High Ground – Der Kopfgeldjäger
Das Ende eines Films sollte kein Rezensent verraten. Wir machen mal eine Ausnahme für High Ground. Fast neun Minuten zieht der Schluss sich hin. Unspektakulär, meditativ, in sparsamen Bildern, zur Begleitung von Vogelstimmen und Gesängen, die es nie in die Charts schaffen werden. Dieses Ende ist – der Abspann. Stets eine eigene Inszenierung, bei der Kinogänger gern schon die Sitze verlassen und dabei Reste ihres Popcorns auf dem Boden zertreten. Man sieht allerdings auch immer mal die Nachdenklichen, die einen Film noch ausschwingen lassen und grübeln, ob sie alles verstanden haben und ob sie etwas von der gerade erlebten Stimmung mitnehmen können.
Die letzten neun Minuten von High Ground – Der Kopfgeldjäger sind keine verschenkte Zeit. Vielmehr begreift man, dass da eine Uhr anders tickt. Die Uhr im Down Under. Nun haben wir von Men at Work gelernt, dass es das Land ist, „where women glow and men plunder“. Regisseur Stephen Johnson zeigt ein anderes Australien. Eines, das auch Zeit hat für so einen langen Abspann und so für die angemessene Ehrung der Mitwirkenden sorgt. Das sind in der Mehrzahl Menschen aus einem Volk, das in der Weltgeschichte kaum vorkommt, wohl aber in manchen anspruchsvollen australischen Filmen. Long Walk Home war einer davon. Auch Charlie’s Country, Australia natürlich oder Samson und Delilah. Tatsächlich stehen diese Menschen, die Aborigines, seit 1971 mit Walkabout im Fokus einiger australischer Regisseure, nur dass Europa noch sehr wenig davon mitbekommen hat. Bei uns ist Peter Weir die Galionsfigur, die mit Picknick am Valentinstag nun mal gar nicht auf den Zug aufgesprungen ist und spätestens mit dem Club der toten Dichter überhaupt weiten Abstand von der Heimat genommen hat.
Ob es unbedingt sein musste, dass High Ground in der deutschen Fassung mit dem reißerischen Zusatz „Kopfgeldjäger“ aufkreuzt? Ob man zwingend von einem „australischen Western“ sprechen muss, um Publikum zu generieren? Wahrscheinlich ist es so, obwohl dieses Beiwerk dem Film nicht gerecht wird. Am Ende des Abspanns hat Johnson eine Fährte zu seinem Hauptmotiv für den Film gelegt. Er ehrt dort Mandawuy Yunupingu, den früh verstorbenen Sänger der australischen Band Yothu Yindi. Ihr großer Hit „Treaty“ nahm Bezug auf das Barunga Statement von 1988. Das alles sagt uns nahezu nichts. Das Statement kündigte ein Abkommen an, das den Aborigines essentielle Rechte sichern sollte, bis heute aber nicht geschlossen wurde.
Das nun war, durchaus analog zum langen Abspann, ein sehr langer Vorspann. Schauen wir umso kürzer auf das eigentliche Filmgeschehen. Kopfgeldjäger Travis (Simon Baker) ist ein ausrangierter Scharfschütze mit dem Auftrag zu einem Himmelfahrtskommando. Darin soll er ein paar Gauner ausschalten, doch seine Begleiter versauen ihm den Coup so gründlich, dass es zum Gemetzel an zufällig beteiligten Aborigines kommt. Die friedliche Welt, die der Film in traumhaften Naturaufnahmen zeichnet, erlebt ihren Sündenfall, aus den Opfern werden rachedurstige Täter. Man hat diese Umkehr der Werte vielleicht zu oft im Western gesehen, um noch angerührt zu sein. Noch weitgehend ungewohnt ist der Part zweier Kontrahentinnen, fast in Nebenrollen, die ihre gemischten Gefühle an einen Jungen heften. Die eine, Wak Wak, hat aus den Misshandlungen in ihrer Kindheit den heiligen Zorn entwickelt und tötet ohne Skrupel. Gespielt wird sie von einer ungewöhnlichen Frau: Magnolia Maymuru hat es als erste Indigene zur Anwärterin auf den Titel Miss World geschafft. Ihr gegenüber steht als ebenso starke und zerrissene Person die Missionarin Claire, mit sanfter Überzeugungskraft dargestellt von Caren Pistorius. Keine Frage: Auch neue Schauspieltalente sind in dem spannenden, bildgewaltigen Werk zu entdecken.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben die DVD von Koch Media erhalten.