Kings (2017)
Die Unruhen von Los Angeles liegen zwar bereits 26 Jahre zurück, das Problem der Polizeigewalt ist in den USA jedoch immer noch hochaktuell. In Kings, dem neuen Drama von Regisseurin Deniz Gamze Ergüven werden die Aufstände von damals nun mit Halle Berry und Daniel Craig neu aufgegriffen und erscheinen thematisch wichtiger denn je.
„Wenn wir was anstellen, landen wir sofort im Knast“
Los Angeles, 1991. Die 15-Jährige Afro-Amerikanerin Latasha Harlins wird von der koreanischen Ladenbesitzerin Soon Ja Du erschossen, als diese sie für eine Ladendiebin hält. Das Urteil auf Bewährung erschüttert die afro-amerikanische Gemeinde tief. Besonders, da kurz zuvor der Afro-Amerikaner Rodney King von Polizisten brutal zusammengeschlagen wird und die Verhandlungen noch laufen.
In diesem Umfeld der Unsicherheit umsorgt die Bäckerin Millie Dunbar (Halle Berry) mit wenig Geld, aber umso mehr Liebe acht Pflegekinder. Der Älteste Jesse (Lamar Johnson) muss ebenfalls mit anpacken, damit Millie pünktlich ihre Kuchen ausliefern kann. Als sie allerdings noch den Jugendlichen William (Kaalan Walker) aufnimmt, wird es langsam zu viel. Zumal William offensichtlich kriminell ist und es zusätzlich auf Jesses Schwarm Nicole (Rachel Hilson) abgesehen hat.
„Du schubst mich, ich schubs dich“
Erstmal scheint die Geschichte von Kings nach einem Familiendrama und einer Jugendromanze auszusehen. Speziell, wenn Jesse vor lauter Liebe seinen heiß geliebten Walkman verkauft, um Nicole ein Mittagessen zu spendieren. Doch die jugendliche Leichtigkeit ist nur kurz zu spüren.
Über allem hängt die immerwährende Gefahr als Schwarze(r) von der Polizei aufgegriffen zu werden. Die stetig im Hintergrund mitzuverfolgende Gerichtsverhandlung um Rodney King lässt die Spannung kontinuierlich ansteigen.
Der saufende und randalierende weiße Nachbar Obie (Daniel Craig) hilft da ebenfalls nicht viel. Bis er eines Tages drei der Kinder, die ausgesperrt wurden, bei sich aufnimmt und plötzlich fürsorgliche Seiten an sich entdeckt.
„Was hast du getan?“
Doch auch diese Entspannung währt nur kurz. Als die Polizisten, die Rodney King verprügelt haben, wider Erwarten freigesprochen werden, kippt die Stimmung endgültig. Die Bewohner*innen können und wollen die Ungerechtigkeiten nicht mehr hinnehmen. Es kommt zu Straßenkämpfen und Brandstiftungen. Zahlreiche Übergriffe, Plünderungen und sogar Tötungen lassen Los Angeles‘ Süden fast in einen Bürgerkrieg abrutschen. Die Situation eskaliert so sehr, dass sich die Polizei zurückzieht und Krankenwagen nicht mehr durchkommen.
In all dem Chaos sucht Millie gemeinsam mit Obie nun ihre Kinder, die durch unglückliche Zufälle quer über die Stadt verteilt sind und teils um ihr Überleben kämpfen.
„Ihr verkörpert das, wogegen ich schon mein ganzes Leben lang kämpfe“
Deniz Gamze Ergüven fängt mit viel Feingefühl die zarten Momente des Familienlebens ein und die unerbittliche Kraft, die es kostet, sich allen Widrigkeiten zum Trotz um die zu kümmern, die man liebt. Und sie zeigt, dass die Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA keine neue Erscheinung ist, sondern in tiefem Rassismus und Angst wurzelt. Die Brutalität, die Hilflosigkeit, die Ohnmacht. All das breitet sie vor den Zuschauenden aus und zwingt einen genau hinzusehen.
Zwar wirkt Kings teils inhaltlich etwas überladen und auch nicht jeder Handlungsstrang wird stringent verfolgt, doch im Großen und Ganzen ist ihr ein wichtiger Beitrag zur momentanen Debatte in Amerika gelungen, die hierzulande leider viel zu wenig Beachtung bekommt.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben eine DVD als Rezensionsexemplar vom Promoter voll:kontakt erhalten.