Jonas, nur Jonas
42 Stunden mit dem letzten Detektiv
Es ist vorbei. Zwei Jahre lang waren Jonas und Sam immer an meiner Seite: Im Auto, im Zug, im Bus. Der abgebrühte Detektiv, Veteran des antarktischen Krieges und sein ewig plappernder Taschencomputer sind die Hörspiel-Protagonisten einer kaputten Welt voller Mord, Totschlag und den Vereinigten Staaten von Europa. Sie kommen aus einer längst vergangenen und doch nie geschehenen Zukunft.
1984: Eine Dystopie im Bayrischen Rundfunk
Als Michael Koser 1984 die erste Folge namens »Testmarkt«, produziert, spricht Sam noch mit der Stimme von Joachim Wiechmann. Peer Augustinski sollte die Rolle des sprechenden Taschencomputers erst in Folge Nummer fünf übernehmen. Die Stimme von Jonas bleibt die gesamte Serie über Bodo Primus, der seit 1962 immer wieder in Radio und Fernsehen zu hören ist. Weitere bekannte Stimmen tauchen auf, Evelyn Hamann zum Beispiel, Harald Leipnitz oder Christine Neubauer. 40 Folgen produziert der Bayrische Rundfunk, die Reihe läuft dort bis 2001.
Das Besondere an der Serie »Der letzte Detektiv« ist ihre gnadenlose Dystopie. Auch wenn Jonas kein Hacker ist (das macht meistens Sam für ihn), nimmt Koser die Hörer mit in eine bitterböse Cyberpunk-Welt mit Mörder-Shows zur Primetime und Ghettos für Freaks und Außenseiter. Hier haben die Mächtigen, die Reichen und die Konzerne die Macht. Witwen und Waisen in Not kommt kein Ritter in strahlender Rüstung zu Hilfe sondern ein zynischer Privatdetektiv mit einem Herz aus Gold und den Skills zum Töten.
2009: Casablanca liegt in Babylon
Autor Koser zitiert mit seinem Jonas den Hardboiled-Detektivroman a là Raymond Chandler: Der Kriegsveteran (Antarktischer Krieg, um die Jahrtausendwende) Jonas ist 2009 der letzte Detektiv in der Metropole Babylon. Fast jede Folge beginnt einem Klienten oder einer Klientin und Jonas’ Nachforschungen, unterstützt vom loggorhöischen Taschencomputer Sam. Dabei enden die Aufträge nicht selten mit der Aufklärung einer tiefergehenden Verschwörung und manchmal sogar einem (weiteren) Mord. Ist der Übeltäter ein richtiger Schweinehund, sieht Jonas auch schon einmal rot und sorgt selbst für sein Ableben.
Und die Bösewichte haben es in sich. Frau Professor Mabuse vom Zentralinstitut für Populationsforschung, die sich mit Selbstmorddrogen und Schrumpfstrahlen der Überbevölkerung annimmt. Oberst Frank, der Chef der Terror-Polizei und der Sondereinheit SSA 9. Stalin, der Anführer eines Nomadenstamms im verwüsteten Niemandsland. Alle leben in den Vereinigten Staaten von Europa, für die Koser einige interessante Prognosen gestellt hat. Zum Beispiel schreibt er über die Währung Euro (mit Untereinheit Cent) oder die Volksrente, die nicht von ungefähr an Hartz-IV erinnert. Dass ihn ansonsten die Zeit überholt hat und das Jahr 2009 ganz ohne Laserpistolen, Gerichtsroboter und Antarktischen Krieg auskommt, stört nicht weiter.
Dabei geizt Koser nicht mit literarischen Referenzen. Außer Anleihen bei der Schwarzen Serie gibt es mit Frau Professor Mabuse Ausflüge ins phantastische Krimi-Genre. Das kleine lateinamerikanische Land Costaguana hat er sich wahrscheinlich aus dem Roman Nostromo von Joseph Conrad geliehen (der wiederum der Namensgeber des verhängnisvollen Schiffs aus Alien ist). In einer Jonas-Episode kriegt ein Jung-Detektiv namens Justus sein Fett ab und Professor van Dusen, Kosers erster Hörspiel-Detektiv, taucht als Namensgeber des Van-Dusen-Platzes und des seltenen Elements Dusenium auf.
2008: Das Ende der Zukunft
Auch wenn die Reihe um Jonas und Sam 2001 ausgelaufen ist, fand sie nie ein richtiges Ende. Bis die Hamburger Anwaltskanzlei Bahr sich der Sache angenommen hat. Das abrupte Ende empfand man dort als „künstlerische Kastration“ und produzierte zwei Abschlussfolgen, »Comeback« und »Abgesang« als freie Downloads. Michael Koser schrieb die letzten Folgen und auch alle Originalsprecher fanden sich zusammen. So endet die Science-Fiction-Serie passend mit Episode 42 und einer Träne im Augenwinkel des Zuhörers.