Lady Windermere’s Fan by Oscar Wilde Teil 2
Premiere in der Bonner Brotfabrik
Im Juni traf ich die Kölner Schauspielerin Esther Takats und sprach mit ihr über die aktuelle Theaterproduktion der Bonner University Shakespeare Company (Interview mit Esther Takats). Am 05.07. fand nun die Premiere der Gesellschaftskomödie »Lady Windermere’s Fan« in der Bonner Brotfabrik statt – und Fischpott war mit dabei.
»What a charming wicked creature!«
schrillt es durch das Traumschiff. Die Duchess of Berwick meint keinen Geringeren als den smarten Lord Darlington (very british: Johannes Neubert), jenen Playboy, der seinen Blick auf die junge Lady Windermere geworfen hat. Die Duchess ist auf Männersuche, wenn auch nicht für sich selbst. Töchterchen Agatha will sie unter die Haube bringen. Und die weiß, wie sie ihr Leben erträglich gestaltet: »Yes, Mama!« lautet ihre Standardantwort. Mit diesen zwei Worten kommt Kristina di Georgi durch das gesamte Stück, setzt sich im Zweifel mit einem Joint auf das Deck des Traumschiffes ab.
Das kongeniale Mutter-Tochter-Gespann spielt sich augenblicklich in die Herzen der Zuschauer und verkörpert dabei so viel von dem, worum es in Oscar Wilde’s Gesellschaftskomödie geht: dunkle Geheimnisse und familiäre Probleme unter dem polierten Deckmantel snobistisch vorgetragener Spießigkeit. Dass die Rolle der Duchess kurz vor der Premiere wieder vakant wurde und die Regisseurin Julia Pflüger plötzlich selbst einspringen musste, ist dabei zu keinem Zeitpunkt merklich. Ganz im Gegenteil: Beim Premierenpublikum sorgte sie mit ihrer nasal-schrillen Performance für größte Heiterkeit.
Purity and Innocence
sind die beiden Attribute, die die junge Lady Windermere beschreiben und von denen sich Lord Darlington so angezogen fühlt. Der Jung-Schauspielerin Judith Ponwitz scheint die Rolle auf den Leib geschrieben. Ihr Flirt mit dem Playboy hat den Charme eines Teenies auf der Suche nach dem ersten Kuss. Ihrem emotional reduzierten Gatten (trefflich dargestellt von David Green) gegenüber wirkt sie unterlegen, ihr Tränenreichtum als vermeintlich Betrogene ist herzzerreißend. Und ihre Hilflosigkeit auf der Suche nach einer zu fällenden Entscheidung löst Muttergefühle aus. In den Arm möchte man sie nehmen und wachrütteln. Um sich dann doch der Ansicht ihres Ehemannes anzuschließen: Die Wahrheit, so vermutet er, könnte sie umbringen. So sieht das auch die angeblich Geliebte des Lords. Auch wenn »purity and innocence« Mrs Erlynne nun so gar nicht beschreiben, die Dame mit der Vorliebe für reiche Männer entdeckt ob der liebreizenden Eigenschaften der jungen Lady ihren weichen Kern.
»Life doesn’t repeat its tragedies like that!«
Mrs Erlynne weiß, wovon sie spricht. Sie selbst hat in ihrem Leben Entscheidungen getroffen und in der Folge den Preis dafür bezahlen müssen. Sie wollte keine Mutter sein, hat ihr Kind zurückgelassen und auf ein Leben in Saus und Braus gehofft. Geerntet hat sie aber nur den Ruf der Zweifelhaften, sie ist eine Ausgestoßene. Nun sucht sie den Weg zurück in die High Society, will die Ehe mit dem ältesten der Lords eingehen – nicht aber, ohne vorher noch einmal ordentlich abzukassieren. Doch dann versteht sie, was sie mit ihrem Verhalten ausgelöst hat. Den stärksten Moment hat Esther Takats, die in einem Meer aus unschuldigem Weiß in aggressivem Rot auftritt, in den Gemächern des Darlington: In einem bewegenden Monolog resümiert sie ihr verpfuschtes Leben und fährt damit nicht nur der jungen Lady Windermere unter die Haut.
»Men become old, but they never become good«
Die Gemächer des Darlington sind auch der Treffpunkt fast aller an der Produktion beteiligten Männer. Und dieses illustre Beisammensein stellt nun auch einen der Höhepunkte für das Premierenpublikum dar. Im Vordergrund liefern die Herren den Beweis für das harsche Urteil der Duchess über die Schlechtigkeit der Männerwelt: Betrunken und zynisch lassen sie sich über ihre Luxusprobleme aus. Im Hintergrund sind es einmal mehr die von Regisseurin Julia Pflüger zugedachten kleinen Randerscheinungen, die der Inszenierung so viele heitere Momente schenken. Da ist der Kellner (köstlich: Thomas Liessem), der als sein bester Gast immer betrunkener wird. Oder der Zukünftige von Mrs Erlynne, der auf dem Sessel einschläft (mit aller BUSC-Erfahrung: Peter Schild), während der Koffer packende Darlington einen der anderen Lords mit Unterwäsche bewirft. Und in genau dieser Szene muss die Dame in Rot Farbe bekennen: Als einer der Herren den Fächer der Lady Windermere entdeckt, stürzt Mrs Erlynne in rotem Scheinwerferlicht auf die Bühne. Sie behauptet, den Fächer an sich genommen zu haben, bevor sie in die Gemächer des Playboys gekommen sei – und schützt damit einmal mehr die junge Lady.
»We’re all in the gutter, but some of us are looking at the stars«
Das Premierenpublikum hat an diesem Abend sicherlich nur metaphorisch in der Gosse gesessen – die Bonner Brotfabrik hat sich als angenehmes Schauspielhaus erwiesen – auf Stars haben wir aber allemal geschaut. Vielleicht haben wir keine Germany‘s Next oder DSD-Superstars gesehen. Aber die Begeisterung aller Beteiligten der BUSC ist auf uns übergeschwappt, hat uns mitgerissen und einen sehr anregenden Theaterabend bereitet.
»Lady Windermere’s Fan« ist noch bis zum 10. Juli in der Bonner Brotfabrik zu sehen.