Jessica Jones
Bisher waren die Ressorts bei den zwei großen Comicverlagen einigermaßen klar verteilt. DC hatte bei TV-Formaten die Nase vorn (Arrow, Smallville, Gotham etc) während Marvel das Kino für sich bunkerte (Avengers, Thor, Iron Man etc) … vielleicht abgesehen von Nolans Batman-Filmen. Während DC aber 2016 zum Großangriff auf die Kinolandschaft mit Batman v Superman: Dawn of Justice und Suicide Squad bläst, greift Marvel zunehmend die Hoheit auf der Mattscheibe an. Jüngst mit Jessica Jones die seit dem 20. November 2015 auf Netflix zum binge-streamen bereitsteht.
Ich würde schon behaupten, eine gewisse Ahnung von der Comiclandschaft zu haben. Jessica Jones war mir allerdings bisher eher unbekannt und gehört wohl auch kaum zur ersten Superheldenriege des Hause Marvel. Die 2001 von Brian Michael Bendis und Michael Gaydos erschaffene Heroine brachte es aber immerhin in ihrer eigenen Serie auf 28 Ausgaben, in der sie fluchte, trank und mit ihrer übermenschlichen Stärke einige Knochen brach. Das machte sie wohl auch perfekt für den Bezahldienst Netflix, der wenig Restriktionen unterliegt und Anfang des Jahres bereits mit Daredevil bewies, dass er mit Comiccharakteren umzugehen weiß.
Ex-Superheldin und immer-noch Superschurke
Comic wie TV-Serie setzen untypischerweise ein, nachdem Jessica Jones (Krysten Ritter) ihre Superheldenkarriere an den Nagel gehangen hat, um Privatdetektivin zu werden. Kaum selbstständig gemacht, führt sie der Fall eines verschwundenen Mädchens wieder zurück zu den Gründen, die sie das Kostüm ablegen ließen. Im Laufe der Serie kommt Jessica dann ihren persönlichen Dämonen und damit vor allem dem hedonistischen Kilgrave immer näher. Dabei zur Seite stehen ihr ihre Jugendfreundin Trish Walker (Rachael Taylor), der gutaussehende Barbesitzer Luke Cage (Mike Colter), die skrupellose Anwältin Jeri Hogarth (Carrie-Anne Moss) und noch ein paar andere Gestalten, denen meistens selbst übel mitgespielt wurde. Staffel 1 funktioniert dabei als fortlaufendes Narrativ, wie bereits Daredevil, vermeidet also eher eintönige Formate im Sinne vom „Gegner der Woche“.
Die Nebenfiguren in Jessica Jones sind aber keine bloßen Sidekicks, wie sie nur allzu häufig anzutreffen sind. Holzschnitte wie „die Wissenschaftlerin“ oder „der geekige Kumpel“ sucht man vergebens. Stattdessen kämpfen die Figuren mit ihren eigenen Dämonen und machen selbst tiefgreifenden Entwicklungen durch. So verschwinden einige Charaktere auch mal ein paar Folgen lang und tauchen erst wieder auf, wenn sie für die Geschichte relevant werden. Bartender Luke, Junkie Malcolm oder Ex-Kinderstar Trish packen einem manchmal sogar mehr als die Hauptfigur Jessica und verleihen so der gesamten Serie Tiefe. Ebenso wie der von David Tennant (Doctor Who) schrecklich unsympathisch, und damit schrecklich gut, verkörperte Bösewicht Kilgrave.
Sam Spades Erbin: Ein trinkendes Ex-Model
Während Daredevil recht actionreich angelegt war, setzt Jessica Jones auf eine Crime-Noir Atmosphäre. Weder ist die Hauptfigur eine Kampfsport-Expertin, noch greift sie regelmäßig zu Schusswaffen. Ihre übernatürliche Stärke sorgt allerdings schon mal dafür, dass sie große Kerle etwas durch die Luft wirbeln lässt. Ansonsten gestalten sich die Episoden eher subtil. Es geht darum, Informationen zu sammeln oder jemanden zu beschatten. Das sorgt im Gegenzug auch dafür, dass die Serie etwas mehr Anlaufzeit braucht um richtig in Fahrt zu kommen. Spätestens aber die zweite Hälfte der ersten Staffel packt einen und erzeugt den Drang, doch noch eine letzte Folge vor dem Schlafengehen zu schauen, auch weil Kilgrave eine immer größere Rolle einnimmt.
Krysten Ritter macht eine gute Figur als gebrochene Heldin. Besonders wenn sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird oder sich anderen gegenüber öffnet reißt sie einen mit. Wenn sie sich allerdings in ihrer Detektei verkriecht und nur noch Jack Daniels als Nahrung zu sich zu nimmt, mutiert sie etwas sehr zu einem Abziehbild des klassischen Noir-Detektiv vom Format eines Sam Spades … und das kauft man dem immer noch gestylten Ex-Model dann doch nicht so ganz ab.
Das sind aber kleine Makel einer Serie die auf hohem Niveau spielt. Das Sitzfleisch für den etwas ruhigeren Anfang lohnt sich jedenfalls allemal. Bisher ist noch keine zweite Staffel bestätigt, was insbesondere angesichts der späteren Folgen sehr schade ist. Ein Wiedersehen wird es mit Jessica Jones und auch Luke Cage aber definitiv geben. Nicht nur bekommt Jessicas Schwarm eine eigene Serie, beide werden neben Daredevil und Iron Fist auch in „The Defenders“ erneut zu sehen sein. Da sieht die Fernsehzukunft doch rosig aus!
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