Inhuman von Mangin/Bajram und Rochebrune
Der erste Satz lautet „Das ist wundervoll“. Und das ist es tatsächlich. Schon die erste Seite von Inhuman überzeugt mit einem wunderschönen, ganzseitigen Bild. Und das ist erst der Anfang in diesem romantischen SciFi-Abenteuer.
Ein Gastbeitrag von N. Balnis.
Mit Inhuman haben Valérie Mangin und Denis Bajram eine klassische Raumfahrer-Geschichte vorgelegt: Auf einer Entdeckungsmission kommt es zu einer Bruchlandung auf einem unbekannten Planeten. Wie es sich gehört, geht das Raumschiff dabei komplett kaputt. Die einzige, die in dieser ärgerlichen Situation ihren Job macht, ist die Androidin des Teams. Dann tauchen die Bewohner*innen des Planeten auf, sind nett, naiv und ziemlich nackt, und helfen den Schiffbrüchigen. Je länger die Crew allerdings im Dorf der Einheimischen verbringt, umso seltsamer und bedrohlicher scheint diese Gesellschaft zu sein.
Das alles kommt vermutlich der einen oder anderen Genre-Freund*in nicht unbekannt vor – ich hatte jedenfalls das Gefühl, die ganze Geschichte schon zu kennen, ohne sagen zu können woher. Und doch ziehen die tiefroten Bilder der Bruchlandung eine*n sofort in ihren Bann.
Die Geschichte, die sich so langsam entfaltet, hat ein starkes Hippie-Flair. Das liegt jetzt nicht an den nackten Einheimischen mit dem Blumen im Haar, sondern an der Art der Geschichte. Hätte jemand mir erzählt, dass Inhuman auf einem nie verfilmten Skript für Raumschiff Enterprise beruht, hätte ich das sofort geglaubt. Und hätte mir dann ein Trekkie erklärt, dass die ganze Geschichte eigentlich eine Abrechnung mit dem Christentum sei, hätte ich das auch abgenickt. Das alles ist so 1970, dass frau beim Lesen ganz nostalgisch wird.
Leider stimmt die Story nicht nur nostalgisch, sondern erinnert auch ein bisschen an das alte Trope der weißen Europäer, die im „afrikanischen Busch“1 auf die lokale Bevölkerung treffen: Kannibalismus, Sex und Gotteshörigkeit, alles dabei. In Zuge der Geschichte ergeben diese leicht unangenehmen Elemente auch Sinn; aber leider verschwindet das Gefühl nicht so ganz, dass frau hier einen gut 40 Jahre alten Comic liest.2
Insgesamt bleibt trotzdem ein positiver Eindruck: Eine interessante Story spinnt sich spannend und kurzweilig zu einem befriedigend unbefriedigenden Ende. Und die Illustrationen von Thibaud de Rochebrune sind wirklich sehr, sehr schön. Und die kreative, auch sehr bewusst eingesetzte Aufteilung der Panels bringt noch zusätzliche Dynamik. − Für einen Nachmittag wird frau also sehr gut unterhalten und danach hat sie ein neues Coffeetable Book zum Blättern und Freuen.
TL;DR:
Für wen Inhuman etwas ist: für Fans von Tsutomo Nihei, die auch mal „was Normales“ lesen wollen. Für Althippies, Gotteslästerer und Freund*innen klassischer Science Fiction.
Für wen Inhuman nichts ist: Für Leute, die über Charaktere mit Tiefgang lesen wollen.
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar vom Splitter Verlag erhalten.
Valérie Mangin, Denis Bajram und Thibaud de Rochebrune: „Inhuman“. Bielefeld (Splitter Verlag) 2021, 104 Seiten, 24,- €
- In den Köpfen vieler Menschen scheint dieser riesige Kontinent ungefähr so groß und divers zu sein wie Niedersachsen. Afrikanischer Busch, Lüneburger Heide – quasi das Gleiche. ↩
- Dazu trägt auch bei, dass eine Figur sagt: „Unser Japaner ist vom Kriegstreiber zum Defätisten geworden.“ Das klingt nicht wirklich, als läge der 2. Weltkrieg in dieser Geschichte schon mehrere hundert Jahre zurück … Or is it just me? ↩
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