KIN
Ein Junge aus ärmlichen Verhältnissen findet ein Lasergewehr in einem alten Abbruchhaus und nimmt es an sich. Ob dies nun aus Faszination für die Technik geschieht oder in der Hoffnung, sein Los zum Besseren zu wenden, danach geht natürlich alles gründlich schief. Wer bei einem solchen Plot an die Achtziger denkt, liegt gar nicht so falsch … und doch ist hier einiges anders.
Zwei Brüder auf der Flucht
Eli Solinski (Myles Truitt), ein 14-jähriger Schwarzer aus Detroit, stiehlt Baumaterial aus abbruchreifen Häusern und von abgebrochenen Bauvorhaben, um sein schmales Taschengeld aufzubessern. Bei einem seiner Raubzüge stößt er auf eine Gruppe toter Soldaten in futuristischen Kampfanzügen. Neben einer der Leichen findet er ein mysteriöses Objekt, das sich unter seiner Berührung zu einer Art Energiewaffe entfaltet. Der Junge ergreift jedoch panikerfüllt die Flucht, als sich der Kämpfer zu seinen Füßen plötzlich bewegt.
Zu Hause bekommt er den Zorn seines Adoptiv-Vaters Hal (Dennis Quaid) zu spüren, der nichts von den Aktivitäten des Jungen hält. Auch auf seinen frisch aus dem Gefängnis entlassenen leiblichen Sohn Jimmy (Jack Reynor) ist der alte Mann nicht gut zu sprechen und weigert sich, ihm bei der Suche nach einem Job zu helfen.
Jimmy braucht jedoch dringend Geld, da er einem lokalen Gangster 60.000 Dollar schuldet. Die Situation eskaliert vollends, als er versucht, die Baufirma seines Vaters auszurauben. Hal ertappt ihn dabei, und im folgenden Schusswechsel stirbt sowohl der Vater als auch der Bruder des Gangsters.
Jimmy flüchtet zusammen mit Eli, der inzwischen das Strahlengewehr an sich gebracht hat, aus der Stadt, und die beiden ungleichen Brüder begeben sich auf eine Reise durch die benachbarten Countys, gejagt nicht nur von den Verbrechern, die den Tod ihres Freundes rächen wollen, sondern auch von zwei Kameraden der getöteten Soldaten, die ihre verlorene Waffe zurückholen wollen.
Kein Blockbuster
KIN (dem hierzulande kurzfristig der Kinostart im September 2018 versagt blieb) ist der erste abendfüllende Film der Zwillingsbrüder Jonathan und Josh Baker, die vorher nur Werbespots und Kurzfilme drehten.
Einer dieser Kurzfilme war Bag Man aus dem Jahr 2014, der auch auf YouTube zu finden ist (https://www.youtube.com/watch?v=7rbdnUZ6UcY). KIN ist ein erweitertes Remake dieses Werks, hat aber auch deutliche Parallelen zum 1978er Science-Fiction-Heuler Laserkill – Todesstrahlen aus dem All aus der Fabrik von Asylum-Vorläufer Charles Band. Und nicht zuletzt erinnert die Geschichte des Jugendlichen, der durch Zufall auf futuristische oder außerirdische Technologie stößt, an viele ähnliche Filme der Achtziger.
Letztendlich ist es aber wohl vor allem ein Film, der mit vergleichsweise kleinem Aufwand zu drehen war, ohne dass man Abstriche an dem machen musste, was nachher auf dem Bildschirm zu sehen war.
Trotz des begrenzten Budgets wirkt der Film zu keinem Moment billig. Die vorhandenen Trickaufnahmen sind gekonnt inszeniert, doch wie geschickt hier praktische Effekte mit einigen wenigen im Computer entstandenen Verbesserungen gemischt wurden, sieht man erst, wenn man sich das umfangreiche Bonus-Material zu Gemüte führt. Dieses beleuchtet in gut 90 Minuten alle Facetten des Films, von der Besetzung über die Effekte bis zur elektronischen Musik der Band Mogwai (ich rate übrigens auf jeden Fall zur BluRay-Version, die gegenüber der DVD etwa das Doppelte an Hintergrundberichten aufweist).
Natürlich wird einiges durch die übliche Promotion-Brille betrachtet, aber ich habe trotzdem das komplette Extras-Menü mit Freude durchgeschaut und den Film und seine Macher danach deutlich besser verstanden.
Nicht einfach nur ein Abklatsch
Wie bereits erwähnt, hat der Film eindeutige Vorbilder und bezieht sich auch gern zurück auf die Filme der Achtziger. Der Unterschied ist jedoch, dass diese Filme meistens eine eher problemfreie und künstlich wirkende Welt aufgebaut haben, in der sich am Ende alle Schwierigkeiten lösen ließen.
Bei KIN ist das nicht der Fall. Bevor es mit der eigentlichen Action um die Waffe losgeht, wirkt der Film eher wie ein düsteres Sozialdrama. Wer also ein locker-flockiges Science-Fiction-Märchen mit ballernden Blastern erwartet, wird sich mit diesem Film schwertun. KIN sperrt sich gegen solche einfachen Genreeinteilungen und macht klar, dass sich nicht alles mit einer Waffe lösen lässt, und sei sie noch so mächtig.
Der angestrebte Realismus wird zusätzlich unterstrichen durch die Kameraarbeit, die praktisch ausschließlich mit vorhandenen Lichtquellen arbeitet, was dem ganzen Film teilweise einen sehr natürlichen, aber auch dreckigen Look verpasst.
Ganz im Gegensatz dazu stehen die Szenen um die Waffe und deren Besitzer, die dann plötzlich ein sehr poliertes Aussehen haben. Dies passt jedoch sehr gut zur späteren Auflösung des Films, welche die Herkunft des Objekts klärt und auch deutlich macht, warum nur Eli diese bedienen kann.
Damit kommen wir aber auch zum einzigen wirklichen Manko von KIN, denn die nicht besonders umfangreiche Story des Films wird auf etwa 100 Minuten ausgewalzt. Das sorgt durchaus für den einen oder anderen Durchhänger, der so manchen Zuschauer bis zum Ende schon eingeschläfert hat. Doch dann baut das Drehbuch in einer zwar optisch beeindruckenden, jedoch überhastet wirkenden Szene von vielleicht fünf Minuten Dauer eine leider nicht abgeschlossene Mythologie auf, die so plötzlich daherkommt, dass man sich noch verwundert die Augen reibt, als bereits der Nachspann über den Bildschirm läuft. Das Ende ist zwar kein Cliffhanger, lässt jedoch so viele Fragen unbeantwortet in der Luft hängen, dass man als Zuschauer nicht zufrieden sein kann. Hier wurde ganz offensichtlich auf eine Fortsetzung spekuliert, die in Anbetracht des niedrigen Einspielergebnisses (etwa 10 Millionen Dollar bei 30 Millionen Produktionskosten) wohl nicht kommen wird.
Mit einem Sympathiebonus für die wirklich angenehm rüberkommenden Regisseure kann ich aber trotzdem noch eine Empfehlung für KIN aussprechen, wenn man etwas für kleine, feine Filme übrig hat und vor allem das offene Ende akzeptieren kann.
KIN ist am 6. Juni 2018 als BluRay, DVD und Video on Demand erschienen.
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der BluRay von der Firma Concorde Video erhalten.