Elysium
»Star Trek Into Darkness«, »After Earth«, »Oblivion«, »Pacific Rim« – man könnte meinen, der Kinosommer 2013 sei mit Science Fiction-Filmen übersättigt. Mit Neill Blomkamps »Elysium« erscheint ein weiterer potentieller Blockbuster des Genres mit einer anderen Herangehensweise.
Die Prämisse des Films klingt nicht originell, aber vielversprechend: in der Zukunft vegetiert die Menschheit von Umweltverschmutzung und Überbevölkerung gepeinigt in gewaltigen Favelas, überwacht von Androiden, die die gesamte staatliche Exekutive übernommen haben. Nur eine kleine reiche Minderheit hat sich nach Elysium abgesetzt, eine im Erdorbit treibende Symbiose aus hermetisch abgeriegelter Vorstadt und einer Raumstation in Stanley Kubricks »2001«. Hier lebt die Oberschicht befreit von Krankheit, Existenznöten und Gedanken an den Rest der Welt.
Der ehemalige Autodieb Max Da Costa (Matt Damon) träumte als Kind davon, eines Tages in Elysium zu leben, hat sich inzwischen aber mit seinem Leben als Fließbandarbeiter arrangiert. Das ändert sich, als er infolge der katastrophalen Arbeitsbedingungen radioaktiv verstrahlt wird. Nur ein Medi-Pod könnte seinen nahen Tod abwenden, ein alles heilender Zauberapparat, der Erdbürgern nicht zugänglich ist, in Elysium jedoch zur Grundausstattung jedes Hauses gehört. Max lässt sich auf einen Handel mit dem Gangster Spider ein, an einem riskanten Datendiebstahl teilzunehmen um im Gegenzug mit anderen Boat People auf die gefährliche Reise nach Elysium geschickt zu werden.
Blomkamp, von dem auch das Drehbuch stammt, verarbeitet nach »District 9« ein zweites Mal aktuelle Probleme, indem er Social Science Fiction mit Action-Kino verbindet. Und an Ideen mangelt es ihm nicht. Die einzelnen Elemente der Welt, die er zeigt, sind mit viel Liebe zum Detail zusammengesetzt, von den Brandings als Modegag der Oberschicht bis zu den Androiden, die dem Sarkasmus der Menschen gnadenlos sanktionieren – nicht weil sie in Lage wären, sich beleidigt zu fühlen, sondern aus Prinzip. Und auch die filmischen Metaphern funktionieren, ohne zu plakativ zu werden: die Kameraaufnahmen der Kampfdrohnen, Jodie Foster als böse Actionversion Christine Lagardes, der Präsident, der zwar liberale Werte predigt, aber im Zweifelsfall der Macht des Verteidigungsministeriums unterliegt, oder Sharlto Copley als im geheimen finanzierter Agent für fragwürdige Aktionen, mit dem sich die Regierung langfristig einen Terroristen als Feind heranzüchtet. Copley ist die große Lichtgestalt des Films. Es fällt schwer zu glauben, dass es sich hierbei um den Bürokraten in »District 9« oder Murdock in »A-Team« handelt. Wenn es in der Welt gerecht zuginge, würde es in Zukunft wesentlich mehr Rollen für ihn geben, in denen er sein Potential voll ausschöpfen könnte. Zudem ist seine Leistung bereits Grund genug, den Film in der englischen Originalfassung zu sehen.
Woran »Elysium« krankt ist der Druck des Blockbusters. Man wird den Eindruck nicht los, dass die Verantwortlichen das Publikum für entsetzlich dumm und leicht abzuschrecken halten, weshalb man immer auf Nummer sicher gehen will. So beginnt der Film mit einem bemerkenswert unnötigen und stumpfen Prolog, der dem Zuschauer im Grunde nur erklärt, dass es sich hier um einen Science Fiction-Film handelt. Um Max wird eine semi-tragische Entstehungsgeschichte konstruiert, ohne dass dies der Story wirklich zuträglich wäre, geschweige denn notwendig. Gerade in der ersten Hälfte des Films werden so immer wieder völlig irrelevante Rückblenden und erklärende Dialoge eingestreut, die leider viel Dynamik nehmen. Tristar Pictures war offenbar der Meinung, der Film müsse dem Zuschauer noch ausgiebig begründen, warum jemand lieber im schönen Elysium als auf einer Müllhalde lebt. All dies geschieht auch noch möglichst schnell und hektisch, um genug Zeit für die Actionsequenzen zu lassen.
Letztere sind es aber auch meistens wert. Die Effekte werden sparsam, dafür aber effizient eingesetzt, und stechen positiv aus dem Einheitsbrei anderer Produktionen heraus. Vor allem produzieren sie eine Körperlichkeit, die anderen großen Produktionen fehlt, und wunderbar mit der Story korreliert, denn Menschen sind auf der Erde nicht viel wert und werden fast zwangsläufig zu Kollateralschäden der Maschinen und Waffen. Oder kurz: wenn etwas Großes explodiert, bleibt es nicht aus, dass der eine oder andere Leib zerfetzt wird.
Auch inhaltlich lohnt sich „Elysium“. Obwohl die Story schließlich doch darum bemüht ist, ein lachhaft versöhnliches Ende zu finden – böse ist natürlich nicht das System, sondern eine Minderheit verirrter und korrupter Individuen, und die Lösung ist am Ende doch ganz einfach – liegt die Stärke des Films nicht zuletzt darin, dass er sich überhaupt traut Science Fiction abseits reiner Schauwerte und wenigstens mit ein paar politischen Denkanstößen für ein großes Publikum zu produzieren. Auch wenn man bezweifeln darf, dass besonders viele Leute am Ende die Stellung des Westens gegenüber der restlichen Welt hinterfragen, die unsere Waren produziert, jedoch von unserem Lebensstandard ausgeschlossen und von unseren ferngesteuerten Waffen bedroht wird.
Fazit: Ein guter Film, der aber als Director’s Cut wahrscheinlich besser wäre. Und Sharlto Copley könnte der neue Posterboy des Genrekinos werden.
Fischpott hat auch diesen Film im Kölner „Residenz“ gesehen, das dem Cineasten schmerzlich bewusst macht, wie niedrig doch der Standard in durchschnittlichen Kinos ist.