Guardians of the Galaxy
Ein Dieb, eine Killerin, ein sprechender Waschbär mit Vorliebe für große Waffen, ein Baumwesen mit der Stimme von Vin Diesel und eine intellektuell eingeschränkte Kampfmaschine schlagen sich zu cheesiger Popmusik der 70er durchs Weltall. Klingt schon mal großartig, aber ist Guardians of the Galaxy der Spitzenfilm, den man vermuten möchte?

Gamora (Zoe Saldana), Rocket Racoon (gesprochen von Bradley Cooper), Peter Quill/Star-Lord (Chris Pratt), Groot (gesprochen von Vin Diesel) und Drax the Destroyer (Dave Bautista) Foto: Film Frame ©Marvel 2014
Als Junge wurde Peter Quill (Chris Pratt) von Außerirdischen entführt und fristet nun, fast 30 Jahre später, in einem fernen Sternensystem ein Dasein als intergalaktischer Kleinkrimineller. Durch unglückliche Umstände bringt ihn einer seiner Raubzüge in die Schusslinie eines ungeahnt großen Konflikts. Das Diebesgut – eine kleine, unscheinbare Kugel – beherbergt nämlich das Schlüsselelement im Plan des Kree-Extremisten Ronan (Lee Pace), sich gottgleiche Kräfte zu verschaffen, um damit den friedlichen Planeten Xandar und potentiell die ganze Galaxie zu vernichten. Neben dem Nova Corps – einer Art Weltraumpolizei – und der rauen Piratenbande um seinen ungemütlichen Ziehvater Yondu (Michael Rooker) sind auch Ronans Profi-Killerin Gamora (Zoe Saldana), sowie die Kopfgeldjäger Rocket (ein dank obskurer Experimente anthropomorpher Waschbär) und Groot (ein laufender Baum mit begrenztem Vokabular) hinter Qill her. Glück im Unglück ist, dass sowohl Gamora, als auch Rocket und Groot durchaus kooperationsbereit sein können. Und auch die flüchtige Gefängnisbekanntschaft Drax the Destroyer (Dave Bautista) schließt sich dem Zweckbündnis ohne Zögern an, um Rache an Ronan zu nehmen, der seine Familie auf dem Gewissen hat. So hängt das Schicksal der Galaxie schließlich an fünf kriminellen Versagern mit zweifelhafter Moral und teilweise ernsten Kommunikationsproblemen.
- Foto: Jay Maidment ©Marvel 2014
- Foto: Film Frame ©Marvel 2014
- Foto: Film Frame ©Marvel 2014
- Foto: Film Frame ©Marvel 2014
Klingt alles nach großem Spaß, aber man denkt auch an Werke wie Cowboys & Aliens, Snakes on a Plane oder R.I.P.D. – alles Filme, die kaum noch mittelmäßig sind, sobald die Euphorie über die witzige Grundidee und Trailer verflogen ist. Guardians of the Galaxy weist allerdings alte Blockbusterqualitäten auf, die insbesondere an Ghostbusters erinnern. Guardians ist kein filmgewordenes Internet-Meme für Nerds, sondern vor allem ein gekonnter Ensemblefilm, der sich nie ausschließlich auf Witze, Action, die verrückten Ideen (von denen es im Verlauf des Films wirklich reichlich gibt) und die wirklich bemerkenswert guten Effekte verlässt – und schon gar nicht auf den dann doch recht vorhersehbaren, dünnen Plot. Stattdessen nimmt Regisseur James Gunn seine Figuren und sein Setting trotz grundsätzlicher Ironie in den wichtigen Augenblicken ernst, ohne dabei kitschig zu werden. So wird selbst dem skeptischen Zuschauer zu Beginn des zweiten Aktes bewusst, dass Rocket zwar ein sprechender Killerwaschbär mit tollen Onelinern sein mag, vor allem ist er aber aber eine interessante Figur mit eigener Geschichte, Motivation und Gefühlen, die einem nahegehen. Und so wird jeder der Guardians im Verlauf des Films soweit ausgearbeitet, dass man am Ende eine wirkliche Entwicklung erkennen kann und als Zuschauer eine Bindung allen fünf Mitgliedern aufbaut. Lobend zu erwähnen sind vor allem Wrestler Dave Bautista, der die im Vergleich zunächst blass anmutende Figur des Drax in fast jeder Szene mit Leben füllt, sowie Zoe Saldana, die nicht in die Falle tappt, sich einfach in der Rolle des heißen grünen Aliens einzurichten.
Leider können die Antagonisten hier nicht mithalten. Während Josh Brolin als Thanos (im Motion Capture-Verfahren aufgenommen) und Benicio del Toro als Collector nur ihre vermutlich größeren Rollen in späteren Filmen anteasen, bleibt Lee Pace (der sympathische Konditor aus Pushing Daisies) als fundamentalistischer Terrorist Ronan im Drehbuch und unter Tonnen von Make-Up nur wenig Raum, sein Potential zu entfalten. Im Vergleich zu anderen Marvel-Widersachern wie Loki (Tom Hiddleston) oder Obadiah Stane (Jeff Bridges) bleibt er ohne Not zurück, obwohl man erkennt, dass viel mehr drin gewesen wäre. Und auch Karen Gillian darf als Nebula vor allem wieder ihre großen Kuhaugen zeigen, was sie zwei Jahre lang als Amy Pond in Doctor Who perfektionieren konnte – nur dass ihr Mund diesmal von „cute“ auf „creepy“ gestellt wurde.
- Nebula (Karen Gillan) Foto: Jay Maidment ©Marvel 2014
- Ronan the Accuser (Lee Pace) Foto: Jay Maidment ©Marvel 2014
Im Sommer 2012 kündigte Marvel Studio-Chef Kevin Feige überraschend an, dass als nächstes Produkt für das umfassende Film-Franchise nicht etwa erfolgreiche Comics oder Publikumslieblinge wir Luke Cage, Doctor Strange, Black Panther oder Moon Knight verfilmt würden, sondern der Nischencomic Guardians of the Galaxy, der bis dahin selbst unter eingefleischten Comic-Nerds nur semi-bekannt war. Auch wenn mit Spider-Man, X-Men und den Fantastic Four noch immer die Filmrechte an den drei großen Erfolgstiteln Marvels bei anderen Studios liegen, dürfte diese Wahl vielen tollkühn vorgekommen sein, und mancher wird bereits das Ende der Erfolgsgeschichte um die Marvel Studios gesehen haben. Schließlich kann Guardians auf kaum eine Fan-Basis zurückgreifen, war als Comic nie besonders erfolgreich und fordert vom Zuschauer seiner Prämissen nach einiges an suspension of disbelief. Trotzdem funktioniert der Film hervorragend, weil er souverän das Konzept der Marvel Studios weiterführt. Böse Zungen könnten behaupten, dass Marvel seit Iron Man immer wieder den gleichen Film mit verschiedenen Superhelden dreht, doch muss man anerkennen, dass sie das sehr gut machen. Die Oneliner sitzen und sind gut platziert, die Effekte sind hervorragend, die Geschichten sind wunderbar bekloppt, aber die Figuren bleiben in der Regel plastisch genug, um mit ihnen mitzufühlen – ohne dass sie jeden ihrer Konflikte immer wortwörtlich und bedeutungsschwanger artikulieren müssten (ja, wir schauen in Deine Richtung, David Goyer!). Und auch vom Setting her passt sich Guardians in die Welt seiner Vorgänger geschmeidig ein. Nachdem Thor, Captain America und Avengers bereits ausgiebig die Existenz außerirdischer Zivilisationen und Technik, insbesondere der Infinity Stones, eingeführt haben, wirkt die Entscheidung, diesen Teil der Marvelwelt etwas weiter zu erkunden, letztendlich sogar logisch.
Da Guardians of the Galaxy mit einem Einspielergebnis von fast $ 100 Mio. am ersten Wochenende bewiesen hat, dass die Popularität des Comics in der breiten Masse nicht entscheidend für den Erfolg des Films sein muss, kann man Wetten über die folgenden Projekte abschließen: Squirrel Girl? Flatman? Frog-Man? Wir können weiter gespannt sein…
Auf jeden Fall ist Guardians of the Galaxy wahrscheinlich DER Feel-Good-Blockbuster 2014 und man kann sich, welch Überraschung, auch schon auf die Fortsetzung freuen.
Und noch ein persönliches Anliegen: John C. Reilly, der als Rhomann Dey vielleicht fünf Minuten Screentime hat, beweist erneut, dass er in einer gerechteren Welt in einem Atemzug mit Jeff Bridges oder Kevin Spacey genannt würde. Gebt dem Mann die Anerkennung, die er verdient, verdammt.
Zweiter Zusatz: Die obligatorische Szene nach dem Abspann dürfte diesmal besonders Freunden obskurer Trash-Filme der 1980er gefallen.

Groot gibt Blümchen
Ph: Film Frame ©Marvel 2014