Flic Flac – Höchststrafe
Wenn man erst einmal die vierzig Jahre überschritten hat, wähnt man sich abgeklärt, man hat seinen Teil an Kleinkunst und Zirkusvorstellungen gesehen und man erwartet keine Überraschung mehr. Es sagt darum einiges über die Show „Höchststrafe“ des Flic Flac aus, dass mein siebenjähriger Sohn und ich über weite Strecken vermutlich wie zwei unterschiedlich große Varianten des gleichen Bildes dort saßen: mit offenem Mund und vor Begeisterung glänzenden Augen.
Die Vorstellung dauert an die zwei Stunden und ist eine rundum gelungene Mischung. Spannende Hochtrapez- und Vertikalseil-Auftritte, Akrobatik am Boden und an der Stange, atemberaubende Sprünge von einer Schiffsschaukel oder mit dem Motorrad praktisch über das Publikum hinweg von einer Seite des Zelts zum anderen, gut gelaunter Humor, Jonglage, eine Prise Erotik und vieles mehr. Immer wieder gibt es beeindruckende Spannungsspitzen und das Timing, die Ausführung und die dramaturgische Folge waren schlichtweg perfekt. Ich habe Zeit meines Lebens noch keine bessere Gesamtleistung live gesehen und das Charisma der Künstler entflammte die Begeisterung des Publikums bis zu verdienten Standing Ovations. Wer einen unvergesslichen Abend für die Familie sucht, sollte auf zweimal Kino verzichten und das Geld lieber in FlicFlac-Karten investieren. Dabei gibt es meiner Einschätzung nach im ganzen Zelt keine wirklich schlechten Plätze – wenn es also knapp ist, reichen auch die billigsten Karten.
Wie aber ist der Abend für Kinder? Das Thema Gefängnis bereitete Lorenz keine Schwierigkeiten – nachdem geklärt war, dass die Leute in den Sträflingsuniformen alles Künstler und keine echten Verbrecher waren und auch der Streit auf der Bühne nur gespielt war, nahm er die Fiktion als harmlos an und konnte sich ganz auf die akrobatischen Leistungen konzentrieren. Da das Gefängnis insgesamt eher Kostüme vorgab und Leitfaden legte, aber wenige realistischen Referenzen barg, gab es auch nur selten weiteren Erklärungsbedarf. Die moralische Frage, ob Gefängnisalltag zur Kulisse einer Unterhaltungsshow dienen darf, stellte sich mir im Laufe der Vorstellung nicht.
Einige der Liedtexte – guter Rock, hervorragend live gesungen und gespielt – waren für Lorenz meist unverständlich und lenkten ihn gelegentlich ab. Die Diskussion, wer zum Beispiel der besungene Betrüger und warum die Frau so wütend auf ihn sei, stahl die Aufmerksamkeit ein wenig von der großartigen Strongman-Nummer.
Was den Abend mit Kindern problematisch machen könnte, ist jedoch der singende Umbau-Komiker. Er untergräbt mit Zoten, Sexismus, Publikumsbeleidigung und bewusst provokanter political incorrectness die Kinderfreundlichkeit des Abends gewaltig. Dabei ist er für Erwachsene sehr unterhaltsam. Lorenz wusste zum Glück mit den meisten Dingen noch nichts anzufangen, aber zehn- bis zwölfjährige Kinder lernen hier sicher noch ein paar originelle neue Worte und bringen diskussionswürdige Ideen mit.
Lorenz Fazit zum Abend: „Am besten waren die fliegenden Motorräder, die Frau, die in das brennende Wasser gefallen ist, wo die so von der Wippe geflogen sind und das Popcorn.“