Jahresrückblick 2015: Britta
Reichlich Sibirien und eine wahrlich schöne Rückansicht
Viel gelesen. Wenig gesehen, gehört, besucht oder gar gespielt. So lässt sich wohl nicht nur mein Fischpott-Jahr 2015 zusammenfassen. Wie immer habe ich im Schnitt jeden Monat einen Beitrag geliefert, elf Beiträge bislang. Sechs davon gehörten in meine Lieblingskategorie gelesen, viermal habe ich etwas gesehen, einmal etwas besucht. Über Gehörtes habe ich nicht geschrieben, und gespielt habe ich leider gar nichts Nennenswertes. Letzteres ist mal wirklich traurig. Alles andere passt schon. Nicht das beste Jahr vielleicht, dieses 2015, aber wahrlich auch nicht das schlechteste.
gelesen
Zwei meiner sechs Beiträge zu meiner Lieblingskategorie stammten von einem meiner Lieblingsautoren: Philip Kerr. Prayer und zuletzt Der Wintertransfer gehören dabei auch insgesamt zu meinen literarischen Highlights 2015. Beide haben mich in meiner Ansicht bestätigt, dass der Meister der intelligenten Crime Story ein Gutes daran tut, seine Bernie Gunther Serie ein wenig ruhen zu lassen. So gar nicht begeistert haben mich der vierte Teil der Millennium-Trilogie (Verschwörung von David Lagercrantz) und Plan D von Simon Urban. Dabei war ersteres arg vorhersehbar, weshalb ich nur bei letzterem von Enttäuschung sprechen kann.
noch gelesen: Make Me von Lee Child (Jack Reacher 20)
Nun lese ich im Laufe eines Jahres noch so einiges mehr, ich schreibe nur nicht immer darüber. Nehmen wir Jack Reacher. Natürlich landet der jedes Jahr wieder kurz nach dem Veröffentlichungstermin der englischsprachigen Originalausgabe in meinen begierigen Fingern. Aber soll ich auch jedes Jahr wieder darüber schreiben? Seit 61 Hours (2010) unterlagen die Bände einigen Schwankungen. Um nicht zu sagen, dass es echte Durststrecken gab. Auch wenn böse Zungen behaupten, die Story sei etwas zäh, konnte mich Lee Child mit dem diesjährigen Make Me mal wieder packen. Zugegeben, wenn Reacher in seiner unnachahmlichen Zwanghaftigkeit in dem Städtchen namens Mother’s Rest nach dem Grund für die Namensgebung sucht, möchte man ihm schon mal in den Hintern treten: »Jung, komm aus dem Quark!« Allerdings braucht es dann schon das ganze Buch, um herauszufinden, worum es hier wirklich geht. Mich hat das gebannt.
noch gelesen: Zero von Marc Elsberg
Ein anderes Buch, das mich dieses Jahr begeistert hat, ist Marc Elsbergs Zero. Ich war ja schon von seinem Erstling Black Out sehr angetan. Mit seiner gar nicht mal so utopischen Utopie in Sachen exzessive Datensammler hat er nun mindestens mal genauso gut nachgelegt. Und nun in Anbetracht der aktuell vorgelegten EU-Datenschutzgrundverordnung erscheint mir Zero umso mehr als Pflichtlektüre. Vielleicht macht sie Achselzuckern, die Datenschutz extrem unsexy finden und glauben, nichts zu verbergen zu haben, ein wenig deutlicher, warum das Recht auf Vergessenwerden und das Recht auf Daten-Portabilität echte Errungenschaften sind.
noch gelesen: Der Rabe von Lionel Davidson
Nun zum Jahresende habe ich einmal mehr zu einem meiner Lieblingsbücher gegriffen. Auf Deutsch ist Der Rabe (Kolymsky Heights, 1994) von Lionel Davidson kaum mehr zu haben. Umso glücklicher schätze ich mich, diesen Spionage-/Abenteuerroman gleich zweimal zu besitzen. Ich muss mir also keine Sorgen machen, dass ich mich eines Tages nicht mehr zusammen mit dem Canadian Native Indian Johnny Porter (aka der Rabe) in das nordostsibirische Sperrgebiet Kolyma einschleusen kann, um dort Informationen aus einem Hochsicherheits-Forschungslabor zu besorgen – und das, weil mir das schon so oft gelesene Taschenbuch auseinanderfällt. Die Katz-und-Maus-Jagd, die des Rabes Ausreise über die Tschuktschen-Halbinsel und die Beringstraße nach Alaska prägt, gehört auf alle Fälle zum Spannendsten, das ich mich je nachts lange wachgehalten hat.
noch mehr gelesen
Haruki Murakami: Mister Aufziehvogel und Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki (beide toll), Ursula Poznanski: Blinde Vögel und Stimmen (beide nett), Juli Zeh: Spieltrieb (extrem anstrengend), Nick Louth: Die Suche (okay).
gesehen
Gesehen habe ich dieses Jahr für Fischpott tatsächlich nur eine Tier-Dokumentation: Unsere wilden Lieblinge. Das ist natürlich etwas dürftig für ein Kulturblog, das ein Tier im Namen trägt. Von allen anderen Filmen war es Kind 44, der mir am besten gefallen hat. (Hm. Die Story spielt zu Teilen auch in Sibirien…) Eher mau fand ich The November Man. Und an Ruhet in Frieden war das Interessanteste wohl, dass wir diese DVD quasi im Rudel geguckt und besprochen haben.
noch gesehen: James Bond – Spectre
Als James Bond gab Daniel Craig sich die Ehre und kam netterweise mit seinem Spectre in das Programmkino um die Ecke. Da konnte ich natürlich nicht nein sagen. Also nicht nur wegen seiner wahrlich schönen Rückansicht. Oder wegen seiner attraktiven Unterlippe. Wie manch anderen gefällt mir, dass mit Daniel Craig endlich eine zusammenhängende Story in die 007-Reihe eingezogen ist. Plötzlich macht alles Sinn. Und wenn dann auch noch der neue Q mehr tun darf, als Gadgets herauszugeben, das Bond-Girl viel von einem Reacher-Girl hat und der großartige Christoph Waltz den Bösewicht spielt – wer will da noch meckern?
nochmals gesehen: Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger
Ansonsten habe ich mich dieses Jahr noch einmal von Ang Lees Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger verzaubern lassen. Gäbe es nur einen Film, den du noch sehen kannst, bevor deine Lichter ausgehen: Life of Pi sollte einer deiner ganz heißen Kandidaten sein.
gehört und nicht besucht
Besucht habe ich nicht viel und über Gehörtes habe ich wie so oft gar nicht geschrieben, was eindeutig daran liegt, dass ich in Sachen Gehörtes recht monothematisch agiere. Ich hab halt so meine Lieblingsbands, viel mehr brauche ich nicht. Eine davon – Savatage, die es zwischenzeitlich gar nicht mehr gab – hat dieses Jahr in Wacken für Furore gesorgt. Erstmals sind zwei Bands auf zwei Bühnen gleichzeitig aufgetreten: Savatage zusammen mit dem Trans-Siberian Orchestra. (Oh Mann, schon wieder Sibirien. Langsam lässt sich ein Muster erkennen…):
Trans-Siberian Orchestra & Savatage: Carmina Burana (Wacken 2015)
Video-Link: https://youtu.be/9yGbABuPoxA
Schließlich wollte ich eigentlich am 17.12. nach Bochum fahren, um Operation Mindcrime zu sehen, das neue Projekt unter altem Namen von Ex-Queensrÿche-Frontmann Geoff Tate. Vielleicht hätte ich auch davon berichtet. Der Auftakt zu seiner geplanten Trilogie gefällt mir jedenfalls mal wieder richtig gut: In meinen Ohren ist bei The Key kein Aussetzer zu erkennen, auch wenn es viele gibt, die The Stranger wohl zu strange finden und auch mit den langsameren Nummern nicht so viel anfangen können. Herausragend progressive ist vor allem The Fall, während Re-Inventing the Future als geil-straighte Rocknummer daherkommt:
Operation Mindcrime: Re-Inventing the Future
Video-Link: https://youtu.be/vX7lRZmt8Hw
In diesem Sinne wünsche ich allen ein wunderbar neu zu erfindendes 2016!