Law Abiding Citizen (Gesetz der Rache, 2009)
Law Abiding Citizen ist im Kern ein simpler Racheplot, der unsere niedersten Impulse anspricht. Klar, dass der von der Kritik verrissen wurde. Doch wir, die kultivierten Liebhaber des Racheepos, fanden ihn durchaus geil. Einzig das Ende wurde verrissen – zurecht? Nicht so ganz, meine ich.

In dieser Welt geschehen böse Dinge. Clyde Sheldon (Gerard Butler) muss mitansehen, wie zwei richtig fiese Stinker seine Familie überfallen und alle bis auf ihn umbringen. Doch angesichts unzureichender Beweislage erwirkt Staranwalt Nick Rice (Jamie Foxx 1) – der beste seines Fachs, was er zu betonen auch niemals müde wird – einen Deal mit einem der Mörder, um zumindest den anderen verurteilen zu können. Besagter Deal mag einerseits tatsächlich das Beste sein, was in der gegebenen Situation herauszuholen war. Andererseits fühlt man als Zuschauer sehr mit dem vom Rechtssystem enttäuschten – und zu diesem Zeitpunkt noch harmlos wirkenden – Clyde Sheldon mit.
Zehn Jahre später.
Die Hinrichtung des verurteilten Mörders soll endlich vollzogen werden, gerät aber zur Vollkatastrophe, weil Sheldon im Hintergrund Anästhetikum und nachfolgendes Medikament vertauscht hat. Sheldon schnappt sich daraufhin Darby – mit dem obiger Deal vollzogen wurde – betäubt ihn mit Tetrodotoxin („you can’t move, but you feel everything“) und richtet ihn qualvoll hin. Ja, Sheldon hat seine Hausaufgaben in den zehn Jahren gemacht.
Selbst die hier als eher dämlich porträtierte Exekutive von Philadelphia braucht nicht lange, um Sheldon in Verdacht zu ziehen, welcher sich auch bereitwillig festnehmen lässt (nackt, denn die 300-Muskeln sitzen noch). Und erst hier wird die Persönlichkeit von Clyde Sheldon gewendet: Ein technisch und taktisch versiertes Genie, welches nicht nur bereit ist, sich an den Mördern seiner Familie zu rächen, sondern die Justiz gewaltsam und rhetorisch vorzuführen bereit ist: Mühelos argumentiert er sich rechtswirksam aus seiner hoffnungslosen Lage, nur um daraufhin die Richterin zu beleidigen, die schon im Begriff war, ihn freizulassen. Das ist auch alles noch lustig. Weniger lustig ist es allerdings, wenn er auch unbeteiligte Personen tötet – wenn diese auch in seinem Codex keineswegs unbeteiligt sind.
So etwa in der Mitte des Films schlagen nun also zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits ist dies im weiteren Sinne ein Actionfilm. Natürlich gucke ich das, um die Gewalt zu sehen, erst recht, wenn sie von einem so versierten und völlig unterschätzten Regisseur wie F. Gary Gray (Verhandlungssache) inszeniert ist. Natürlich fühle ich mit dem Familienvater mit. Natürlich will ein Teil von mir nicht akzeptieren, dass in einem Mordprozess Kompromisse gemacht werden müssen.

Andererseits verstehe ich das, rational betrachtet, sehr wohl. Nick Rice, der den ursprünglichen Deal arrangiert hat, kommt zwar nur mäßig sympathisch rüber, hatte aber eigentlich keine Wahl. Keiner hat das Recht, eigenmächtig Selbstjustiz zu betreiben. Und natürlich schlägt Sheldon, je weiter der Film fortschreitet, über alle Stränge. Dieser Zwiespalt ist natürlich in jedem Rachefilm latent vorhanden. In keinem anderen Film jedoch wird man als Zuschauer so auf die Probe gestellt wie in Law Abiding Citizen.
So, und jetzt zum Ende. Achtung, jetzt betreten wir eindeutig Spoilergebiet. Die zentrale Wendung kommt ziemlich schnell und unprätenziös daher: Nick Rice erhält Informationen über ein Grundstück, welches Sheldon unter falschem Namen besitzt, und kann so seine „geheime Operationsbasis“ offenlegen. Damit ist Sheldon praktisch erledigt. Doch warum regen sich Leute so darüber auf? Nehmen wir nur mal die ersten fünf Überschriften der IMDB-Nutzerkritiken2:
„Great Start, Sagging Middle, Bad Ending“
„Great Idea, Poor Ending“
„Typical Hollywood BASTARDIZED ENDING!!!“
„Good movie screwed up completely in the last 15 minutes“
„Great Movie just don’t watch the end“
Nennen wir das Kind beim Namen: Mr. Gary Gray hat seine Kundschaft mit diesem Ende ziemlich angepisst. Dabei ist es, intellektuell gesehen, ein recht konsequentes Drehbuch: Sheldon hat sich zwar über zehn Jahre ein sehr ausgefeiltes Rachekonstrukt ausgedacht. Und natürlich kommt er über den Verlauf einer knappen Dreiviertelstunde als übermenschliches Mastermind daher. Doch solange wir davon ausgehen, dass wir es hier mit einem Menschen zu tun haben, ist es doch nur logisch, dass ein solches Kartenhaus nur einen klitzekleinen Fehler braucht, um komplett einzustürzen. Das ist hier geschehen und war nur eine Frage der Zeit. Dennoch fiel es auch mir am Anfang schwer, diese Wendung zu akzeptieren. Meiner Meinung nach gibt es dafür zwei Gründe:
- Die Wendung kommt zu abrupt und zudem wird Sheldon nicht wirklich „besiegt“; stattdessen wird er durch investigative Kriminalarbeit bloßgestellt, was dem Zuschauer als Gegengewicht zu Sheldons Geniestreichen vermutlich zu dünn erscheint. Nick Rice hätte sich seinen Triumph „verdienen“ müssen.
- Wichtiger noch: Auch wenn kaum jemand rational auf der Seite des Bösewichts sein könnte, man ist es trotzdem. Dem Film – und Gerard Butler – gelingt es, die Emotionen auf seine Seite zu ziehen – erst qua Mitleid, später qua Coolness. Und obwohl er es übertreibt, so bleibt er für uns bis zum Ende „der Gute“ – gleich so, wie Barney Stinson Hans Gruber als den Guten in Die Hard empfindet. True Story.
Mein simpler Verdacht also: Wer das Ende von Law Abiding Citizen als wirklich sooo schlecht empfindet, sollte sich zunächst einmal fragen, ob er Clyde Sheldon nicht doch etwas zu geil findet. So schlecht ist das Ende nämlich gar nicht; und als Ganzes bleibt dieses Machwerk, um es mit den Worten meines Gesprächspartners in einer Bochumer Videothek im Jahre 2009 zu sagen, „end der geile Film“.
- Ursprünglich war vorgesehen, dass Gerard Butler und Jamie Foxx die jeweils andere Rolle spielen. ↩
- https://www.imdb.com/title/tt1197624/reviews?ref_=tt_ov_rt ↩