Frankenweenie
Tim Burton ist zurück und wendet sich seinen Wurzeln zu. Niemals passte dieser Satz besser als im Zusammenhang mit seinem neuen Film, dem schwarz-weiß stop-motion Spaß »Frankenweenie«, der auf einem Kurzfilm des Gothic-Meisters selbst basiert.
Burton vor Burton
Im Jahre 1984 bekam ein unbekannter aber vielversprechender Regisseur namens Tim Burton von Disney 1 Mio Dollar um einen Kurzfilm zu drehen, der im Vorprogramm der Wiederaufführung von Pinocchio laufen sollte. Burton fabrizierte eine knapp 30-minütige schwarz-weiße Frankenstein-Hommage in der ein Hund anstelle eines Menschen wiederbelebt wurde. Mit dabei waren die damals recht bekannten Namen Shelley Duvall (The Shining), Daniel Stern (Kevin – Allein zu Haus) und Barret Oliver (Die unendliche Geschichte). Außerdem erschien eine gerade mal 13-jährige Dame unter dem Namen Domino auf der Leinwand, die später als Sofia Coppola (Lost in Translation) zu Ruhm hinter der Kamera kommen sollte. Es hätte also kaum bessere Voraussetzungen geben können. Doch leider fiel der Film beim Testpublikum durch. Burton hatte keinen Kinderfilm erschaffen sondern ein Schauermärchen, das die jungen Zuschauer verschreckt hatte. Disney feuerte das Regietalent, weil er ihr Geld ‚verschwendet‘ hatte und Frankenweenie erblickte für viele Jahre nicht das Licht der Welt. Erst als Tim Burton bekannt wurde, gab es eine zensierte VHS-Veröffentlichung. Die ungeschnittene Variante wurde sogar zum ersten Mal auf der Special-Edition-DVD der Burton Produktion »A Nightmare before Christmas« als Bonus veröffentlicht. Nun also, 28 Jahre später, gibt Disney demselben Regisseur 39 Mio Dollar um eine Spielfilmversion des Kurzfilms zu drehen, für den sie ihn vorher gefeuert hatten. Klar, da wird natürlich das Wort „Ironie“ geradezu auf einem Zaunpfahl gepinselt und kräftig mit demselben gewunken. Vor allem ist es aber ein Zeichen für die Narrenfreiheit, die Burton nach seinem Megahit »Alice im Wunderland« (2010) bei Disney genoss (Frankenweenie begann seine Produktion etwa zeitgleich mit dem späteren Flop »Dark Shadows«). War es aber eine gute Entscheidung eigenes Material zu recyceln, wo doch gerade die letzten Werke Burtons seine typische Kreativität vermissen ließen?
Frankenweenie reloaded
Die erste Änderung springt sofort ins Auge. Frankenweenie ist ein Stop-Motion-Film wie es auch bereits der von Burton produzierte »A Nightmare before Christmas« war. Das erlaubt dem Gruselkünstler eine komplett eigene Welt zu erschaffen und er hatte sichtlich Spaß daran. Kaum hat man jemals so liebevoll erstellte Figuren gesehen. Gleiches gilt für den Schauplatz New Holland, der aus einem 50er-Jahre-Prospekt für Spießigkeit entsprungen sein könnte. Dazu gesellt sich die 3D-Technik, die hier tatsächlich für zusätzliche Schauwerte sorgt. Die Geschichte orientiert sich eng am Original. Der kleine Viktor Frankenstein, genial aber einsam, verliert seinen Hund und besten Freund Sparky bei einem Autounfall und macht sich daran, ihn mit Elektrizität wieder zum Leben zu erwecken. Anders als beim Kurzfilm gibt es aber nun weitere Handlungsstränge. So wird beispielsweise das kleine Nest New Holland von einer Reihe vormals verblichener, und übellauniger, Haustiere heimgesucht. Das sind übergroße Schildkröten oder mutierte Katzen-Fledermäuse. Im Kern bleibt es aber eine Burton-typische Erzählung über einen Außenseiter in einer Welt, die ihn weder dulden noch akzeptieren will.
Hommage ist Trumpf
Die Story ist entsprechend nicht originell aber gut und vor allem warmherzig erzählt. So schafft sie es den Zuschauer richtig zu bewegen, was schon länger nicht mehr bei einem Tim-Burton-Film passiert ist. Frankenweenie ist aber kein einfaches Gruselmärchen, sondern vor allem eine Hommage an alte Monsterproduktionen (beispielsweise die der Hammer Studios), sowie Gruselmeister Vincent Price. Das ist mit ungeheurer Liebe zum Detail fabriziert und macht ungemein Spaß zu entdecken. Wenn der neue Wissenschaftslehrer genauso aussieht wie die Legende Vincent Price und dabei den herrlich überzogenen Gestus des Meisters kopiert während Frösche mit Elektroschocks zum Zappeln gebracht werden, einen übergroße Schildgröße in Godzillamanier einen Rummel bedroht oder die obligatorische Windmühle für den Showdown herhalten muss, wird der Zuschauer bestens unterhalten. Alles ist stimmig. Die Figuren, die Monster, das Setting und die Optik sind herrlich skurril und wissen zu begeistern.
Gruselmärchen für Erwachsene
Dabei ist Frankenweenie nichts für kleine Kinder. Die liebevollen Figuren sind nämlich tatsächlich recht gruselig geraten. Allein eine von Viktors Mitschülerinnen, die mit unnatürlich weit aufgerissenen Augen andere vor drohender Gefahr warnt, ist durchaus Stoff für so manchen kindlichen Alptraum. Da ist die FSK Freigabe ab 12 Jahren durchaus gerechtfertigt, wirft aber die Frage nach dem Publikum für Frankenweenie auf. Einerseits ist der Film sicherlich immer noch zu sehr Märchen und kindlich um ein breites erwachsenes Publikum zu begeistern, zum anderen aber zu gruselig für kleine Kinder. So bleibt die schmale Spur von Burtonfans, die die Hommage an Klassiker des Grusel- und Monstergenres zu schätzen wissen und die typische Optik des Gothikgenies sowieso lieben.
Ein Mega Erfolg wird Frankenweenie so wahrscheinlich nicht werden, aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, denn die liebevollen Figuren gehen zu Herzen und die Optik zieht einen sofort in den Bann. So bleibt nichts weiter zu sagen, als dass Frankenweenie der beste Burton Film seit langem ist. Sehr empfehlenswert.
Kommentare
Frankenweenie — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>