Engels & Friends
60 Jahre aus dem Leben eines Revolutionärs
Friedrich Engels: Der Mann, der den Kommunismus miterfand. Der Unternehmer, der die Proletarier entfesselte. Der Philosoph ohne Heimatstadt. Denn lange Zeit konnte Wuppertal einfach nicht souverän mit dieser Figur der Zeitgeschichte aus Barmen umgehen. Engels & Friends, eine dramatische Collage von Michael Wallner, holt die Lebensgeschichte von Engels jetzt auf die Wuppertaler Bühne. Im Theater am Engelsgarten.
Eine rote Europakarte auf schiefen Wänden, im Boden versinkende Marx- und Leninbüsten: Das Bühnenbild von Engels & Friends weist stramm Richtung Zukunft. Die Bühne betreten Friedrich Engels junior (Thomas Braus) und senior (Stefan Walz). Vater und Sohn haben sich wenig zu sagen. Der pietistische Vater kann das Nerdtum seines Sohnes – der Traumtänzer schreibt Rittergeschichten – nicht gutheißen und schickt ihn nach Bremen in die Lehre zum Kaufmann. Hier lernt der Junge außer dem Handwerk die feine Gesellschaft kennen, kann das Schreiben nicht lassen und veröffentlicht Pamphlete gegen Ausbeutung unter dem Pseudonym Friedrich Oswald. Das Stück schreitet voran in Engels Leben, in Berlin leistet er den Militärdienst und fechtet mit Studenten, in England trifft er die irischen Schwestern Burns aus der Arbeiterklasse. Mary Burns (Julia Reznik Korrektur: Entschuldigung, Julia Reznik spielt Lizzie, Mary wird von Philippine Pachl gespielt) wird seine Geliebte. Auf der Bühne kommt es derweil zum Boxkampf zwischen Arbeiterklasse (mit Luchadormaske) und … Kapital? Unternehmertum? Bourgeoisie? Das war wahrscheinlich sehr einleuchtend, aber nicht für den Fischpott-Kritiker.
In London tritt schließlich mit gewaltigem künstlichen Bart Karl Marx (wieder Stefan Walz) aus den Kulissen, aus der Bromance Marx und Engels wird die Keimzelle der Ideologie, die wir heute als Kommunismus kennen. Weiter, weiter, Engels & Friends gönnt sich und dem Publikum keine Pause, Engels’ Ausflug in die 48er-Revolutionen wird gestreift, nicht ohne seine Wander- (wohl eher Sauf-) tour durch Frankreichs Weingebiete, nachdem er aus Elberfeld hinausexpeditiert wurde. Dann Exil, wieder England, Arbeit und feine Gesellschaft. Die proletarische Lebensgefährtin Mary vernachlässigt er, sie stirbt. Schließlich der ‚Ruhestand‘ – den er zum Beenden des Manifests und zum Aufbau der Arbeiterbewegung nutzen wird. Das kommt freilich nicht mehr vor, das Stück endet 1870.
Puh, so viel Stoff
60 Jahre in 100 Minuten – unter dieser Bedingung sind schon viele Biopics gescheitert. Engels & Friends ist kein Desaster, aber leider auch kein Meisterwerk. Trotz des wunderbaren Ensembles.
Dabei eignet sich die Bühne für das Leben eines Mannes, der größtenteils am Schreibtisch gewirkt hat, viel besser als das Kino oder Fernsehen. Zumal Engels’ Leben wirklich nicht viele spektakuläre Bilder bieten würde. Da ist es definitiv klug, ihn mit Börne, Hegel und Shelley parlieren zu lassen und auch mal Stimmen aus der Zukunft auftauchen zu lassen, zum Thema Globalisierung und moderne Ausbeutung. Dass die letzten 25 Jahre in Engels’ Leben unter den Tisch fallen, hilft allerdings nur dabei, das Stück vor Überlänge zu bewahren. Ohne die Vollendung seiner Lebenswerke wirkt die dramatische Collage unvollendet. Zumal die Schilderung seiner Beweggründe kaum über „Der Junge ist halt ein Rebell.“ hinausgehen. Wahrscheinlich ist Engels & Friends ein guter Ansatz, um die historische Persönlichkeit Friedrich Engels ohne ideologische Scheuklappen zu betrachten. Zum umfassenden Bühnenstück über den „Kommunisten im Gehrock“ (so der Historiker Tristram Hunt) reicht es leider nicht.
Der Eintrittspreis reicht von 22 Euro (Normalpreis) über ermäßigte Tickets für 11 Euro bis zum Schülerpreis von 6 Euro. Fischpott hat eine Pressekarte für die Premiere am 19. September 2015 erhalten.