget-Klitsche, reihenweise Blödsinn zu schaffen, in der Hoffnung auf den einen goldenen Löffel, dessen Einnahmen in den Himmel schießen. In diesem Fall hieß dieser Löffel dann Breakin‘ von 1984 – übrigens Vorgänger des Namensgebers Breakin‘ 2: Electric Boogaloo1. Hartley begeht mit Electric Boogaloo den uralten Fehlschluss, die Macher des Blödsinns für blöd zu halten.
Natürlich nimmt man in rund 100 Minuten Spielzeit auch die ein oder andere interessante Info mit. Dolph Lundgren kam sich in Masters of the Universe lächerlich vor. Chuck Norris wollte keinen Ninja spielen, weil er es ablehnte, maskiert zu sein. Klaus Kinski spielte in Schizoid die Hauptrolle. Mit The Assault und Runaway Train fuhr Cannon sogar artistische Erfolge ein. Viele Filme wurden finanziert, indem ihre Plakate in Europa verkauft wurden, noch bevor eine Sekunde gedreht wurde – während mit den Einnahmen dieser pre-sales die Produktionskosten finanziert wurden. Mein Lieblingszitat lautet, Cannon-Filme „ähneln immer irgendwas – abzüglich des guten Geschmacks.“ Doch alles in allem versagt Electric Boogaloo auf der hintergründigen Ebene.
Auf der spöttischen Seite sieht’s jedoch leider nicht besser aus. Dass über die Stories gelästert wird, wurde bereits erwähnt. Belächelt wird außerdem der Starkult Cannons. B-Actionstars als Aushängeschilder, um mit ihnen Erfolge zu feiern. Dazu gehörten Silvester Stallone, Jean-Claude van Damme, Chuck Norris und Charles Bronson. Dabei funktionierte diese Strategie ganz gut und ironischerweise haben die Macher von Electric Boogaloo es nicht auf die Kette gebracht, auch nur einen dieser Stars vor’s Mikro zu kriegen. Stattdessen berichten uns irrelevante Nebendarsteller, Musikproduzenten und ein müder Michael Dudikoff über ihre Erfahrungen, die den Zuschauer dann doch eher nur am Rande interessieren. Wenn Chuck Norris mal zu Wort kommt, dann nur per Youtube-Interview. Sich über B-Promis lustig zu machen, während man selbst nur die C-Riege vor die Linse bekommen hat … das ist dann wohl doch eher ein Eigentor.
Viel Spott um nichts
Trash-Spott funktioniert so einfach nicht. Nehmen wir an, Sie möchten sich über einen schlechten Film lustig machen, sagen wir The Twilight Saga. Was tun Sie? Natürlich, Sie lassen ihn laufen. Ein paar Freunde, eine Couch, die ein oder andere Dose Bier, optional ein Trinkspiel und gemeinsam die Sache kommentieren – ungefähr so funktioniert ja auch „The Mystery Science Theatre 3000. Trash muss wirken. Wenn Taylor Lautner zum ultimativen Wutausbruch ansetzt, um ihn dann kolossal zu verkacken, dann lebt Trash. Electric Boogaloo lässt jedoch keine einzelne Szene wirklich leben. Es werden nur Schnipsel eingestreut, die dann nicht einmal eingeordnet werden.
Dabei wäre gerade diese Einordnung so wichtig gewesen. Warum wurden keine externen Experten interviewt? Andere Regisseure aus dieser Zeit, Medienprofessoren, Trashliebhaber … Edgar Wright!? Die hätten was zu sagen gehabt! Durch den Mangel an kompetenten Gesprächspartnern wird so leider nicht ganz klar, warum sich Mark Hartley überhaupt berufen fühlte, diese Doku zu drehen. Für einen Insider-Bericht fehlen interessante Insider, für einen Expertenbericht fehlen Experten. Stattdessen wird fortlaufend wiederholt, die Drehbücher seien schlecht, die Spezialeffekte billig und die Stars alt. Das ist zu wenig.
Menahem Golan und Yoram Globus sind mit Cannon Films für eines der interessantesten Actionprojekte und manche der besten unfreiwilligen Lacher aller Zeiten verantwortlich. Wie Mark Hartley diese Steilvorlage dermaßen versauen konnte, wird sein Geheimnis bleiben.
Hinweis: 2014 wurde noch eine weitere Cannon-Doku gedreht, The Go-Go Boys: The Inside Story of Cannon Films.
Disclaimer: Fischpott hat eine Blu-ray zur Rezension erhalten.
- Angeblich ist „Electric Boogaloo“ ein landläufiges Synonym für unnötige Sequels. http://blog.oup.com/2007/08/patterns/ ↩