Luther Season 5
Warum heißt jemand Luther, wenn er gar nicht reformiert? Falls es in dem Zusammenhang nicht zu sehr verwirrt: Auch Martin Luther hieß nicht wirklich Luther, jedoch immerhin Luder, wofür er sich so sehr schämte, dass er den Familiennamen leicht verbog. Okay, andere Frage: Wer erinnert sich an die Londoner Docklands, als dort noch keine Hochbahn fuhr, Canary Wharf noch nicht gebaut war, keine Yuppies um Wohnraum balgten und es noch keinen London City Airport gab? Wenn Stadtviertel so schnell wachsen, bleibt der Verdacht, dass die alte Seele nicht tot, sondern lebendig begraben ist. Im Bonusmaterial von Staffel 5 erzählen die Macher der BBC-Serie Luther, dass sie ein eigenes London erschaffen wollten, abseits von Trafalgar Square, Piccadilly Circus und Tower. So eine andere Seite der Stadt bekam man in den alten Docklands gratis, heute kostet sie Kameratricks. Glasgow, Manchester, Liverpool – die britischen Gruselkabinette haben dicht gemacht, auch Jack the Ripper ist als Museumsstück bei Madame Tussaud abgetaucht.
Das alles schreit geradezu nach Recycling, was dann auch gründlich erledigt wird. Besonders verblüffend für alle, die mit den älteren Staffeln vertraut sind: Alice Morgan (Ruth Wilson) steht plötzlich wieder vor Luthers (Idris Elba) Tür. Aber war die durchgeknallte Lady nicht längst über den Jordan gegangen? Ganz richtig – und Fischpott hat in der Rezension von Staffel 4 im November 2016 auch unmissverständlich beklagt, dass ihr Tod der ganzen Serie ein Stück Leben entzogen hat. Nun wirkt es so, als hätte sich die Crew diese Kritik zu Herzen genommen und Alice quasi wieder aufgepumpt. Ätsch, ich bin gar nicht tot. Dergleichen soll es ja geben.
Es hat den großen Vorteil, dass Alice den anderen geläufigen Figuren, insbesondere George Cornelius (Patrick Malahide), in bekannter Weise an den Karren pinkeln und Luther wieder auf ihre schiefe Ebene zerren kann. Allerdings tragen postmortale Erklärungen für die Reanimation von Schlüsselfiguren immer das An-den-Haaren-herbei-Label. Nicht wirklich geschmeidig wirkt es auch, dass Luther mit einem Popo auf zwei Hochzeiten tanzt. Einerseits sucht er diese alte Sache mit Alice einzurenken, wobei diese Komplizin die Kooperationsbereitschaft eines Nilkrokodils an den Tag legt. Andererseits folgt er der Spur eines mordenden Psychopathen und seiner angeheirateten Psychoklempnerin. Alles nicht leicht im Leben eines nicht reformierenden Luthers.
Und jetzt kommt der Verdacht auf, dass die Staffel eine Art Gretchenfrage ausloten möchte. Nein, nicht dieses „wie hast du’s mit der Religion?“, aber ein verwandtes Thema: Bist du im Herzen gut oder böse? Idris Elba steht mit seiner Erscheinung durchgehend dafür, dass der Zuschauer und auch die meisten seiner Kollegen über drei Filmstunden hinweg an das Gute in ihm glauben. „Wie immer er sich entscheidet“, so steht es vollmundig auf dem DVD-Umschlag, „es wird John Luther für immer verändern.“ Nur ist es wie schon in Staffel 4: Kein Zuschauer hat Interesse daran, dass Luther sich grundlegend verändert.
Zum Teufel also mit allem Moralgeschwurbel und zum Schluss nur eine Bitte: Denkt euch für Alice, die quasi im Abspann unter Luthers Tränen verreckt, keine abermalige Reinkarnation aus. Who wants to live forever? Auch wenn die Dame so vorbildlich mordet – einem Opfer bohrt sie zum Beispiel eine Stricknadel durchs Ohr ins Hirn –, sollte sie in weiteren Staffeln zumindest aus der Stadt verschwinden. Denn das Eine gelingt Filmteam und Hauptdarstellern: Ein London auf die Leinwand zaubern, dem man rekordverdächtige Grausamkeiten spielend abkauft. Was dabei an Blut fließt, dürfte etwa ein Drittel von Django Unchained sein, genug also für die aufgedruckte FSK 16. Das geschieht ohne hektische Filmschnitte und mit erträglichem Maß an Computeranimation. So leben die Bilder, die aufrichtigen Bilder und nichts als die Bilder.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der Blu-ray erhalten.