Liverfool – Die Geschichte des ersten Managers der Beatles
Helmut Schmidt hat einmal in einer Interviewreihe sinngemäß gesagt, er möge die Beatles, und sie hätten ja nichts mit Rock’n’Roll zu tun. Der belgische Comic-Autor Gihef und der französische Zeichner Damien Vanders sehen das anders und wollen es mit »Liverfool« beweisen. Sie sind sicher nicht die Ersten, die finden, dass sich jene angeblich ach so wilden Jahre Anfang der Sechziger, vor der Pilzkopf-Ära, dafür am besten eignen. Diese Phase der Bandgeschichte ist spätestens seit »Backbeat« zum Mythos verklärt worden wie fast alles an den Beatles. Und so erinnert auch vieles in dem Comic an den rund 20 Jahre älteren Film.
Ein Gastbeitrag von Christian Beck.
Junge Leute als ungeschliffene Rohdiamanten und ein oft überforderter Manager, der noch nicht einmal die Zeit hat, um auch nur auf die Idee zu kommen, sie zu Juwelen zu schleifen (er wüsste wohl auch nicht wie): das sind Zutaten für eine gute Geschichte. Noch besser wird sie, wenn sie auf Tatsachen beruht. Aber es ist fraglich, ob es wirklich interessiert, die Beatles zu zeigen, als sie noch (relativ) normale Leute waren, wenn sie eben nicht später die Fab Four geworden wären. Zwar holt der Autor aus der (scheinbaren?) Hauptfigur, dem Titel-‚Helden‘ Allan Williams, alles heraus, was zu einer guten Story beitragen kann. Ohne diejenigen, die ‚den Jungs‘ den letzten Schliff gaben, also das, was Williams nicht konnte, fände auch diese Vorgeschichte womöglich etwas weniger Leser. Dabei hat Allan Williams durchaus Potential, ein Publikum zu fesseln. Zumindest so wie er hier dargestellt ist (denn bei allem realen Hintergrund bleibt es Fiktion). Alle lieben es, von den sehr bescheidenen Anfängen zu hören, aus denen dann etwas sehr Großes erwuchs. Dies verkörpern sowohl Williams als auch die Beatles in ihren Anfangstagen. Als sich diese Zeit jedoch dem Ende neigt, sehen sich „die Jungs“ gezwungen, sich von demjenigen zu trennen, der diese Phase wie kein anderer verkörpert und sich nicht weiterentwickelt, also Williams, um in eine erfolgreichere Phase einzutreten. Dazu passt ein Zitat aus einem Interview mit John Lennon, in dem er sagte: „You got to be bastards to make it, and the Beatles were the biggest bastards of all.“
Rahmenhandlung für den unbedarften Leser
Vielleicht sehe ich die Sache zu oberflächlich, aber die Autoren scheinen selbst nicht ganz sicher zu sein, ob die Geschichte von Allan Williams alleine trägt. Also lassen sie ihn in einer Rahmenhandlung auf zwei Touristenpaare treffen, denen er „für nicht mal fünf Pfund“ und ein paar Bier seine Geschichte erzählt. Es ist zu hoffen, dass der echte, über Achtzigjährige Williams es nicht nötig hat, Leute für Geld anzuquatschen. Einer aus dieser Zuhörergruppe, Manu, übernimmt die Rolle derjenigen, die zwar die Beatles kennen, aber natürlich nicht über vertieftes Expertenwissen verfügen. Stets drängt er, sobald Allan zu sehr ins Allgemeine abschweift, ungeduldig darauf, nur das erzählt zu bekommen, was direkt mit den Beatles zu tun hat.
Vom Wirt des »Jacaranda« zum Bandmanager
So erfährt also der Leser, wie Ende der 1950er Jahre der Klempner und Gelegenheitsjobber Williams zum Besitzer des Lokals »Jacaranda« wird, in dem auch Musikgruppen auftreten. Irgendwann tauchen dort John Lennon und sein Kumpel Stuart Sutcliffe auf, weil sie mit ihrer Band in dem Laden spielen wollen. Williams besorgt Ihnen, auf Johns Aufforderung hin, einen Drummer sowie erste Auftritte – zunächst einmal anderswo als im Jacaranda, weil sie für sein Lokal seiner Auffassung nach (noch) nicht genug Qualität haben. Nach Williams’ Darstellung lässt er die Band zum Teil an besonders schlimmen Orten auftreten, quasi um sie abzuhärten und ihre vorhandene Fähigkeit, ein Publikum zu erobern, zu fördern. So wächst er in die Rolle ihres Managers hinein und prägt die Beatles also doch ein wenig.
Ganz wichtig: Hamburg
Alistair Taylor, Assistent des legendären Beatles-Managers Brian Epstein und diesem über den Tod hinaus ergeben (also keine unabhängige Instanz), meinte einmal, Williams wäre niemals Manager der Band gewesen. Er hätte ihnen ein paar Auftritte verschafft, aber die Aufgaben eines Managers umfasse mehr. »Liverfool« bestätigt und widerlegt ihn zugleich. Denn tatsächlich wirkt einerseits das, was Williams den Jungs ermöglicht, wie eine Aneinanderreihung von Auftritten. Andererseits ruft die Geschichte in Erinnerung, dass es Williams war, der für das Engagement in Hamburg sorgte, ohne das die Karriere der Beatles undenkbar wäre. Sie gewannen dadurch an Erfahrung und Ansehen in ihrer Heimat, sie spielten in Hamburg unter anderen im legendären Star Club und kamen so zu den sagenhaften Auftritten im noch legendäreren Liverpooler Cavern Club. Auch die Pilzkopf-Frisuren stammten aus jener Zeit und waren keinesfalls Epsteins Idee. Allerdings auch nicht Williams’.
Immer wieder der Hinweis: „Nur“ eine Geschichte
Schon vor Beginn der Handlung, damit es auch der Letzte begreift, informieren die Autoren darüber, dass sie zwar auf wahren Ereignissen beruht, dennoch aber eine Geschichte ist. Im Untertitel des französischen Originals heißt es schlicht „Die Geschichte des ersten Managers der Beatles“, während in der deutschen Version vor dem Wort „Geschichte“ noch das Wort „wahre“ gesetzt wird. Dies wird allerdings in Klammern gesetzt und auch noch durchgestrichen, als wollte man sich absichern. Es ist auch ungewiss, ob Williams, nachdem er geschasst wurde, tatsächlich versuchte, die Gruppe in der Gegend (vergebens) schlecht zu machen und dies sogar zugäbe. Neben Williams interessieren sich Gihef und Vanders vor allem für John Lennon und vielleicht noch für Stuart Sutcliffe. John wird, wie in »Backbeat«, als der ach so rebellische Anführer gezeigt, dem auch die coolsten Sprüche zugeschoben werden. Die anderen Bandmitglieder bleiben demgegenüber, wie im Film, blass. Die Zeichnungen sind schön und, der erzählten Zeit angemessen, stilvoll in schwarz-weiß-grauen Tönen gehalten. Epstein hat einen Kurzauftritt, mit dem die ganz wilde Zeit zu Ende geht. Er steckte die Band in Anzüge (zu ihrer Freude, denn die Lederkluft fing langsam an, wortwörtlich zu stinken, und das Publikum machte sich lustig über sie). Laut einem weiteren Lennon-Interview brachte er ihnen bei, nicht mehr auf der Bühne zu fluchen oder gar Hühnchen zu essen. All das klingt zwar nicht mehr ganz so nach Rock’n Roll, war aber wohl für den Erfolg notwendig. Die Story gibt viel her und die Autoren machen einiges daraus. Im Gegensatz zu anderen Rezensenten bin ich nicht der Meinung, dass sie für sich alleine schon für Leser interessant wäre. Zu sehr lebt diese Graphic Novel von Williams’ Verbundenheit mit der Beatles-Legende. Der Comic endet mit einen vom offenen Meer aus gesehenen Panoramabild des heutigen Liverpools, gespickt mit Zitaten des Beatles-Klassikers »In my Life«. Das ist zwar nicht sehr originell, aber effektiv – zumindest für diejenigen, die das Lied kennen.
Disclaimer: Fischpott hat eine Rezensionsexemplar vom Verlag Edition 52 erhalten.
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