Jason Bourne
„Ihr kennt seinen Namen“ krakeelt es finster von sämtlichen Trailern und Plakaten. Und es stimmt – neun Jahre nach seinem letzten Leinwandauftritt prügelt sich Jason Bourne aka David Webb aka Maaaatt Daaaamooon erneut durch die dunklen Ecken der CIA. Noch heute gelten die Bourne-Filme als moderne Klassiker des Actionfilms. Aber brauchen wir noch einen von der Sorte?
Eigentlich könnte alles so schön sein. Nachdem er sämtliche Geheimnisse um seine verschwurbelte Vergangenheit endlich aufgedeckt hat, lebt Jason Bourne (Matt Damon) irgendwo im Nirgendwo und kloppt sich in illegalen Fight Clubs, um seine Rente aufzubessern. Doch es dauert nicht lang, bis er wieder in das Fadenkreuz der CIA gerät: Nicky Parsons (Julia Stiles) hat sich kurzerhand in die Black Ops-Geheimakten gehackt und neben einem völlig neuen Superagenten-Programm auch neue Informationen über Bournes Vergangenheit entdeckt. Das ruft CIA-Direktor Robert Dewey auf den Plan, der Parsons und Bourne einen hochtrainierten Auftragskiller (Vincent Cassel) auf den Hals hetzt. Es beginnt eine wilde Hetzjagd um den Globus, in die auch die ambitionierte Agentin Heather Lee (Alica Vikander) und der idealistische Gründer einer neuen Social Media-App (Riz Ahmed) verwickelt sind.
Kinder, es ist wieder 2007
Jason Bourne … ist ein Bourne-Film. Bitte, halten Sie ihren Applaus angesichts dieser bahnbrechenden Erkenntnis, damit ich etwas Kontext dazu geben kann. Ob man es nun feiert oder nicht, Jason Bourne reiht sich ziemlich nahtlos in die letzten Filme der Reihe ein und wirkt dadurch mittlerweile fast schon seltsam retro. Wieder versucht Bourne irgendwas über seine Vergangenheit herauszufinden, wieder wird er von einem Geheimdienst unter der Leitung eines sinistren älteren Herrs mit grauen Haaren gejagt (nach Chris Cooper, Brian Cox und David Strathairn darf jetzt auch mal graue Eminenz Tommy Lee Jones die Worte „Findet Bourne!“ grummeln), wieder rennen Agenten durch neonbeleuchtete Räume, starren auf Satellitenbilder und rufen, dass das „Asset“ aktiviert wurde, wieder wurde ein „Asset“ aus dem Black Ops-Programm aktiviert (Vincent Cassel tritt in die Fußstapfen von Clive Owen, Karl Urban und Joey Ansah).
Neun Jahre ist es her, seit Das Bourne Ultimatum die Trilogie um unser aller Lieblings-Amnesieagenten beendete – bevor Das Bourne Vermächtnis einen knuffigen Versuch unternahm, eine neue Trilogie mit Jeremy Renner zu starten. Kritiker wie auch Fans preisen die Serie (mit Ausnahme von Vermächtnis vielleicht) bis heute als bahnbrechendes Meisterwerk des Actionkinos an; der dritte Teil hat sich sogar einen Platz auf der imdb-Top 250-Liste ergaunert. Man ist sich einig: Das Franchise wurde mit jedem weiteren Teil besser…und dann kam halt Vermächtnis … sorry, Jeremy Renner.
Hier ist das Ding: Für mich ist der erste Teil der Reihe immer noch ungeschlagen der beste. Unter der Regie von Doug Liman war Die Bourne Identität ein spannender, atemloser Thriller mit, zugegeben, einem nicht allzu bahnbrechenden Plot. Aber hier stimmte einfach das Gesamtpaket: Jason Bourne war ein sympathischer Protagonist, seine Interaktionen mit Marie (Franka Potente) waren großartig und verleihten den dynamisch inszenierten Actionszenen umso mehr Wucht. Packt man dann noch eine exzellente Autoverfolgungsjagd, sauber choreographierte Faustkämpfe und eines der besten Action-Finals der jüngeren Filmgeschichte ober drauf – Hammerfilm.
Und dann kam Paul Greengrass.
Die Bourne Verschwörung und Das Bourne Ultimatum sind, ob man es nun feiert oder nicht, das, was man heute mit den Bourne-Filmen assoziiert. Greengrass drückte der Serie seinen charakteristischen Stempel auf und veränderte das moderne Action-Kino maßgeblich und nachhaltig (der Erfolg der beiden Filme veranlasste unter anderem die James Bond-Filme nach dem katastrophalen Stirb an einem anderen Tag zu dem dunklen Reboot Casino Royale). Beide Filme lassen sich als ein großes Katz-und-Maus-Spiel zwischen der CIA und Bourne zusammenfassen. Die Kämpfe waren härter, die Autocrashes spektakulärer, die Verfolgungsjagden atemloser.
Leider ging dabei, zumindest für mich, etwas sehr wichtiges verloren: Bourne mutierte sowohl in Verschwörung als auch in Ultimatum vom sympathischen Amnesie-Patienten mit Persönlichkeit zur unaufhaltsamen Killermaschine. Damon legte sich einen stoischen Gesichtsausdruck zu und war seinen Gegnern plötzlich jedes Mal drei bis fünf Schritte voraus. Für Emotionen war nicht mehr groß Zeit, es gilt Verfolger abzuschütteln. Die Einzelszenen waren hochspannend wie eh und je, aber sie wirkten plötzlich klinisch, distanziert. Ohne Franka Potente und ihre Interaktionen mit Damon fehlte es ganz entschieden an Sympathieträgern.
Und die Wackelkamera, oh, Jesus Christus auf einem Skateboard, die Wackelkamera. Ja, es ist fester Teil von Paul Greengrass’ Stil, in den Actionszenen auf dynamische Handkamera-Bewegungen zu setzen. Greengrass hat diese Art zu filmen perfektioniert und damit ein ganzes Genre nachhaltig geprägt. Hier ist das Problem: Ich kann sie nicht ab. Ich möchte die Kampfchoreographien SEHEN, nicht erahnen. Ich möchte, dass in Szenen, in denen Jason Bourne seinem Gegner die Zähne einschlägt, die Kamera auf Jason Bourne, der seinem Gegner die Zähne einschlägt, gerichtet ist und nicht auf die staubige Zimmerecke hinten rechts, weil ein parkinsonkranker, muskelschwacher Kameramann mit drölf Litern Koffein in den Venen meint, dahin sollte die Linse mal hinwackeln, während im Vordergrund unscharf Jason Bourne seinem Gegner die Zähne einschlägt.
Ein Fossil aus einer anderen Zeit
Jason Bourne knüpft nun nahtlos an die letzten beiden Filme an. Aber irgendwie ist die Luft heraus. Was in den Vorgängerfilmen noch frisch und dynamisch wirkte, ist nun irgendwie gezwungen. Denn trotz meiner persönlichen Probleme mit den späteren Filmen des Franchises hatte es Greengrass immer noch geschafft, die unzähligen Katz-und-Maus-Szenen, in denen Bourne versucht, seine Gegner abzuschütteln, spannungsgeladen zu inszenieren. Hier sind alle, wirklich ALLE Zutaten wieder da, der Film ist quasi eine 1-zu-1-Kopie von Verschwörung und Ultimatum – und doch will es nicht mehr wirklich begeistern.
Die Faustkämpfe wirken müde, die obligatorische Autoverfolgungsjagd unnötig exzessiv, der Plot selbst für Bourne-Verhältnisse gezwungen und ermüdet. Selbst wenn Damon mal wieder auf einen Motorroller hüpft und damit ein paar Tausend Treppenstufen herunterfährt, ruft das nicht mehr dieselbe Begeisterung wie in den alten Filmen hervor. Das wäre verschmerzbar, hätten wir es hier mit dem sympathischen, getriebenen Jason Bourne des ersten Filmes zu tun. Aber Damon spielt hier wieder nur eine effiziente Maschine, was man ihm so langsam auch nicht mehr abkaufen will, immerhin machen die Tränensäcke unter seinen Augen schon fast denen von Chris Cooper aus Teil 1 Konkurrenz.
Die Bourne-Filme haben das Action-Genre sowohl positiv als auch negativ geprägt. Doch mittlerweile scheint die Luft heraus zu sein. Anstatt neue, interessante Wege zu gehen, ruht sich Jason Bourne auf vergangenen Lorbeeren aus. Das hat immer noch einen nicht zu unterschätzenden Unterhaltungswert, aber bereits im Abspann hat man Mühe, sich an einzelne Szenen oder gar den Plot zu erinnern. Vincent Cassel und Alica Vikander sind wilkommene Neuzugänge im Franchise, aber auch ihre Figuren werden verschenkt. Der Film ist ein einziges, riesengroßes „Meh“.
„Ihr kennt seinen Namen“? Ja, wir kennen ihn. Vielleicht ist das ja auch das Problem.
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