Insidious 2
Wenn es ein Genre gibt, das sich geradezu von kurzfristigen Erfolgen und daraus entstehenden Trends ernährt, dann ist es das Horror-Genre. Seien es die Monsterfilme der 30er, die Slasher-Welle in den späten 70ern oder die durch Paranormal Activity wieder ausgegrabenen Found Footage-Streifen – sobald etwas erfolgreich ist, wird’s kopiert.
Niemand weiß das besser als James Wan: Der junge australische Regisseur war immerhin mit seinem bahnbrechenden Low Budget-Werk Saw im Jahr 2004 mitverantwortlich für den daraus resultierenden Torture Porn-Trend, der Filme wie Hostel und die Saw-Sequels erst möglich machte. Anstatt auf dieser Erfolgswelle mitzusurfen, wandte sich Wan allerdings schnell von seinem Baby ab (die darauffolgenden Saw-Filme listeten ihn „nur noch“ als Co-Autor und Ausführenden Produzenten) und machte sich stattdessen daran, einen ganz anderen Horror-Trend wieder hervorzukramen und zu reanimieren: Mit Dead Silence und zuletzt The Conjuring hob er das Genre des klassischen Geisterfilms wieder aus dem Grab und setzte statt auf cremiges Geschnetzel lieber auf klassischen Grusel. Mit Erfolg: Besonders seine Filme Insidious und The Conjuring waren internationale Kassenerfolge, was im Horrorfilm-Genre natürlich nur eines bedeuten kann: Sequels. Tonnenweise Sequels. Auch Wans Durchbruchfilm Insidious (2011) blieb davon nicht verschont – nur wenige Jahre später liegt nun Kapitel 2 vor.
Renai (Rose Byrne) und Josh Lambert (Patrick Wilson) sind erleichtert. Ihr Sohn Dalton (Ty Simpkin) ist aus seinem Koma erwacht und die Familie scheint in Sicherheit zu sein. Doch die übernatürlichen Erscheinungen hören nicht auf. Bald schon sieht Dalton erneut Dämonen und auch Rose merkt schnell, dass der Alptraum noch lange nicht vorbei zu sein scheint. Und dann verhält sich Josh zunehmend merkwürdiger und scheint nicht mehr er selbst zu sein. Haben die Dämonen etwa von dem paranormal empfänglichen Familienvater Besitz ergriffen?
Eine derbe Enttäuschung
Insidious war ein guter Film. Der Erstling der angelegten Trilogie (Teil 3 wurde bereits angekündigt) punktete mit gruseligen Bildern, effektivem Spannungsaufbau und herausragender Kameraarbeit. Klar, die Story wurde mit der Zeit ein wenig albern und unglaubwürdig – das Wort „Spektralreisen“ muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – aber darüber konnte man angesichts der gruseligen und virtuos inszenierten Spannungsmomente leicht hinwegsehen.
Bei der Fortsetzung sieht das leider anders aus. Der Film ist so erschreckend banal und unkreativ, dass man mehrfach nachsehen muss, ob hier wirklich immer noch James Wan am Werk ist. So uninspiriert und fast schon gelangweilt wird sich hier von Jumpscare zu Jumpscare gehangelt, ohne dass man hier auf neue Ideen oder kreative Einfälle stößt. Schon die erste Szene, die in Flashbacks zeigt, wie die junge Elise (gespielt von Lindsay Seim, aber vollkommen unverständlicherweise gedubbt von Lin Shaye) den jungen, von Visionen geplagten Josh untersucht, verheißt nichts gutes. Von dem langsamen, stetigen Spannungsaufbau des ersten Teils oder dem ebenfalls gelungenen The Conjuring ist hier nichts mehr übrig. Stattdessen hagelt es Jumpscares und „gruselige Szenen“, die in ihrer Vorhersehbarkeit fast schon wehtun.
WARNUNG: Kleiner Spoilereinwurf, wer den Film noch sehen will, bitte diesen Abschnitt überspringen:
Beispielsweise gibt es da eine Szene im Krankenhaus, in der ein alter Mann, der zuvor noch als Patient im Bett lag, plötzlich in einem Fahrstuhl auftaucht. Auf Ansprache reagiert er nicht, wenig später steigt er ausdruckslos aus und verschwindet. Die Figur, die mit ihm im Aufzug stand, wendet sich irritiert an eine Krankenschwester und fragt, warum der Patient denn schon wieder auf den Beinen ist. Dreimal dürft ihr raten, wie die Szene ausgeht:
a) Spontane Musicalnummer
b) Die Krankenschwester explodiert
c) Die Krankenschwester informiert die Figur, dass der Patient bereits am Vormittag verstorben ist.
Ja, es ist (leider) c). Horror sollte immer mit dem Unerwarteten spielen und wenn man bereits zu Beginn einer Szene deren Ende 1 zu 1 vorhersagen kann, ist das ein sehr schlechtes Zeichen und Insidious 2 ist leider voll davon.
Spoilerende.
Fehlende Schocks, unfreiwillige Lacher
Auch in Sachen Story kann Kapitel 2 nix reißen. Zu viele Elemente werden einfach aus Teil 1 recycled, ohne dass jemals die alptraumhafte Atmosphäre des Vorgängers erreicht wird. Weder die Dämonenvisionen noch die Rückkehr in die düstere Parallelwelt wissen zu überzeugen. Nicht einmal die kurze Found Footage-Einlage in der Filmmitte vermag auch nur den Hauch von Suspense auszulösen. Manche „Schocks“ wirken sogar fast schon unfreiwillig komisch, was man von den absichtlich komischen Momenten der zurückgekehrten Comic Relief Charaktere Tucker (Angus Sampson) und Specs (Leigh Whannell) leider nicht behaupten kann. Die beiden inkompetenten Geisterjäger waren schon in Teil 1 grenzwertig, hier sind sie hingegen so aggressiv unlustig, dass es an Körperverletzung grenzt.
Patrick Wilson, der in Teil 1 noch durchaus solide den skeptischen Familienvater gab, ist hier mit der Darstellung des besessenen Josh vollkommen überfordert. So sehr er sich auch bemüht, bösartig oder dämonisch auszusehen, er versagt auf ganzer Linie und löst statt der beabsichtigten Spannung maximal lautes Gelächter aus. Rose Byrne macht im Wesentlichen das, was sie auch im Vorgänger schon machen durfte, nämlich verängstigt durch die Gegend gucken und das kann sie auch ganz gut. Deutlich besser jedenfalls als die Kinderdarsteller, die leider viel zu hölzern sind, um zu überzeugen.
Horror-Resterampe
Leider leider ist Insidious: Chapter 2 nicht mehr als eine glorifizierte Resterampe, die alles, was Teil 1 ausgemacht hat, ignoriert und stattdessen zum gelangweilten, formelhaften Schnarchfest ohne auch nur eine einzige wirkliche Gruselszene mutiert. Alles wirkt wie bereits tausendfach gesehen und von James Wans kreativer Bildersprache bleibt so gut wie nichts mehr übrig. Teil 3 ist bereits in den Startlöchern und es bleibt zu hoffen, dass die Abwesenheit von Patrick Wilson und Rose Byrne sich dort positiv auf den Einfallsreichtum des Films auswirkt. Die Reihe hat es mehr als dringend nötig.
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