Jahresrückblick 2017: Fabian
2017 ist so gut wie vorbei. Ein Jahr voll mit Filmen, Büchern, Spielen und all diesen Sachen, für die es diesen Blog gibt. Nicht alle haben es zu eigenen Artikeln gebracht, aber dafür gibt es ja den Jahresrückblick.
gelesen: Die Optimierer und das Batman-Mem
Radiohören lohnt sich. Denn nur so bin ich auf Die Optimierer von Theresa Hannig aufmerksam geworden. In diesem Science Fiction-Roman spielt Samson Freitag die Hauptrolle. Er ist ein Lebensberater, der den Menschen im durchoptimierten System der Bundesrepublik Europa bei ihren Entscheidungen für ihr weiteres Leben hilft – oder sie vielmehr ihnen abnimmt. Natürlich fällt Freitag in die Ungnade des Systems, was schon ein bisschen erwartbar ist. Aber Hannig orchestriert diesen Fall sehr schön und schafft ein so überraschendes Ende, das sich die Lektüre auf jeden Fall lohnt. Schön war es 2017 auch, wieder ein neues Zamonien-Buch in den Händen zu halten, aber da hat David schon alles zu geschrieben.
Ebenfalls lohnende Lektüre ist Batman: Re-Konstruktion eines Helden unseres Fischpott-Redakteurs Lars Banhold. In seinem minutiösen Werk legt er die Entstehung und Entwicklung Batmans, oder des Batman-Mems, wie er sagt, unters Mikroskop und zeigt daran exemplarisch sowohl die Kulturgeschichte als auch den Heldenbegriff des 20. Jahrhunderts. Man fühlt sich nach dem Lesen definitiv schlauer, und nun weiß ich auch, dass der Dark Deco-Batman der Neunziger mein persönlicher Batman ist.
Im Comicbereich ist 2017 der schlaue, lustige und mitunter pornographische Webcomic Curvy nach 9 Jahren zu Ende gegangen. Ein krönender Abschluss einer Saga voller Höhepunkte. Ähem. Nicht ganz so krönend war der Abschluss von Valerian & Veronique, den ich im Jahr des Filmstarts endlich gelesen habe. Die vier Bände zwischen 2002 und 2010 sind leider fast nur noch aneinandergereihte Wiederholungen von Leitmotiven und ewig wiederkehrenden Charakteren ohne Spannung.
gespielt: Protektoren und Propheten
Unvergessen werden meine Spielrunden des Protektor-Rollenspiels mit dem viel zu früh verstorbenen André Wiesler sein. Er war ein brillanter Spielleiter und ein guter Freund. Sein crowdgefundetes Rollenspielsystem, basierend auf dem Roman Protektor – Monsterjäger mit Sockenschuss wird 2018 erscheinen.
Zwar 2016 erschienen, aber erst 2017 gespielt: Masquerada: Songs and Shadows, eine Empfehlung von WASD-Chefredakteur Christian Schiffer. Ein rundenbasiertes Fantasy-Rollenspiel in einer Welt, die an Mozarts Zauberflöte und den venezianischen Karneval erinnert und nicht halb so kitschig ist, wie sich das anhört. Enttäuscht hat mich in diesem Jahr Monument Valley 2, das sich im Gegensatz zum durchaus fordernden Vorgänger als hübsche Rumklickerei entpuppt hat. Viel Spaß gemacht hat dagegen das indisch angehauchte digitale Wasteland-Sammelkartenspiel Nowhere Prophet, bei der ich die Vollversion im kommenden Jahr sehnlichst erwarte.
besucht: Der Kannibale in der Tofufabrik
Dieses Jahr war ich auch auf der documenta14. Einen Artikel hatte ich zwar geplant, aber aufgrund der eingeschränkten Fotonutzungsrechte auch von selbst gemachten Bildern verworfen. Am stärksten in Erinnerung bleibt mir der Clash of Esskulturen in der ehemaligen Tofufabrik im Kassler Norden. Dort lief der Film Commensal über Issei Sagawa, der 1980 die Niederländerin Renée Hartevelt umbrachte, sich an der Leiche verging und Teile davon aß. Der 68-jährige ist hier im Gespräch mit seinem Bruder zu sehen, blättert in dem Manga, den er über die Tat gezeichnet und geschrieben hat und isst schließlich ein Stück Schokolade in extremer Großaufnahme. Ein sehr unangenehmes Erlebnis und für mich der prägendste Eindruck von der documenta14.
Gelohnt hat sich 2017 der Besuch von Münster, der Stadt mit dem einzigen Lepramuseum Deutschlands, zur alle zehn Jahre stattfindenden Skulptur.Projekte. In der ganzen Stadt verteilt haben Künstler*innen ihre Projekte realisiert. Zum Beispiel Nairy Baghramian mit ihrer beeindruckend-unvollendeten, elegant-geschwungenen, tonnenschweren Skulptur Beliebte Stellen / Privileged Points am Erbdrostehof. Oder Alexandra Pirici mit ihrer Ensemble-Performance Leaking Territories, die im Bürgersaal des Rathauses eine menschliche Bibliothek der Erinnerungen und einen Google-Chor entstehen ließ.
gesehen: Dark und Inselfilme
Die meisten deutschen Bewegtbild-Produktionen fallen bei mir durch. Zu langweilig, zu peinlich und/oder zu nachgemacht. Wenn dann doch mal etwas positiv auffällt, vergebe ich allerdings innerlich einen Bonus, aus ‚ganz Ok‘ wird dann schon einmal ‚voll gut‘. Wie ein Lehrer, dessen faulster und unfähigster Schüler überraschend einmal ordentlich gemachte Hausaufgaben abgegeben hat. Und jetzt kommt Dark. Mit einer seltsam spröden Mischung aus Back to the Future, Stranger Things und vielleicht noch ein bisschen Tatort zaubert Regisseur Baran bo Odar einen in sich logischen Familiendrama-Zeitschleifen-Thriller, der nur durch das komplett offene Ende der ersten Staffel enttäuscht. Denn in der Tat will ich sofort weitersehen. Ob das am seltsamen Deutsch-Bonus liegt oder daran, dass Dark wirklich so gut ist, kann ich im Moment noch nicht genau sagen.
Im Kino kann ich mich nur David anschließen: Get Out, Dunkirk, Baby Driver, Atomic Blonde – alles super. Und auch wenn der dritte Thor ein ganz großer Spaß war, ist mir an einer kleinen Stelle sinnlose tödliche Gewalt (Valkyrie gegen maskierte Schrottplatz-Plünderer) unangenehm aufgefallen. Nennt mich Spießer, aber wenn (selbst für abgewrackte und kaputte) Helden Menschenleben nichts mehr wert sind, sollte man vielleicht noch einmal über die Altersfreigabe oder den Heldenbegriff reden. Dasselbe gilt auch für Guardians of the Galaxy Vol. II (Yondu gegen Ravager). Vielleicht fallen mir dazu im Lauf des kommenden Jahres ein paar passende Zeilen ein.
The Last Jedi war seltsamer und faszinierender als erwartet und ist vielleicht der richtige Schritt zu einer teilweisen Erneuerung des Star Wars- Universums. Ich glaube, ich muss den noch einmal sehen. Besonders gut gefallen haben mir 2017 noch zwei Inselfilme, der minimalistisch-tiefgehende Die rote Schildkröte aus dem Hause Ghibli und der stumpfe, aber unterhaltsame Kong: Skull Island. Favorit des Jahres könnte aber der nahezu perfekte Coco von Disney/Pixar sein. Echt unterhaltsam – für einen deutschen Film, ihr kennt mein Problem – war Offline, die deutsche Komödie über einen Gamer, der seinen Charakter verliert und eine Queste in die analoge Welt unternimmt.
gehört: Wüste und schlechte Lieder
Ganz fantastisch fand ich Wüste Lieder von The Twang. Nach ihren jahrelangen Streifzügen durch die Prärien der englischsprachigen Popmusik haben die Cowboys deutschsprachige Lieder, von Griechischer Wein über Augenbling bis Er gehört zu mir (mit Bela B.) gecovert. Großartig!
Außerdem ganz großer Hörgenuss: Das Feature Schlechte Lieder, die lausig klingen, mehr ein langes Interview mit Farin U. über die Lieder des Künstlers, die es nicht auf Ärzte-Alben geschafft haben. Und in die man dann hier reinhören kann.
Das war 2017 für mich, wobei ich mit einiger Sicherheit unzählige Werke schon wieder vergessen habe. Einen guten Rutsch, liebe Lesende, und ein gutes 2018.