Living Forest
Die Welt brennt und wir müssen alle löschen. Das scheint die globale Stimmung angesichts Klimaerwärmung, Pandemie und geistiger Brandstiftung allerorten zu sein. Und auf erstaunliche Art und Weise fängt auch Living Forest, das thematisch eher naturmystische Kennerspiel des Jahres 2022 diese Stimmung ein. Denn wer nicht beim Löschen mithilft, kriegt es bald mit üblen Feuerwaranen zu tun.
Es war einmal ein Wald …
In Living Forest spielen wir Naturgeister,1 die den Flammengeist Onibi bekämpfen. Den können wir aufhalten, indem wir Feuer löschen oder Bäume und Heilige Blumen pflanzen. Das schaffen wir aber nicht alleine sondern brauchen Hilfe in Gestalt von Tieren. Im Spiel werden die durch Karten dargestellt und zu Beginn haben wir schon einen Kartenstapel voller schön illustrierter Waldwesen. Jede Runde decken wir eine Reihe von Tierkarten von unserem Nachziehstapel auf. Entweder bis wir genug haben oder bis wir drei Tiere mit einem Einzelgänger-Symbol aufgedeckt haben.
Drei Einzelgänger bedeuten eine deutliche Einschränkung, denn dann haben wir im folgenden Spielzug statt zwei Aktionen nur eine. Welche Aktion(en) wir erfolgreich durchführen können verraten uns unsere aufgedeckten Karten. Jede zeigt Zahlenwerte und Symbole wie Wassertropfen, Sonnen oder Baumsetzlinge. Die Zahlenwerte eines jeden Symbols addieren wir.
Vorsicht vor Feuerechsen
Anhand der Summen in unserer Tierreihe können wir anschließend unterschiedliche Aktionen ausführen: Neue Tierkarten anlocken, Bäume pflanzen, Feuer löschen, uns in einem Steinkreis bewegen oder Magie-Fragmente nehmen. Brände löschen bringt Siegpunkte und schützt uns auch am Ende der Runde. Lodern dann noch zu viele Flammen, müssen wir eventuell Flammenwarane zu unserem Kartenstapel dazunehmen. Die sind immer ungesellige Viecher und deswegen sehr unangenehme Ergänzungen – auch weil sie nichts zu den anderen Aktionen wie Einpflanzen und Anlocken beitragen. Locken wir als Aktion Tiere an, legen wir sie auf den Nachziehstapel. Das ist im Gegensatz zu anderen Deckbuildern wie etwa Runestones sehr praktisch, weil die neuen Tierchen gleich ins Spiel kommen und nicht erst in den Stapel eingemischt werden.
Genau wie die Tierkarten addieren die Bäume Zahlenwerte zu verschiedenen Symbolen, allerdings immer in jeder Runde. Und wenn wir uns dafür entscheiden, im Steinkreis umzugehen können wir punktebringende Plättchen von den anderen Geistern mopsen. Die Magiefragmente schließlich sind nützlich, um Feuerwarane loszuwerden – oder um „normale“ Einzelgänger-Tiere erst einmal beiseite zu legen. Das Spiel endet schließlich, wenn ein Geist 12 Flammen gelöscht, 12 Bäume gepflanzt oder 12 Heilige Blumen ausgelegt hat. Dann noch gecheckt, ob die anderen Geister auch eines der Spielziele in dieser Runde erreicht haben und ein*e Gewinner*in steht fest.
Run, Living Forest
Für ein Kennerspiel ist Living Forest sehr zugänglich. Wo einem bei einer Partie Dune: Imperium oder Village schon einmal der Kopf schwirrt vor lauter Möglichkeiten und Auf-alles-gleichzeitig-Achten ist Living Forest für Vielspieler*innen einstiegsfreundlich und eine schaffbare Herausforderung für Gelegenheitsspieler*innen. Das schön gestaltete Spielmaterial versetzt beim Spielen in einen mythischen Wald. Dass die Tiere auf den Karten weniger natürlich sondern mit ihren leuchtenden Augen und glühenden Schnörkellinien eher nach Neon-Avataren aussehen ist Geschmackssache. Und dass sich die vier Naturgeister – schließlich gestalterisch orientiert an den vier Jahreszeiten – in ihrem Spielgefühl kein bisschen unterscheiden ist auch etwas schade. Eine Eisbärenkarte für den Winter oder mehr Blumen für den Frühling hätten eventuell schon für ein etwas unterschiedliches Spielgefühl gereicht. Auch was die vier Jahreszeiten des Nordens/Südens in den Gefilden eher tropischer Tiere zu suchen haben ist auch eher unklar. Das sind aber Details, die das Spielerlebnis nicht schmälern.
Living Forest ist ein durchdachtes, schön illustriertes Spiel mit robusten Mechaniken, das die Spielenden vor taktische Herausforderungen stellt. Nach einigen Partien wirkt es aber so, als ob die Höhen und Tiefen schon ausgelotet sind.
Alter: 10+
2-4 Spielende
30-60 Minuten Spieldauer
Preis: um 35 Euro
- In den Gestalten Frühling, Sommer, Herbst und Winter ↩