Kill Creek – ein Horror-Thriller von Scott Thomas
Das Cover von Kill Creek sieht schon mal einladend aus. Ein schwarz/weiß gehaltenes Haus mit vernagelten Fenstern. Auf dem Dach stehen zwei alte Damen, am Baum nebenan hängt ein Galgenstrick. Aber zum Glück will „das Böse nur spielen …“ – wie das Cover verrät. Nur wie passt die blutrote Titelschrift dazu und wie kann sich das Debüt von Scott Thomas im umkämpften Horrorgenre gegen die Konkurrenz behaupten? Wir haben die Schlafsäcke eingepackt, Brote geschmiert, Tee gekocht und eine Nacht im Kill Creek-Haus verbracht.
Vier wie sie unterschiedlicher nicht sein können

Ebenfalls eine Nacht im berüchtigten Kill Creek-Spukhaus verbringen sollen vier der bekanntesten Horrorschriftsteller Amerikas. Da wäre erstmal Sam McGarver, ein relativ erfolgreicher Autor im Mainstream, der gerade eine Schreibblockade durchmacht. Er hält nebenbei Vorlesungen im College zum Thema Horror und erzählt dabei von Filmen wie The Texas Chainsaw Massacre oder A Nightmare on Elm Street. Inspiriert wurde er von der Horrorlegende Sebastian Cole. Der ist ebenfalls eingeladen und eher der Gentleman unter den Horrorautoren, seine Spezialität ist subtiler Horror mit eher wenig bis keinem Splatter. Weniger subtil ist T.C. Moore. In ihren Romanen wird heftig gemordet, gebumst und es kommen recht viele eklige Abgründe der Menschheit sowie noch ekligere Dämonen vor. Dann wäre da noch Daniel Slaughter. Er ist bekennender Christ und seine eher dünnen Gruselheftchen richten sich an Teenager. Das Gute gewinnt hier immer und die Botschaft ist moralisch sauber.
Horrorschriftsteller im Horrorhaus. Nur warum?
Eines Tages bekommen diese vier Schriftsteller eine Einladung. Sie sollen ein Interview für die beliebte Internetplattform WrightWire geben. Geführt wird diese von Mr. Wainwright, dessen Plattform monatlich 100 Millionen individuelle Besucher hat. Er ist bekannt dafür, eher unkonventionelle Horrorevents zu organisieren, die auch Leute begeistern können, die sich nicht zum Hardcore-Horror-Fandom bekennen. Und da kommt es doch sehr gelegen, wenn die vier angesagtesten HorrorschriftstellerInnen eine Nacht im Kill Creek, immerhin einem der bekanntesten Spukhäuser Amerikas, verbringen müssen. Natürlich nur für ein Interview, versprochen. Nicht jeder der vier ist anfangs von dieser Idee begeistert. Sam hat eigentlich gar keinen Bock, aber die 100.000 Dollar Honorar sind schon sehr überzeugend. Genauso wie bei ihm läuft es auch bei Moore nicht immer gut, sie verkauft zwar ordentlich, aber der Verkauf der Filmrechte lief nicht so toll. Die Produzenten wollten aus einem ihrer härtesten Romane eine Twilight-artige Schmonzette machen. Nur Daniel ist begeistert. Er wird in der Literaturszene eher belächelt, da er mehr oder weniger nur Groschenromane schreibt und freut sich, seine Kollegen und Idole mal in natura zu sehen. Und Sebastian? Für ihn ist die Sache ein letztes Abenteuer, schließlich ist er schon weit über 70 Jahre alt.
Spukt es jetzt im Kill Creek oder nicht?
Gute Frage. In erster Linie ist das Kill Creek ein altes Haus in Kansas, 1859 von einem Mann namens Goodman erbaut. Da er eine ehemalige Sklavin zur Geliebten genommen hatte, kam es zu einem furchtbaren Verbrechen. Während er schwer verletzt verblutete, musste er zusehen, wie seine Frau vergewaltigt und aufgeknüpft wurde. Danach wurde das Haus immer wieder mal vermietet, aber niemand hielt es allzu lange dort aus. Erst 1975 wurde es an die Finch-Schwestern verkauft. Diese haben auch einen bekannten Geisterjäger und Buchautor eingeladen, über das Haus zu schreiben. Dadurch war das Kill Creek-Haus wieder eine Zeit lang im Gespräch. Irgendwann musste eine der Schwestern in den Rollstuhl und verließ das Haus als Leichnam. Ihre Schwester erhängte sich später im Baum. Seitdem steht das Haus leer und hält maximal als Mutprobe für ansässige Teenager her. Immer wieder wurde von seltsamen Phänomenen auf dem Grundstück berichtet. Und auch unsere 4 Schriftsteller machen die eine oder andere mehr als nur gruselige Erfahrung, während sie sich im Kill Creek-Haus aufhalten.
Gefangen im Wahn eigener Geheimnisse
Erschwerend hinzu kommt, dass jeder unserer vier Schriftsteller auch das eine oder andere eher düstere Geheimnis mit sich trägt. Sams Haut am Arm ist verbrannt und vernarbt, seine Mutter starb bei einem Brand. Oder steckt mehr dahinter? Moore ist sehr impulsiv und selbstbewusst und scheint vor allem Männer und Nähe regelrecht zu hassen. Sie scheint Opfer massiver Gewalt gewesen zu sein; ihre Pupille ist in einem Auge ausgelaufen. Sebastian hat sein Leben lang seine Homosexualität verleugnet. Daniel Slaughter scheint ein glücklicher Typ zu sein, verheiratet, eine Tochter, voller kindlicher Begeisterung. Nur seine Bücher werden von den anvisierten christlichen Buchläden immer mehr aussortiert, da sie immer noch im Horrorgenre zu Hause sind. Im Laufe des Interviews stellt Wainwright ein paar sehr provokante Fragen und heizt die teilweise eh schon angespannte Stimmung im Haus noch mehr an. Mehr möchte ich hier aber auch gar nicht verraten. Doch, einen habe ich noch: Kill wird übrigens vom mittelniederländischen Kille abgeleitet und bedeutet Graben, Wasserweg oder auch Fahrrinne. Und als Creek wird ebenfalls ein Wasserlauf oder Bach bezeichnet. Das nur nebenbei erwähnt.
Kill Creek – für mich echt eine Überraschung
Scott Thomas ist mit Kill Creek ein echt tolles Horrordebüt gelungen. Er schreibt durchaus im Stil von Autoren wie Stephen King. Das Böse manifestiert sich nicht nur durch Dämonen aus der Vergangenheit der Protagonisten, wir spüren schnell, dass hier wirklich etwas lauert. Etwas Ungreifbares, dem wir schwer entkommen können. Das Interview im Spukhaus ist auch nicht mal der Hauptbestandteil von Kill Creek, es passieren einige überraschende Wendungen und die Story nimmt immer mehr Fahrt auf. Ich fühlte mich manchmal an Klassiker wie Shining oder The Ring erinnert. Dabei tischt Scott Thomas immer wieder sehr harte und unangenehme Szenen auf und serviert uns ein Finale, was unter die Haut geht. Neben diesen Ekelspitzen gibt es aber auch viel subtilen Horror und gut gezeichnete Charaktere. Man könnte fast meinen, dass jeder der vier Schriftsteller in Kill Creek an dem Roman mitgeschrieben hat.
Kill Creek ist am 12.08.2019 bei Heyne als Taschenbuch erschienen. Wir haben ein Rezensionsexemplar erhalten.
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