Im Netz der Versuchung
Rezension von Ralf Sandfuchs
Es gibt Filme, bei denen es schwerfällt, eine Besprechung zu verfassen, ohne direkt alles zu verraten, was den Film eigentlich ausmacht. Im Netz der Versuchung stellt so einen Fall dar, bei dem vieles erst durch die überraschende Auflösung am Ende Sinn ergibt, doch natürlich sollte man diese nicht einfach preisgeben. Aber was dann?
Ein ganz normaler Thriller?
Golfkriegsveteran Baker Dill (Matthew McConaughey) hat sich nach dem Zerbrechen seiner Ehe auf die abgelegene Insel Plymouth zurückgezogen, wo er mit seinem Maat Duke (Djimon Hounsou) das Fischerboot Serenity für Touristen betreibt. Doch seine rüde Art und die fanatische Jagd nach dem riesigen Thunfisch Justice vor der Küste vertreiben immer wieder die Kunden, so dass er in diesem tropischen Paradies kurz vor dem Ruin steht.
Als plötzlich seine Ex-Frau Karen (Anne Hathaway) auf Plymouth auftaucht und ihn bittet, für zehn Millionen Dollar ihren gewalttätigen Ehemann Frank (Jason Clarke), der zu einem Angelausflug auf die Insel kommt, zu ermorden und auf See zu entsorgen, weigert er sich zunächst.
Doch die Versuchung wird immer
größer, und mit ihr häufen sich die seltsamen Ereignisse, die die
paradiesische Welt der Insel erschüttern.
Film Noir in der Sonne
Über weite Strecken des Films bekommt man den Eindruck, Autor und Regisseur Steven Knight (bekannt für TV-Serien wie Peaky Blinders und Taboo) möchte das gute alte Genre des Film Noir aus der verregneten Nacht der Großstadt in die pralle Sonne der Karibik versetzen.
Matthew McConaughey gibt den Macho-Protagonisten teilweise hart an der Grenze zur Parodie, wenn er die meiste Zeit mit nacktem Oberkörper durch die Landschaft gockelt und sich die ältere Constance (Diane Lane) als Geliebte hält. Anne Hathaway hingegen wird in blondierter Form so heftig als verführerische Femme Fatale im Weichzeichner-Look aufgebaut, dass die spätere Sex-Szene zwischen ihr und ihrem Ex allein schon durch ihre Widerlichkeit auffällt. Und auch Jason Clarke mimt den Widerling mit übertriebener Verve.
Und doch trifft dieses Bild, das der Film mehr oder weniger über die erste Stunde von sich zeichnet, nicht wirklich zu, denn unvermittelt tauchen scheinbar übernatürliche Erscheinungen auf, von denen man sich bald fragt, was sie mit dem Rest der Handlung zu tun haben. Die scheinbare Moby-Dick-Referenz vom Anfang fällt später mehr oder weniger unter den Tisch, Diane Lane hat kaum mehr als einige schlaue Sprüche von sich zu geben, und der weitere Verlauf der Geschichte um Frank wird irgendwann zu einem Spiel mit der Absurdität der Situation. Immer wieder ist außerdem Karens Sohn zu sehen, der auf seinem Computer spielt, die Menschen auf der Insel verhalten sich zunehmend seltsam, und ein unbekannter Mann im Anzug scheint alles über Dill, Karen, Frank und auch Plymouth zu wissen.
Wer den Film bis zum Ende ansieht, bekommt zwar eine Auflösung geboten, die versucht, die versprengten Teile der Handlung, die seltsamen Vorkommnisse und sogar die teilweise banale und klischeehafte Darstellung der Geschichte zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzufügen, doch diese hinterlässt immer noch einen schalen Beigeschmack. Vor allem aber geschieht sie zu spät, um die möglicherweise genervten oder gelangweilten Zuschauer wieder abzuholen.
Falsches Marketing vom Feinsten
Das Hauptproblem ist nämlich, dass der Film sich in Bildern und Postern als erotischer Thriller darstellt, ohne dies wirklich zu sein (frappierend zum Beispiel die Ähnlichkeit der Filmplakate von Im Netz der Versuchung und Eine verhängnisvolle Affäre, obwohl diese vom Inhalt her NICHTS miteinander gemein haben).
Der Trailer wiederum geht in eine komplett andere Richtung und verrät dummerweise bereits Teile der Auflösung des Films.
Will man Im Netz der Versuchung also ohne Vorbehalte anschauen, sollte man sich zunächst einmal vom Trailer fernhalten. Dann sollte man bereit sein, einen teilweise sehr langsamen Aufbau der Handlung durchzuhalten. Und nicht zuletzt sollte man ihn ohne vorgefertigte Erwartungen angehen.
Doch wie weiß man dann im Voraus, ob einem der Film gefallen könnte? Nun, gar nicht … leider.
Es sei an dieser Stelle nur verraten, dass man bereit sein sollte, sich auf ein Spiel mit der Realität und der Wahrnehmung der Realität einzulassen. Dafür macht der Film (wie viele seiner Art, die mit einem großen Twist am Ende aufwarten) aber auch beim zweiten Gucken noch Spaß, weil man dann die vielen kleinen Hinweise auf das Ende findet.
Die vorliegende DVD enthält leider neben einigen relativ nichtssagenden Interviews (ohne deutsche Untertitel!) und einer B-Roll vom Dreh nur noch einige Trailer von anderen Filmen, so dass man nur wenig über die zugrundliegenden Ideen der Filmemacher erfährt.
Das Fazit zu Im Netz der Versuchung bleibt daher zwiespältig. Er wird vermutlich immer wieder die falschen Zuschauer anziehen, die den Film dann nicht mögen. Und wenn das „richtige“ Publikum ihn sieht, wird er ihnen möglicherweise zu langatmig erscheinen.
Im Netz der Versuchung sitzt daher zwischen allen Stühlen, und auch nach zweimaligem Sehen möchte ich mich nicht entscheiden, ob er nun ein gewagtes Stück Kino oder ein missglücktes filmisches Experiment ist.
Im Netz der Versuchung ist am 13. September 2019 als DVD und BluRay erschienen.
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der DVD von der Firma S&L Medianetworx GmbH erhalten.