Es ist gut, es ist schlecht, es ist: L.A. Story
Steve Martin gibt die West Coast-Antwort auf den Stadtneurotiker. Ein Film, der vom Heimvideoformat profitiert.
Es gibt diese Künstler, deren Werk von einem derart bezeichnenden Bruch gekennzeichnet ist, dass es schwerfällt, Früh- und Spätphase im Kopf wirklich zusammenzubringen. Die frühe Punkband „Die Toten Hosen“ mit der gleichnamigen Schlager-Stadionrock-Band der 2000er etwa. Der innovative und originelle frühe Tim Burton und die spätere Karikatur seiner selbst. Oder der Schlagzeuger von „Genesis“ und, naja, Phil Collins eben.
Ähnlich verhält es sich mit Steve Martin. Martin ist in den Siebzigern mit absurden Comedy-Auftritten bekannt geworden und zeichnete für brillante Filme wie Reichtum ist keine Schande, Tote tragen keine Karos, Der Mann mit den zwei Gehirnen oder Die drei Amigos verantwortlich. Diese Filme weisen einen speziellen Martin-Humor auf, der zwar zunächst vor allem albern wirkt, aber mit einer Gag-Dichte und einem humoristischen Timing aufwartet, dass es einem den Atem raubt und Martin als ein wirkliches Naturtalent auszeichnet. Ab den Neunzigern versuchte sich Martin vornehmlich an romantischen Komödien oder tragisch-komischen Filmen, deren Mangel an Charme und Witz einen schmerzt. Und direkt am Übergang zwischen diesen beiden Phasen und für diesen bezeichnend ist L.A. Story.

Der Film beginnt in der besten Martin-Manier. Die Story hangelt sich an bekannten, klassischen Motiven entlang: der Stadtneurotiker à la Woody Allen, die Screwball-Komödie der Vierziger und diverse Shakespeare-Dramen (insbesondere Sommernachtstraum, Der Sturm und Hamlet) verbinden sich mit einer harmlosen, aber treffenden Satire der bunten Neunziger. Harris K. Telemacher (Steve Martin), Doktor der Philosophie und Wetteransager, ist so sehr damit beschäftigt, glücklich zu sein, dass ihm sein eigentliches Unglück gar nicht auffällt. Er lernt die schöne, intelligente und etwas exzentrische Britin Sara (Victoria Tennant) kennen und verliebt sich in sie, was ihn in Konflikt mit seiner Noch-Partnerin Trudi (Marilu Henner) und der bedeutungslosen Affäre SanDeE* (Sarah Jessica Parker) bringt. Und dann ist da noch ein elektrisches Verkehrsschild, dass als Herold der Stadt Los Angeles Harris zu seinem Glück führen will.
So standardisiert das Setting – mit Ausnahme des Straßenschilds – auch sein mag, der Film beginnt als wahres Spaß-Feuerwerk. Von expressivem Slapstick über groteske Sozialsatire bis zu subtilen Wortwitzen zeigt Steve Martin sein gesamtes Repertoire als Drehbuchschreiber und Komiker. In guten Momenten fühlt man sich an Martins absolutes Meisterwerk Reichtum ist keine Schande erinnert. Doch dann, kurz vor Ende des zweiten Akts, flacht die Menge und Qualität an Lachern merklich ab, bis gegen Ende nur noch eine schale und kitschige RomCom übrigbleibt, die ihren traurigen Höhepunkt in einem quälend langen Enya-Musikvideo findet. Man hat im Rückblick das Gefühl, exakt den Moment zu beobachten, in dem Steve Martin sein Talent als Komiker aufgibt, um sich an einem Spagat zwischen prätentiöser Pseudo-Kunst und Massentauglichkeit zu versuchen.

Man könnte nun hier mit dem Fazit „auf halbem Weg gescheitert“ abbrechen, und empfehlen, sich den Film bei TV-Wiederholungen bis zum ersten Beischlaf von Harris und Sara anzusehen und dann etwas Besseres mit dem Abend anzufangen. Aber da macht einem Koch Media einen Strich durch die Rechnung. Auf der jetzt erschienenen Blu-ray findet sich nämlich neben dem leider nur zu zwei Dritteln guten Film eine beachtliche Menge an wunderbaren Outtakes. Tatsächlich ist – Gott weiß wieso – ein ganzer Subplot um einen extrovertierten Filmproduzenten, gespielt von niemand geringerem als dem gewohnt hervorragenden John Lithgow, der Schere zum Opfer gefallen. Ebenso wie eine herrlich verrückte Hintergrundhandlung um einen tragischen Boxer (von Scott Bakula gespielt … jawohl Scott Bakula) sowie eine beachtliche Anzahl von vereinzelten Szenen, von denen jede mehr Existenzberechtigung hat als diese traumatisierende Enya-Erfahrung.
Mit der BluRay eröffnet sich also die Möglichkeit, den wirklich, wirklich empfehlenswerten ersten Teil des Films zu sehen (nebenbei mit Gastauftritten von Patrick Steward, Chevy Chase, Woody Harrelson, Rick Moranis, Terry Jones, Martin Lawrence, Iman und Paula Abdul) und das letzte Drittel zu ignorieren und stattdessen all die Szenen zu sehen, die es aus unerfindlichen Gründen nicht in die Kinoversion geschafft haben, und so wirklich ein gut anderthalbstündiges Mosaik zusammenzusetzen, das einen Eindruck vom vielleicht letzten klassischen Steve Martin-Film bietet und die Zeit definitiv Wert ist. Wer Kazoos, Bach und Jetpacks mag, wird so jedenfalls auf seine Kosten kommen.
Übrigens als Nachtrag: Steve Martin hat nach L.A Story auch noch gute Filme gemacht und immer mal wieder bewiesen, dass er noch verdammt lustig sein kann. Außerdem ist er ein wirklich toller Banjo-Spieler und Bandleader der „Steep Canyon Rangers“, die man unbedingt empfehlen sollte:
Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der Blu-ray erhalten.
Zuerst war ich etwas irritiert über diese Besprechung. Aber in meinem winzigen, kaum merklichen Zorn, keimte der eigentlich ganz offensichtliche Samen der Erkenntnis. Man kann L.A. STORY tatsächlich von genau zwei gegenüberstehenden Seiten betrachten.
Alle Punkte welche Sie an dem Film negativ kritisieren, heben ihn in meiner Empfindung in die Gefilde von Genialität. Nie hat es eine treffendere Liebeserklärung an eine Stadt in filmischer Form gegeben, selbst Allen fällt hier mit seinen Neurosen weit ab. Die Stadt ist der Hauptcharakter, und sie ist ein Charakter geprägt durch den unreflektierten Wahnsinn seiner Bewohner. Shakespeare begraben in Los Angeles, die Autofahrt zur nächsten Hausnummer, die Kaffeebestellung nach dem Essen (habe ich leider selbst einmal so erleben müssen), etc.
Das herausragende Element im Drehbuch ist eben, dass Martin von seiner Figur ganz gemächlich die Gewichtung auf die Stadt legt. Da kommt der Nonsens der bisher gewohnten Steve Martin Filme natürlich auf dem Freeway der Erwartungen ins stocken. Aber den Versuch auf Massentauglichkeit würde ich nicht wirklich unterschreiben. Hinweisschild: WHAT I REALLY WANNA DO IS DIRECT.