Frische Märchen, extra fein
Es war einmal, vor nicht allzulanger Zeit, ein Märchenbuch. Darin hatte einer, der sich Michael-André Werner nannte, allerlei Geschichten gesammelt für den Verlag, der den Satyr im Wappen führt. Dies Büchlein wurde von tapferen Postbotinnen und Postboten in das Land gebracht, welches sich das Bergische nannte und eines schönen Tages in den Briefkasten eines Rezensenten gesteckt.
Der Rezensent fand das Buch auch gleich und war voller Frohsinn, als er den Titel las. „Frische Märchen, extra fein – darauf habe ich gewartet!“ rief er. Denn er hatte beim Verlage angefragt, ob er nicht das Buch erhalten könne, wenn er denn auch eine Kritik darüber verfasste. Nun war ihm das Rezensionsexemplar zugestellt worden und der Rezensent wusste sogleich, was er zu tun hatte, und das war die Lektüre des Büchleins. Und so las er los. Er las in seinem Sessel, und wenn es dunkel geworden war, las er noch in seinem Bette weiter. Sogar an jenem Ort las er, den selbst der Kaiser zu Fuß aufsucht. Und er fand viele Märchen in dem Büchlein, die waren wohlgeraten.
Das erste Märchen hatte ein Slam Poet namens Micha Ebeling aufgeschrieben und der Titel lautete Ausflug nach Irgendwo. Und der Rezensent fand Gefallen daran, denn es handelte von der Zunft der Schreibenden und hatte eine Art Zeitreise-Twist. Eifrig wanderten die Augen des Rezensenten auf die nächste Seite. Da begann das nächste Märchen von einem, den sie Ahne geheißen. Und es hieß Das Märchen von der Verliebten, und wie es ihr geschah. Auch diese Geschichte las der Rezensent und es war eine kleine ganz unspektakuläre Geschichte vom Verbrechen, ein wenig absurd und albern wie es oft die Art der Slammer ist, aber auch diese war durchaus eine vergnügliche Lektüre. Zumal sie kurz war, wie die meisten Märchen dieser Anthologie. Weiter hinten im Buch gab es eine Geschichte von einem Fuchs, also von einer Kirsten Fuchs, die hieß Königswahlen. Darin stellten sich die Einwohner des Landes alle zu Königswahl auf, was ein rechtes Durcheinander anstellte. Und der Rezensent lachte und las wohlgemut weiter. Da kam er nach vielen weiteren Seiten auch zu einer maritimen Mär, aufgeschrieben von Sebastian Krämer, die hieß Vom Schopfendusel und der Meerprinzessin. Ein Seemann namens Torben verlor beinahe den Glauben an die Seefahrt und konnte einen angebotenen Blowjob nicht annehmen, weil er von Schuld und Trauer nicht mehr weiter wusste. Und der Rezensent fand die Geschichte sogar ganz rührend und befand sie ein Highlight und las weiter. Da gab es auch eine Geschichte von Anselm Neft, in welcher Der König der Olme zu einem Duell der verolmten Werke aus der Weltliteratur forderte. Auch von diesem Märchen fühlte sich der Rezensent gut unterhalten. Noch viele Geschichten las er aus dem Buch der neuen Märchen, darunter solche von Micha-El Göhre und Jan Philipp Zymny und vielen vielen weiteren. Oft musste der Rezensent lachen und noch öfter lächeln und selbst die Gedichteten waren gar gut.
Irgendwann war er fertig mit seiner Lektüre und setzte sich an den Rechner, denn sein Handwerk des Rezensierens erforderte, dass er selbst auch die Feder spitzte und die Muse küsste und eine Kritik verfassen sollte. So überlegte er und überlegte, wie er seinen Leserinnen und Lesern einen guten Eindruck vermitteln könnte von Frische Märchen, extra fein. Doch am Rechner machte er allerhand und geriet darüber sogar ins Prokrastinieren. So schaltete er am Abend den Rechner aus und legte sich hin, um zu schlafen. Da erschien ihm im Traume ein Dreifingerfaultier, das sprach zu ihm: „Ai, du plagst dich mit einer passenden Textform für das Buch der frischen Märchen. Hast du auch schon einmal daran gedacht, dieses in Märchenform zu tun?“ Bei diesen Worten des Dreifingerfaultiers erwachte der Rezensent, schrieb einen Text und wenn du nicht gestorben bist, dann liest du ihn gerade.