June
Als Lily und Dave mit der 9-jährigen June ein Pflegekind aufnehmen, ahnen sie nicht einmal ansatzweise, auf was sie sich einlassen. June ist nicht irgendein Kind, nein, sie ist quasi die Tochter der Göttin (Oder Dämonin? Oder archaischen Kraft?) Aer. Und Aer will wiedererweckt werden, um die Welt umzuformen.
Und das ist nicht einmal ein Spoiler, das wird in den ersten Minuten bereits geklärt.
Nachdem ein von kapuzinierten Kultisten initiiertes Ritual gehörig schief läuft bleiben außer jeder Menge toter kapuzinierter Kultisten nur ein junges Mädchen und June als Baby übrig. Selbige wird vom örtlichen Jugendamt zu immer wieder neuen Pflegefamilien gebracht. Und immer wieder geht etwas schief. Neun Jahre später ist es wieder einmal so weit. June ist bei einer eher schlichten Familie in einem Trailerpark untergekommen. Pflegepapa läuft dabei die ganze Zeit im schicken Wifebeater rum, trinkt gern Bier und passt auf die insgesamt fünf Pflegekinder auf, Pflegemama geht tagsüber mit netten Männern aus und verdient so offenbar den Lebensunterhalt der Patchworkfamilie bzw. einen Teil dessen, da es für das Aufnehmen von Pflegekindern ja schließlich auch ein bisschen Geld gibt. Beim fröhlichen BBQ zum Nationalfeiertag wird June dabei mal wieder derartig geärgert, dass sie einfach einen kleinen Wirbelsturm herbeiruft und der nette Herr vom Jugendamt die nächste Familie aussuchen darf.
June ist nicht offensichtlich böse oder gefährlich, sie sitzt meist brav rum und malt lustige Bilder, bei denen sie die meisten Figuren immer wieder und wieder (und wieder und wieder) durchstreicht. Oder sie starrt auf den Boden oder glotzt Blumen an. Was Kinder, die von einer archaischen (oder dämonischen oder göttlichen) Kraft besessen sind halt so machen. Irgendwie hat mich die Grundprämisse auf dem Backcover der Blu-Ray an das Videospiel Beyond Two Souls erinnert. Das Spiel ist aber, das sei vorweg gesagt, besser. Und das heißt schon was.
Daran ändert sich grundsätzlich auch nichts, als sie bei Lily (hübsch: Victoria Pratt) und Dave (Er ist wieder da! Wer? Casper van Dien!) unterkommt. Nur dass June Dave hasst beziehungsweise Aer hasst Dave. Immer, wenn June von ihrer für die Erwachsenen nur imaginären Freundin heimgesucht wird färben sich ihre Pupillen schwarz und es geschehen seltsame Dinge.
So, das klingt wie der übliche Okkult-Thriller. Poltergeist, Das Omen und wie sie alle heissen. June schafft es aber nicht, wirklich spannend zu sein und hält sich mit dem Übernatürlichen auch eher zurück. Regisseur L. Gustavo Cooper (eigentlich sollte so jemand ja eher Gustavo L. Copper oder besser Gustavo LL Cooper heißen, aber egal) zeigt in schicken Bildern und ruckligen Drohnenaufnahmen wie June mit ihrer neuen Familie zurecht kommt, inklusive Hamburger-Essen am spießigen Essenstisch (wo jede Geste sitzt, Lily und Dave schön demonstrativ Händchen halten und Wein trinken, June ein großes Glas Milch und abgezählte Möhren und Brokkoli zum Burger kriegt), Picknick/Camping mit Marshmallows am Lagerfeuer und natürlich einem schönen heißen Bad. Und auf einmal stoppendem Regen, plötzlichem Kälteeinbruch und der Wahnvorstellung, der Ehering könnte im Müllhäcksler gelandet sein (weshalb Casper van Dien seine spärlichen Schauspielkünste noch um ein paar schicke Fingerverbände wickeln darf). Überhaupt Schauspielkünste … Dave hat eine schöne Retro-Spiegelreflexkamera. Mit der macht er immer wieder Fotos von June beziehungsweise versucht Casper van Dien unbeholfen klicki-klicki zu machen. Victoria Pratt schaut dafür stets besorgt (und beherrscht dieses laszive auf-die-Unterlippe-beissen perfekt) und selbst, wenn June gerade eben noch die ganze Küche mit ihren Kräften zerlegt hat (vor aller Augen) glaubt sie als Lily Dave kein Wort, als dieser in ihrem Zimmer eingeschlossen wird und danach ein ähnliches Chaos herrscht. Nein, er könnte sie ja geschlagen haben (wie Casper aussieht würde ich das aber auch glauben ehrlich gesagt) und sollte deshalb besser ausziehen.
Die Handlung springt dabei von „ganz interessant“ über „oh, wirklich??“ bis zu „völlig belanglos“ und zurück. Einzig die White-Trash-Milleustudie am Anfang wirkte erschreckend authentisch und fremdschämig-unterhaltsam. Mochte ich. Auch die Keyboardmusik hat mir gut gefallen, schön unauffällig, ätherisch und schön. Die Bilder waren echt hübsch, auch die klassische lange Einstellung, in der ein Auto von links nach rechts fahren darf (und die mir zuerst in The Texas Chainsaw Massacre aufgefallen ist und inzwischen in jedem zweiten Independent-Film zu finden ist) sieht schick aus, Nahaufnahmen von Blumen und anderen Dingen sind auch sehr stimmungsvoll in das Gesamtbild eingepflochten.
Dennoch, der Film ist zu glatt und spannungsarm um ihn ernsthaft weiterzuempfehlen. Wer sich von der Story angesprochen fühlt oder von dieser Art von Film einfach nicht genug kriegen kann sollte natürlich auch hier eher einen kleinen Haken denn großen Bogen schlagen und direkt zur Kasse gehen. Der Rest bleibt besser draußen.
Die Untertitel sind mal wieder nur auf deutsch verfügbar. Ich sollte ab jetzt nur mehr erwähnen, wenn dies NICHT so ist. Sonst vergeude ich doch nur wieder unnütze Energie. Achso, der Sound war dann doch auch ganz gut. Geschaut habe ich wie immer den O-Ton (englisch).
Verdammt, jetzt bereue ich, das Gekasper vom Casper verpasst zu haben. (Na, nicht wirklich – aber schönes Review! Ich wusste bis eben nicht, was ein Wifebeater ist. Wieder was gelernt. Musste nicht einmal googlen, da jeder andere im Raum meine Frage beantworten konnte…)